Börsenbarometer | Rekordstände feiern, Liquiditätspolster aufbauen?

Pünktlich zum Start in das Wochenende kommentiert e-fundresearch.com Gastkolumnist & Kapitalmarktexperte Dr. Josef Obergantschnig wöchentlich das Börsengeschehen aus erfrischend neuen Blickwinkeln. Markets | 06.12.2024 16:00 Uhr
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)

Wöchentlicher Börsenbarometer von Dr. Josef Obergantschnig | Rekordstände feiern, Liquiditätspolster aufbauen?

Diese Woche habe ich wieder genug Lektüre für meine Morgenroutine. Bei diesen Performancezahlen schmeckt mein Espresso Doppio doppelt gut. Der DAX konnte diese Woche ein neues All-Time-High erreichen und erstmals die 20.000er Hürde erklimmen. Aber auch der amerikanische Leitindex S&P 500 konnte in diesem Jahr kräftig zulegen und Leitbörsen aus Europa oder Fernost deutlich hinter sich lassen. Damit verbunden ist der Anteil an US-Unternehmen mittlerweile auf mehr als 70% an den entwickelten Märkten gestiegen. Seit 2009, dem Jahr der Lehman-Pleite, haben US-Aktien mit Ausnahme von 2018 und 2022 immer deutlich zugelegt. Wenn US-Aktien mit einem Plus von mehr als 20% über die Ziellinie gehen, erleben wir eine Ausnahme. In einer 96-jährigen Betrachtungsperiode gab es lediglich sieben Perioden, in denen der S&P 500 in zwei aufeinanderfolgenden Jahren um mehr als 20% zulegen konnte. Und in vier dieser sieben Fälle konnte auch das darauffolgende Jahr positiv abschließen. Eine dieser Perioden war die zweite Hälfte der 1990er-Jahre, in denen in fünf aufeinanderfolgenden Jahren die 20%-Hürde übersprungen wurde – bevor die Internetblase im März 2000 ein jähes Ende nahm.

Damit stellt sich die Frage, ob das ein gutes Omen ist. Befragt man die US-Konsumenten, gehen mehr als 55% davon aus, dass US-Aktien in einem Jahr höher stehen als heute. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem der Aktienmarkt nahe seinem All-Time-High liegt. Auch wenn ich natürlich die Zukunft nicht vorhersehen kann, macht mich das irgendwie stutzig.

Spannend finde ich aber auch eine Analyse, die klar verdeutlicht, warum ein Aktieninvestment sinnvoll ist. Wer zwischen 1928 und 2023 ein Jahr Cash gehalten hat, musste im Vergleich zu einem S&P-500-Aktieninvestment eine durchschnittliche Underperformance von 8% hinnehmen – das ist noch irgendwie vertretbar. Wenn man aber fünf Jahre aus Angst vor einem Börsencrash nicht investiert war, betrug die historische Underperformance durchschnittlich 57%. Das ist ungefähr so viel, wie in einem stark ausgeprägten Bärenmarkt als Verlustpotenzial zu erwarten ist. Auf 10-Jahressicht erhöht sich die Underperformance auf durchschnittlich 158%, auf 20-Jahressicht sogar auf über 700%. Damit ist klar: Wer zu lange auf Cashbeständen sitzt, verliert langfristig immer!

Kommen wir noch zu einem makroökonomischen Aspekt. Die europäische Wirtschaft wird 2024 stark unterkühlt beenden und im Vergleich zu Nordamerika oder Asien deutlich hinterherhinken. Besonders betroffen sind die großen Länder Deutschland, Frankreich, Italien und in deren Sog auch Österreich. Es gibt aber auch in Europa Länder, die überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten aufweisen. Dazu gehört beispielsweise Malta mit 5%, Serbien mit 3,9% oder auch Weißrussland mit 3,6%. Spannend finde ich auch, dass die einstigen Problemkinder Spanien (2,9%), Griechenland (2,3%) oder Portugal (1,9%) im Jahr 2024 zu den wachstumsstärksten Europäern gehören.

Im Dezember wird es Zeit, die Neuausrichtung für das Jahr 2025 zu planen. An den Börsen wird langsam die Liquidität zurückgehen. Klar ist auch, dass am 1. Januar die Uhren wieder auf Null gestellt werden und mit dem Amtsantritt von Donald Trump vermutlich deutlich mehr Bewegung hineinkommen wird. Ob jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Gewinnmitnahme ist, wage ich nicht zu prognostizieren. Klar ist jedoch, dass wir auf sehr erfreuliche Börsenjahre zurückblicken können. Und wenn man den sogenannten „Mean-Reversion-Effekt“ berücksichtigt, steigt die Wahrscheinlichkeit eines schwächeren Jahres statistisch betrachtet. Aber zu bedenken gilt: Die Zukunft kann niemand vorhersehen – und langfristig betrachtet macht Cash definitiv nicht fesch!

Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist

Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset-Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe bringt er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit ein, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben. Darüber hinaus ist es ihm ein besonderes Anliegen, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.

Infos zum aktuellen Buch: https://www.vonnullaufreich.com

Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at

Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at

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