Regulatory Corner | EU-Initiative: Wieso polarisiert die Retail Investment Strategy (RIS) so sehr?

Retail Investment Strategy (RIS) – oder Risiko Ist Selbstverständlich…am Finanzmarkt dabei… Markets | 15.07.2024 12:11 Uhr
e-fundresearch.com Gastautor Prof. (FH) Dr. Armin Kammel, LL.M., MBA, Managing Director der FS&R Excellence GmbH (in cooperation with DLA Piper Austria) / © e-fundresearch.com / FS&R Excellence GmbH (in cooperation with DLA Piper Austria)
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Regulatory Corner Kompakt auf den Punkt – Gedankenanstoß und Orientierungshilfe

verfasst von e-fundresearch.com Gastautor Prof. (FH) Dr. Armin Kammel, LL.M., MBA, Managing Director der FS&R Excellence GmbH (in cooperation with DLA Piper Austria).

Der sperrige, aber ambitionierte Begriff Retail Investment Strategy (RIS)1 sorgt seit rund einem Jahr für ambivalente Reaktionen – von erfreulich zustimmend bis erschreckt ablehnend. Wieso polarisiert eine EU-Regulierungsinitiative so sehr?

Wie aus dem terminus technicus schon ableitbar ist, soll mit dem Regulierungsvorschlag eine EU-weite Investmentstrategie für das Retailpublikum entwickelt werden, wobei im O-Ton der EU-Kommission das Ziel ist, „to empower retail investors (i.e. “consumer” investors) to make investment decisions that are aligned with their needs and preferences, ensuring that they are treated fairly and duly protected.“ Dieses Ziel ist in seiner grundsätzlichen Ausrichtung nicht zu beanstanden, denn Investmententscheidungen zu treffen, die den individuellen Bedürfnissen und Präferenzen entsprechen und zudem fair mit dem notwendigen Anlegerschutz versehen sind, sollte im allgemeinen Interesse sein. Versucht man sich in einer genaueren Analyse der Formulierung, fällt auf, dass der in der EU-Finanzmarktregulierung bekannte Retailinvestor (oder Privatkunde, der gem § 1 Z 36 WAG 2018 kein professioneller Kunde ist) erweitert definiert wird und zwar als „consumer“ investor. Dieser Terminus zieht sich durch den Regulierungsvorschlag und wirft die nicht unwesentliche Frage auf ob von einem „Konsumenten“ oder einem „Investor“ oder einer neuen Hybridvariante gesprochen wird? Das KSchG etwa definiert den Begriff des „Konsumenten“ nicht, weshalb es zu einer negativen Umschreibung dahingehend bedarf, dass „Konsument“ grundsätzlich jeder ist, für den das Geschäft nicht zum Betrieb (s)eines Unternehmens gehört. Ein „Investor“ hingegen ist eine Person, die ihr Kapital mit Gewinnerzielungsabsicht investiert. Ohne in semantische Spitzfindigkeiten abdriften zu wollen ist es offenkundig, dass die Konzepte „Konsument“ und „Investor“ nicht notwendigerweise kompatibel sind, was entweder zur besagten, undefinierten Hybridvariante führt oder zumindest substanzielle Fragen hinsichtlich der jeweiligen konzeptionellen Zielsetzungen von „Konsument“ versus „Investor“ aufwirft.

Mitte Juni 2024 hat der Rat seine Position zur RIS veröffentlicht2, wobei neben der Notwendigkeit informierte Investment-entscheidungen treffen zu können vor allem auch die Stärkung privater Investments in innovative KMUs betont wird. Auch dieser Zielsetzung ist nicht zu widersprechen und schon deren Betonung ist löblich.

Wenn den genannten Zielsetzungen nun zugestimmt werden kann, ist zu ergründen, warum die RIS so ambivalente Reaktionen hervorruft. Dies lässt sich an drei zentralen Punkten festmachen:

  • Der RIS-Entwurf enthält noch keine Klarheit, ob es sich um den Schutz des „Konsumenten“ oder des „Investors“ handeln soll, wobei die beiden Konzepte nicht synonym verwendet werden können, da es zur Natur des „Investors“ gehört, auch Risiko bei seiner Investmententscheidung in Kauf zu nehmen. Der „Konsument“ ist in der Regel hingegen risikoavers. Somit ist eine diesbezügliche Präzisierung unumgänglich.
  • Die unpräzise Vermengung der Konzepte „Konsument“ und „Investor“ führt auch dazu, dass ein zentraler inhaltlicher Aspekt der RIS missverständlich ist, nämlich „Value for Money“. Mit „Value for Money“ meint man grundsätzlich, dass Investmentprodukte nur dann dem Retailinvestor angeboten werden (dürfen), wenn sie einen guten (Gegen-)Wert für das eingesetzte Geld bieten. Hier ist nach dem allgemeinen Grundverständnis klar, dass es sich um qualitativ hochwertige Produkte handeln muss, die zudem keine übervorteilende oder gar betrügerische Komponente enthalten. „Value for Money“ kann aber auch dahingehend verstanden werden, dass der „consumer“ investor immer den Gegenwert seines eingesetzten Kapitals sicher hat, also quasi eine Garantiewirkung. Die zweitere Meinung ist aber abzulehnen und hat mit dem herrschenden Verständnis eines „Investors“ nichts zu tun, sodass das Konzept als Qualitäts- und nicht als Kosten- oder gar Garantiemerkmal verstanden wird. Wäre dem nicht so, würde ein Kostendumping mit Garantieunterlegung die Zukunftsperspektive sein.
  • Schließlich handelt es sich bei der RIS um eine „Investment“-Strategie, sodass das Konzept des „Investors“ im Vordergrund stehen sollte. Somit ist auch zu akzeptieren, dass das Eingehen von Risiken Teil der Investmenttätigkeit ist. Risiko, quasi als Komplementärbegriff zu Sicherheit, bedeutet, dass mitunter die Möglichkeit des Eintritts künftiger Ereignisse samt nachteiliger Auswirkungen und Verlusten gegeben ist. Dieses Bewusstsein ist regulatorisch zu betonen, indem der „Investor“ in die Lage versetzt werden muss, diese bewusste, auf verlässlichen Informationen fußende Investmententscheidung treffen zu können. Regulierung ist aber nicht dazu da, eine fälschliche Sicherheit zu suggerieren, die oftmals als Garantie gegen etwaige Verluste (á la Vollkaskomentalität) verstanden wird, denn eines sollte von „Finance 101“ allgemein bekannt sein: wo kein Risiko, da auch kein Profit. Dieses grundlegende (kalkulierte) Risikobewusstsein sollte konsequenterweise wieder stärker in den Vordergrund rücken.

Angesichts dieser Überlegungen ist die derzeitige Ambivalenz zur RIS verständlich, weshalb der EU-Gesetzgeber im Trilog nun alles daransetzen sollte, die diesbezügliche Klarheit zu schaffen, da sonst wieder ein regulatorisches „Leuchtturmprojekt“ zum Schutz des Retailinvestors, wie etwa schon das PRIIPs-Rahmenwerk ihre Wirkung und Sinnhaftigkeit verfehlt. Dementsprechend wäre es fair und opportun, die RIS auch als Bildungsauftrag zu verstehen und die regulatorischen Leitplanken diesbezüglich einzuschlagen, denn Risiko Ist Selbstverständlich…am Finanzmarkt dabei und das muss nicht per se immer negativ sein!

Über den Autor

Prof. (FH) Dr. Armin Kammel, LL.M., MBA ist Professor (FH) für Bankrecht und Finanzmarktregulierung an der Lauder Business School (LBS) in Wien sowie Managing Director der FS&R Excellence GmbH (in cooperation with DLA Piper Austria). 

Prof. (FH) Dr. Armin Kammel ist zudem allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger im Fachbereich Kredit, Banken, Börsen sowie Autor zahlreicher Publikationen zu bank-, kapitalmarkt- und wirtschaftsrechtlichen Themen im In- und Ausland.

1 Siehe dazu allgemein https://finance.ec.europa.eu/publications/retail-investment-strategy_en

2 Vgl. dazu https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2024/06/12/retail-investment-package-council-agrees-on-its-position/.

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