Länderrisiko und globaler Ausblick Februar 2023
- In den ersten Wochen des Jahres 2023 hat sich das Bild der globalen Wirtschaftsaussichten zum Positiven gewandelt.
- Es ist zwar noch zu früh, um den Sieg über die Inflation zu verkünden, aber die Zentralbanken scheinen sich dem Ende ihrer Zinserhöhungszyklen zu nähern.
- Europa hat den Winter besser überstanden, als viele erwartet hatten, aber der anhaltende Russland-Ukraine-Konflikt wirft weiterhin einen Schatten auf die Aussichten der Region.
- In den USA zeigt die Geldpolitik die gewünschte Wirkung. Gleichzeitig sorgt das Erreichen der Schuldenobergrenze für neue Herausforderungen.
- Asiens Ausblick verbessert sich mit Chinas Wiederöffnung und einem möglichen Ende des Zinserhöhungszyklus.
- Der allgemeine Konsens deutet darauf hin, dass wir zwar nicht vor einer globalen Rezession stehen, dass aber eine globale Abschwächung in Gang gekommen ist und die Unternehmen wachsam und widerstandsfähig bleiben sollten.
Das Jahr 2023 startete mit einem Rückgang der Inflation in den Industrieländern, darunter in den USA, dem Vereinigten Königreich und Deutschland. Ermutigend ist insbesondere, dass die Inflationserwartungen in den USA relativ gut verankert sind: Offensichtlich funktioniert die Geldpolitik und entfaltet die angestrebte Wirkung. Angesichts des derzeitigen Inflationsniveaus muss jedoch noch mehr getan werden, um den Sturm zu überstehen. Dies spiegelt sich auch in den Kommentaren der Zentralbanken wider. Wir gehen davon aus, dass die Zentralbanken, einschließlich der US-Notenbank, die Zinssätze in den kommenden Sitzungen im ersten Quartal 2023 weiter anheben werden, wenn auch in einem langsameren Tempo.
Europa hat den Winter besser überstanden, als viele erwartet hatten
Bislang deutet alles darauf hin, dass Europas Wirtschaft in den vergangenen Monaten weniger Schaden genommen hat, als viele noch im Herbst prognostiziert hatten. Das Wetter war vielen wohlgesonnen. Die europäischen Unternehmen waren mit weniger hohen Gaspreisen konfrontiert als erwartet, die Industrieproduktion hat keinen nennenswerten Schaden genommen. Dies ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, wo wir noch vor wenigen Monaten standen. Alles in allem sehen wir diese Anzeichen für die europäische Wirtschaft positiv und haben daher die Aussichten von einer „raschen Verschlechterung“ auf eine einfache „Verschlechterung“ hochgestuft. Das bedeutet aber nur, dass die Dinge besser gelaufen sind, als wir und viele andere erwartet hatten. Weiterhin steuern wir auf eine deutliche Verlangsamung im Jahr 2023 zu. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine dauert an, und die Risiken einer Eskalation bestehen nach wie vor.
In West- und Zentraleuropa könnte ein Temperaturumschwung die Aussichten erheblich verschlechtern, und die Wiedereröffnung Chinas ist zwar positiv für das europäische und das globale Wachstum, kann aber auch dazu beitragen, den Inflationsdruck in Europa wieder zu verstärken. Die osteuropäischen Länder, die bei der Energie- und Lebensmittelversorgung von Russland und der Ukraine abhängig sind, leiden stärker unter kriegsbedingten Versorgungsproblemen. Die rohstoff- und energieimportierenden Länder der Region stehen aufgrund des starken US-Dollars und der hohen Energie- und Lebensmittelpreise vor schwierigen wirtschaftlichen Entscheidungen. In der nordischen Region ist die Energieinflation niedriger als in der Eurozone. Die energieunabhängige Inflation ist aber nach wie vor hoch, da die Zweitrundeneffekte der höheren Kosten die Preise für fast alle Waren und Dienstleistungen in die Höhe treiben. Die nordischen Volkswirtschaften sind jedoch besser aufgestellt als ihre EU-Konkurrenten, da sie im Allgemeinen über solide Staatsfinanzen und ein disziplinierteres Vorgehen bei Finanzmanövern verfügen.
Nordamerika auf unsicherem Kurs
Die regionalen Aussichten für Nordamerika werden weiterhin mit „Verschlechterung“ eingestuft. Die Inflation sowohl in den USA als auch in Kanada war im Dezember 2022 tendenziell rückläufig. Da die USA ihre Schuldenobergrenze erreicht haben, werden sich nun alle Augen auf den Zeitpunkt richten, an welchem dem Finanzministerium kein Geld mehr zur Verfügung steht, um den Regierungsbetrieb aufrechtzuerhalten. In den kommenden Monaten wird es die Obergrenze irgendwann anheben müssen, was die Republikaner veranlassen könnte, hart über Ausgabenkürzungen zu verhandeln und dabei die Drohung eines Zahlungsausfalls der US-Regierung als Druckmittel einzusetzen. Auch wenn ein solcher von niemandem erwartet wird, rechnen wir damit, dass die Märkte auf jede Nachricht im Zusammenhang mit diesem unwahrscheinlichen, aber sehr risikoreichen Szenario reagieren werden.
Asien-Pazifik: Verbesserte Aussichten
Der Ausblick für die Region Asien-Pazifik wurde von „Verschlechterung“ auf „Stabil“ geändert. Diese Änderung spiegelt unsere Erwartung wider, dass sich die Lage gegenüber dem derzeitigen Stand vorerst nicht wesentlich verschlechtern wird. Der beeinträchtigte Handel in der Region wird wahrscheinlich auch im 1. Quartal 2023 nur schleppend vorankommen. Da jedoch die Erwartungen steigen, dass sich die Zinserhöhungen weltweit dem Ende ihres Zyklus nähern, erwarten wir, dass sich die regionalen Währungen in den kommenden Wochen zu stabilisieren beginnen und asiatische Finanzanlagen wieder attraktiv werden, was zu potenziellen Kapitalzuflüssen führt. Ein wichtiger Impuls für die regionalen und globalen Wirtschaftsaussichten ist zudem die Wiedereröffnung Chinas.
Von Dr. Arun Singh, Globaler Chefvolkswirt, Dun & Bradstreet
Den vollständigen Report in englischer Sprache finden Sie hier.