Heute ist nicht nur der letzte Mittwoch des ersten Halbjahres und des Schuljahres 22/23 (Hurra! :-)), sondern auch der letzte Mittwoch vor einer recht ausgedehnten (Mittwochsmail)Sommerpause. Zeit Rückschau zu halten, was so im letzten halben Jahr passiert ist. Keine Sorge, machen wir nicht, waren wir ja eh dabei. :-) Die wirklich spannenden Entwicklungen haben ohnedies erst letztes Wochenende stattgefunden. So ganz genau scheint niemand zu wissen, was da in Russland wirklich abgegangen ist, bemerkenswert ist es aber jedenfalls.
Grundsätzlich riecht die Geschichte nach CIA Black Ops. :-) Nicht, dass ich ein ausgewiesener Geheimdienste Experte wäre, aber die Strategie Zwietracht zu sähen und Gruppierungen zu unterstützen die dem ungeliebten Regime an den Kragen wollen, ist eine, die wir im Laufe der Jahre in verschiedensten touristisch weniger interessanten Destinationen gesehen haben. Glauben wir Prigoschin mal, dass er seinem alten Freund und Förderer Vladimir Vladimirowich nicht direkt ans Leder, sondern nur den Kollegen Schoigu und Gerassimov ordentlich an den Karren fahren wollte und, dass obwohl er bis wenige hundert Kilometer vor Moskau gekommen ist, Moskau militärisch nicht hätte ernsthaft unter Druck bringen können, bleiben doch die Frage offen, warum er umgedreht hat und warum er sich ausgerechnet nach Weißrussland zurückgezogen hat.
Lukaschenko dürfte kaum Entscheidungen ohne des Zaren Segen treffen können und scheint überhaupt in einer eigenartigen Position hier einen Deal zwischen den beiden Streihansln zu verhandeln. Noch interessanter ist die Wahl des Exil-Landes (Prigoschin hätte sich ja zum Beispiel auch irgendwo nach Afrika zurückziehen können, wo Wagner Operationen unbehelligt von der russischen Tagespolitik stattfinden) geht man davon aus, dass tatsächlich seit kurzem russische Atomwaffen dort stationiert sind. Das nächste Mysterium ist die Ankündigung alle Wagnerkämpfer zu pardonieren und wenn gewünscht in die russischen Streitkräfte zu integrieren. Jetzt mag das für den vielzitierten Schwerverbrecher, den Prigoschin aus dem Gefängnis geholt hat, und den gemeinen Söldnern vielleicht noch gehen, wobei bei zweiterem wohl die Kohle stimmen müsste, aber leicht ist es sicher nicht.
Was wenn das Ganze aber doch ein abgekartetes Spiel war, Wagnertruppen nicht nur in die Mannschaften integriert werden sollen, sondern die Wagner Offiziere auch in der regulären Armee an mehr oder weniger offensichtliche Schlüsselpositionen gesetzt werden? Dann müssten nur noch der ungeliebte Verteidigungsminister und sein General einem Attentat (des Westens? ;-)) zum Opfer fallen und Priogschin könnte Napoleon gleich unter dem Jubel des Volkes in Moskau einziehen und die militärische Führung an der Seite Putins übernehmen. Das würde allerdings voraussetzen, dass der Wagner Chef entweder an einen möglichen militärischen Sieg Russlands glaubt oder tatsächlich Putin beerben will. Zweiteres ginge wahrscheinlich wirklich nur, wenn der Zar tatsächlich auch gesundheitlich angeschlagen ist und eine mehr oder weniger geordnete Übergabe an jemanden plant, der ihm ein post-präsidentielles sicheres Auskommen garantiert, wie er es damals bei Jelzin gehandhabt hat. Das geht wahrscheinlich wiederum nur, wenn die Silowiki Prigoschin für einen akzeptablen Führer halten, der den Laden zumindest auf Sicht so weiterlaufen lässt wie bisher.
History in the making. :-) Der Westen und die Nato dürften die Entwicklung bisher eher positiv beurteilen, zeigt sie doch recht öffentlichkeitswirksam weitere Schwächen Russlands auf und motiviert die Unterstützer der Ukraine nochmal tiefer ins Taschl zu greifen, weil ein Sieg scheinbar greifbarer geworden ist. Diesen beziehungsweise die berechtigte Hoffnung darauf brauchen, abgesehen von den armen Schweinen, die tatsächlich ihr Leben für die Sache geben, vor allem die, die nächstes Jahr wieder gewählt werden wollen und im Zuge dessen rechtfertigen müssen, dass sie nicht nur sinnlos Geld den Dnepr runtergschüttet haben. Aber vielleicht ist auch alles ganz anders. God save the Queen, man! (vgl. J.Biden 06/2023) :-)
Der Markt hat erfreulicherweise an der Weltpolitik kein Interesse und brutzelt friedlich im eigenen Saft vor sich hin. Ob wir da nun wirklich richtig stehen, könnten wir sehen, wenn das zweite Quartal in drei Tagen hinter uns liegt, die Volumina saisonal bedingt weiter zurück gehen und vielleicht doch irgendwer hinterfragt, ob entweder die Bewertungen oder die längeren Zinsen nicht ganz die zukünftigen Realitäten wiederspiegeln. Schau mer mal, dann seh mer schon… :-)
Ich wünsche allen einen wunderschönen Juli! I´ll be back… (im August :-))
Live long & prosper!
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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