Für Multi-Asset Portfolioinvestoren könnte die Suche nach geeigneten Antworten auf die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Themenstellungen sowohl in kurzfristiger (taktischer) Hinsicht, aber auch mittelfristig, kaum herausfordernder sein. Dieser Umstand resultiert nicht zuletzt daraus, dass die etablierten institutionellen Eckpfeiler der westlichen Wirtschaftsordnung das Investorenvertrauen nicht mehr in jenem Ausmaß stabilisieren können, wie dies in der Vergangenheit zumeist der Fall war. Dieses sich mit zunehmender Dynamik verändernde Umfeld betrifft dabei nicht nur scheinbar unauflösliche und somit berechenbare wirtschaftliche, politische und militärische Bündnisse auf globaler Ebene. Viel wesentlicher erscheint die Tatsache, dass altbewährte Erwartungsmuster in Bezug auf unterstützende Maßnahmen zentraler wirtschaftspolitische Akteure wenig erfolgversprechend sein dürften, für die kurzfristige Portfolioallokation. Enttäuschend ist vor allem die augenscheinliche Überforderung der westlichen Notenbanken, allen voran der US FED und der EZB, bei der Inflationsprognose und folglich -bekämpfung. Auch wenn die Rückführung der quantitativen Ausweitung der Geldmengen als herausfordernd betrachtet werden kann, sollten gerade unter den aktuellen Umständen die Notenbanken verstärkt eine Art Leuchtturmfunktion für die Finanzmärkte wahrnehmen. Quantitative Tightenings (QE), Leitzinsanhebungen unklaren Ausmaßes und diskretionäre geldpolitische Eingriffe – etwa in Bezug auf die Spreadbildung europäischer Staatsanleihen – lassen das in der Vergangenheit oft erfolgreiche „buy the dip“ auf den derzeitigen Niveaus daher immer noch als zu riskant erscheinen. Insbesondere, da die aktuelle und vor allem zukünftige Gewinnsituation bei vielen Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Lichte von Lieferkettenproblemen und allmählich sinkender Konsumnachfrage noch sehr unklar ist. Zweifel im erfolgreichen Umgang mit einer neuerliche Welle von Covid-19 Infektionen im Herbst und Winter dieses Jahres erhöhen diese Unsicherheit zusätzlich. Veranlagungen in Anleihen sind hingegen – neben dem aus der geldpolitischen Wende resultierenden Druck auf die Renditen – aller Voraussicht nach auch in den kommenden Monaten deutlich von negativen Effekten aus instabilen Inflationserwartungen und steigender Differenzierung bei der Kreditqualität geprägt.
Zwei logische Konsequenzen resultieren aus diesen Betrachtungen für mittelfristig orientierte Investoren: Erstens erscheint es aufgrund der anhaltenden Unsicherheit ratsam, die Investitionsquoten bei Aktien und auch bei Anleihen deutlich niedriger als strategisch vorgesehen anzusetzen bzw. vorläufig auf diesen niedrigeren Niveaus zu belassen. Dies ungeachtet kurzfristig positiver Gegenbewegungen in diesen Assetklassen. Wo möglich und auch erlaubt können im aktuell hoch volatilen Umfeld Hedgestrategien unter Einsatz von Derivaten entscheidende Vorteile in Bezug auf kurze Reaktionszeiten bieten. Gleichzeitig ist aber unbestritten, dass freie Liquidität früher oder später veranlagt werden muss, um reale Wertverluste zu begrenzen. In einem zweiten Schritt empfehlen sich daher (zur Erfüllung der Investitionsquoten) regional breit gestreute Veranlagungen in Aktien großkapitalisierter Unternehmen mit stabilen, berechenbaren Cash-Flows und einem langfristig nachhaltigen Geschäftsmodell. Aktientitel aus den USA wären hier eindeutig gegenüber Kontinentaleuropa zu bevorzugen, allerdings sollte eine Verbesserung der Bewertungskennzahlen abgewartet werden. Global orientierte britische und auch japanische Aktienwerte (zumindest letztere in Lokalwährung) empfehlen sich als Beimischung. Diese häufig als veraltet und wenig dynamisch eingestuften Veranlagungen sollten in einem Umfeld, in dem praktisch „auf Sicht“ veranlagt werden muss, die nötige Portfoliostabilität bieten. Thematische „Real Asset Solutions“ mit Fokus auf Aktien von Versorgern, Gütern des täglichen Konsums und Infrastrukturdienstleistungen, bieten sich in diesem Zusammenhang als wertvolle Ergänzung an. Auch im Anleihesegment erscheint es derzeit – trotz einem kurzfristigen Überschießen der Zinsen – noch nicht ratsam, zu hohe Zins- oder Spreadrisiken einzugehen. Klassische spätzyklische Veranlagungen (inflationsgeschützte und variabel verzinste Staatsanleihen) sollten aber ausreichend Puffer im aktuellen Umfeld bieten. Fremdwährungsanleihen entwickelter Länder (USD, CAD, AUD etc.) können, unter Berücksichtigung bereits gestiegener Renditen, für EUR Investoren eine überlegenswerte Beimischung darstellen. Klassische Rohstoffinvestments (Energie, Industrie- und Edelmetalle), flankiert von Beteiligungen an vor- und nachgelagerten Unternehmen des landwirtschaftlichen Sektors, runden die multi-asset basierte Herangehensweise ab.
Dieser insgesamt äußerst defensive Investmentansatz dürfte im derzeitigen Umfeld vertretbare Chancen für einen realen Vermögenserhalt bieten und gleichzeitig die Flexibilität in Bezug auf neuerlich riskantere Veranlagungen bei einer glaubhaften Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hoch genug halten.
Mag. Manuel Schuster, IMC
CEO & CIO, FAME Investments AG
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