Gröschls Mittwochskommentar: 35/2022

Der wöchentliche Blick auf die Märkte, (Geo-)Politik, Known Unknowns und andere wichtige Entwicklungen. Verfasst von e-fundresearch.com Gastautor Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH. Markets | 31.08.2022 10:57 Uhr
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH / © e-fundresearch.com & interfoto
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Der Markt hat immer recht. – So das alte Sprichwort. Persönlich glaub ich ja, dass es auf den Märkten inzwischen ein bisserl so zugeht wie bei Gericht und dass zwischen Recht haben und Recht bekommen oftmals eine Riesenschlucht liegt. *lol* Wir könnten das natürlich auch noch um ein anderes altes, wieder der Juristerei entlehntes Spruchweistum ergänzen: Am Markt (bei Gericht ;-)) und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Da helferte es natürlich, wenn man grad den bzw. die richtige(n) am Anbetungsschirm g´habt hat. Dass das wiederum nicht so einfach ist und starke Stürme mit großen Wellen immer ihre Opfer fordern, sehen wir aktuell am Beispiel eines österreichischen Kommunalbetriebs, der sich aus welchem Grund auch immer, auf der falschen Seite des (Strom)Marktes wiedergefunden hat.

Dass die Geschichte frappant an 2008 erinnert, wird den nicht mehr ganz Frischgefangen unter uns, auch schon gekommen sein. Spannend ist dabei, dass wir seit damals zwar die Finanzindustrie super-überreguliert haben, aber auf den Rohstoffmärkten, offensichtlich es mit der Risikokontrolle der Handelsbücher der Nicht-Investmentbanken noch nicht so weit her ist. Was genau da passiert ist bzw. wie die Positionierung ist/war, entzieht sich natürlich meiner Kenntnis, aber die Chronologie der Ereignisse, könnte in etwa so gewesen sein: Händler X hat, wie jedes Monat/Quartal sein Short aufgebaut, geht gemütlich Mittagessen, Kaffee trinken, kommt zurück und der verdammte Markt steigt und steigt. Naja, wird schon wieder drehen. Donnerstag 17.00+ Rechner aus, ab nach Hause, morgen schaut die Welt sicher wieder anders aus. Wenn er ganz mutig war, hat er (oder doch sie ;-)) dann noch einmal nachgelegt (If you are in trouble, double!), weil wenn man schon eine ordentliche Wette fährt, ist´s eh schon wurscht und für die P&L wäre´s nach dem Jahr schon super wenn´s aufgeht.

Geschlafen hat er schlecht unser Händler, weil wenn´s daneben geht, tut´s schon weh. Am Freitag in der Früh schaut er nach dem Aufstehen einmal auf´s Handy. Frühstück braucht er keins mehr… blass, schwitzenden Körpers schleppt er sich auf den Platz und versteckt sich erstmal hinter seinen vier Bildschirmen, alles rot. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Irgendwann am Freitagvormittag hat er die fünf Phasen der Trauer/des Sterbens dann durch und endet bei der Akzeptanz der Realität. Schweren Schrittes geht er die Green Mile zum Büro des Supervisors oder wie das im konkreten Fall wahrscheinlich heißt: Inspektor oder OberReferent oder so, und beichtet die Katastrophe. Dem fällt augenblicklich das Nussbeugerl aus dem G´sicht, der Kaffee aus der Hand und dann ruft er einmal seine Gattin an und sagt: Du Schatzi, heut wird´s später.

Nach kurzem Assessment der Katastrophe geht der interne stille Alarm los und alle Beteiligten beginnen fieberhaft einerseits nach Liquidität und andererseits nach Möglichkeiten zu suchen, das Problem unter den Teppich zu kehren. Da sich der Wal aber als zu groß herausstellt, ergeht irgendwann gegen 18.00 der Anruf an den zuständigen Stadtrat: Houston wir haben ein Problem! Wir tauschen das Nussbeugerl gegen einen Weinbeißer, den Kaffee gegen ein Spritzerglasl ansonsten selbes Prozedere. Bis Sonntag Nachmittag versucht man auch auf Landesebene eine nicht öffentliche Lösung zu finden, aber das Problem ist einfach zu massiv. Sonntagnachmittag dann der Anruf an Finanzminister Brunner und so weiter. Was sich an dieser Stelle ändert ist nur mehr, dass, weil das unter den Teppich kehren nicht funktioniert hat, jeder der irgendwie kann, Aufklärung, Transparenz usw fordert und/oder versucht, Schaden von sich oder der Partei abzuwenden. Hat jemand die Mini-Serie Tschernobyl gesehen? – Da gabs leider gewisse Parallelen in der Entwicklung der Ereignisse und in der Vorgangsweise… (politische Seitenhiebe, werden hier bewusst unterlassen ;-))

Wie wird´s jetzt weitergehen? 2008 wurde über die systemrelevanten Banken ein Schutzschirm gespannt, bedingungslose Garantien wurden vom Staat übernommen, die Banken mussten, auch die, die es vielleicht nicht benötigt hätten, Ergänzungskapital aufnehmen. Insbesondere die marktnahen Einheiten wurden an die kurze Leine genommen, EBA und ESM wurden gegründet und vorbei war´s mit dem Spaß. Sich zu Fragen, warum Handelseinheiten in Nichtbanken weniger kontrolliert und reformiert wurden und ob alle derartigen, nicht Börse notierten Unternehmen ähnlich löchrige Risikomanagementsysteme haben, macht wohl keinen Sinn, weil eins ist sicher: Spätestens Montag Früh wollte wohl jeder Vorstand jeden österreichischen Versorgers wissen, wie groß sein Delta Risiko zum Strompreis ist, auch wenn die Griechen bisher seines wohl nicht gewesen sind. :-)

Schau mer mal, was da noch so kommt. Sicher ist, dass wir es aktuell mit erhöhten Volatilitäten auf den Finanzmärkten zu tun haben, die uns auch, zumindest bis der Zins-Erhöhungs-Zyklus beendet ist, noch begleiten werden, wir es aber (noch? ;-)) nicht mit Finanzmarktkrise zu tun haben. Natürlich ist es anfangs schwierig, sich auf ein neues Umfeld einzustellen, haben wahrscheinlich die Hälfte der Marktteilnehmer noch nie in einem Umfeld steigender Zinsen operiert, aber irgendwann wird sich der Nebel lichten, die Inflation zurückgehen und alles gut werden. Das war doch das Narrativ als wir Anfang 2020 in das Seuchenloch gefallen sind, oder? :-) 

Glück auf! 

Florian

Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH

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