Gröschls Mittwochskommentar: 42/2022

Der wöchentliche Blick auf die Märkte, (Geo-)Politik, Known Unknowns und andere wichtige Entwicklungen. Verfasst von e-fundresearch.com Gastautor Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH. Markets | 19.10.2022 10:53 Uhr
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH / © e-fundresearch.com & interfoto
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Also wie ist das jetzt mit der Jahresendrally? – Verdient hätten wir´s uns, oder? :-) Das auch zwei Schwalben noch keinen Sommer machen, wissen wir und, dass das, auch wenn es mehr als ein Dad-Cat-Bounce sein sollte, noch lange eine Bärenmarktrally ist (um jetzt all Viechereien bedient zu haben), weil´s ja vorher kräftig gefallen ist, auch. Sollte aber die Earnings Season doch nicht so schlecht ausfallen und die US-Wirtschaft sich allen Unkenrufen zum Trotz doch resilienter darstellen als gemeinhin angenommen, könnte uns zumindest eine Verschnaufpause ins Haus stehen. Netflix war da schon einmal ein guter Anfang…

Natürlich gründet sich diese Einschätzung nicht nur auf die Konstellation der Teeblätter meines aufgeplatzten Frühstücksteesackerls, nachdem sich dessen Inhalt über den Küchenboden verteilt hat, sondern darauf was so von Marktteilnehmern, vornehmlich in Ö.Reich zu hören ist. Hier ist die Divergenz zwischen, wir greifen langsam ein bisserl rein, weil wir eh vorsichtig waren zu den wir müssen noch weiter Risiko reduzieren, so groß wie seit Monaten nicht mehr. Tatsächlich könnte man, wenn man wollte, sogar eine gewisse Tendenz hin zu mehr Risiko erahnen, wobei das Sample natürlich statistisch nicht signifikant ist. Schauen wir also, wo uns das noch hinführt! Sicher ist, dass auch das Jahr 2022 in rund zweieinhalb Monaten ein Ende finden wird und in den Marktgeschichtsbüchern seinen wohlverdienten Platz neben 1929, 1987, 2000 und 2008 bekommt. Und wir nicht nur dabei, sondern mittendrinn…. ;-)

Wovon wird es also abhängen, wie sich die Angelegenheit nächstes Jahr gestaltet? – Primär natürlich davon, ob es überhaupt weitergeht und nicht einem unserer besonderen Freunde etwas wirklich ganz Blödes einfällt. Da wir aber davon ausgehen müssen, dass im Falle des Falles der Handel rund um den Globus sowieso eingestellt wird und jeder so seine eigenen Prep-Strategien für zuhause entwickelt, werden wir diesem Aspekt – wegen sportlicher Wertlosigkeit ;-) – nicht weiter folgen. Mithin fällt also Freund Vladimir als zukünftig marktbestimmender Faktor hoffentlich aus. Was bleibt ist China, die USA und mit Abstrichen Europa, die Gefahr einer tiefen, langen Rezession, aber auch die Chance, dass es mancherorts nicht ganz so schlimm wird, weil sich die ökonomischen Grundlagen möglicherweise mehr geändert haben, als das gemeinhin wahrgenommen wird.

Die globale-ökonomische Chance liegt bei allen Überlegungen einmal mehr in den USA. Strukturell natürlich deswegen, weil America first eine Strategie ist, die kompromisslos umgesetzt wird bzw. umgesetzt werden kann und weil die hauseigene Wirtschaft derart Konsum getrieben ist, dass sie im Stande zu sein scheint sich selbst aufrecht zu erhalten. Hinzukommt, dass – und das ist ein recht persönlicher Eindruck – die Notwendigkeit bzw. Motivation persönlichen Wohlstand zu schaffen drüben weitaus höher ist, als in Regionen mit einer tieferen sozialen Hängematte. Die Sozialisierung von Fehlallokationen, wie wir sie 2008 gesehen haben, betrifft bzw. betraf – sieht man von den Corona- Stimis ab – hauptsächlich Corporate America, nicht aber das einzelne Individuum. Wer also nicht Vermögen/Einkommen schafft/generiert, fällt durch den Rost und nicht wie in Europa in ein engmaschiges Netz.

Hier kommt jetzt der sehr enge Arbeitsmarkt ins Spiel. Wird in einem eh schon inflationären Umfeld der Druck nach Lohnerhöhungen in der Breite immer größer, würde es in Ökonomien der Vergangenheit zu einer Lohnpreisspirale kommen, weil Lohnerhöhungen auf eine Vielzahl von Arbeitnehmern aufgeteilt würden und die nominelle Kaufkraft kurzfristig breit steigt, bis ein Ende der Gleichung wegbricht etc… Was aber, wenn sich die Lohnerhöhungen auf immer weniger Erwerbstätige aufteilen, die gesamtwirtschaftliche Kaufkraft sich nicht wesentlich verändert, sondern nur auf weniger Einkommensempfänger verteilt? Retten uns die Boomer, wenn sie nun endlich in Pension gehen, noch ein letztes Mal den Popsch? ;-)

Die Fed hat so oder so keine Wahl, weiß aber, dass sie so lange Arbeitskräfte knapp sind, ordentlich auf die Bremse steigen kann. Auch weiß sie, dass die Verwerfungen auf den Rohstoffmärkten temporärere Natur sind und sie, sobald wir bei WTI wieder bei 40/50 USD (Hausnummer, die meinem persönlichen Bauchgefühl entspringt, :-)), wieder schnell die andere Richtung einschlagen kann. Eine nicht unwesentliche Challenge wird allerdings dabei sein, die Finanzmärkte davon abzuhalten, zu früh in zu große Euphorie zu verfallen, damit die ganze harte Arbeit nicht in einem Strohfeuer zunichte gemacht wird und wir uns wieder nur in einem verkürzten Zyklus befinden. So spannend war´s aus ökonomischer Sicht (aus anderen natürlich auch, da aber eher creepy-spannend ;-)) schon lange nicht mehr.

Nicht unwesentlich für das globale Fortkommen wird auch die künftige wirtschaftliche Entwicklung Chinas sein. Da scheint sich die Führung deutlich schwerer zu tun nach der Phase des radikalen Aufholbedarfs eine Strategie zur Festigung eines breiteren Wohlstands zu finden ohne eine gewisse, natürlich wenig gewünschte, Demokratisierung zuzulassen. Lenkung und Unterdrückung dürften mit steigendem Wohlstand zusehends schwerer werden, bedingt die Umarmung auch nur kleiner Teile des Kapitalismus ein Gewöhnen der Akteure an Entscheidungs- und Wahlmöglichkeiten. Covid und die damit einhergehenden Lock-Downs haben Xi und seinen Mannen da sicher eine gewisse Verschnaufpause beschert, aber auch dieser Vorwand wird nicht ewig halten. Inzwischen dürfte die Erkenntnis gereift sein, dass westlicher Wohlstand und letztendlich westliche Kampfkraft in einer kommunistischen Diktatur eventuell nicht ganz so leicht zu erreichen bzw. aufrechtzuerhalten sind, wie man das gehofft hätte.

Jetzt noch einen Blick auf Europa zu werfen, wären dann wirklich zu viel Buchstaben, aber da wohl Europa in seiner jetzigen Struktur eh keine wesentliche Rolle spielen wird können, sparen wir uns das für neblige, regnerische Novembertage, da passt das dann besser… :-)

Glück auf!

Florian

Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH

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