Wöchentlicher Börsenbarometer von Dr. Josef Obergantschnig | Zwischen Euphorie und Zöllen: Ein Déjà-vu
Wir befinden uns in der zweiten richtigen Handelswoche des Jahres 2025, und irgendwie habe ich ein Déjà-vu. Nein, liebe Leserin und lieber Leser, ich meine damit nicht meinen morgendlichen Espresso, den ich nach einer kurzen Abstinenz wieder genieße. Ich meine den lieben Donald Trump, der ab der kommenden Woche wieder seine Fäden im Weißen Haus ziehen wird. Die Welt – und damit auch die Finanzmärkte – scheint sich nur noch um ihn zu drehen. Es ist beinahe so, als wäre er nie weggewesen.
Die jüngsten Entwicklungen erinnern mich an eine Partie Schach: Auf der einen Seite des Brettes sitzt China, auf der anderen die USA. Beide Spieler liefern sich einen erbitterten Kampf, der die Welt in Atem hält. Noch vor seiner offiziellen Amtseinführung hat Trump Strafzölle angekündigt. Im Visier stehen nicht nur China, sondern auch Kanada, Mexiko und möglicherweise die Europäische Union. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die amerikanische Wirtschaft zu stärken und Gelder in die chronisch marode Staatskasse zu spülen. Doch die entscheidende Frage bleibt: Wie wird China darauf reagieren?
In China, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, bleibt die Lage angespannt. Zwar erreichte das Land 2024 sein Wachstumsziel von 5% und überraschte mit starken Zahlen im vierten Quartal, doch die wirtschaftliche Stabilität steht weiterhin auf wackeligen Beinen. Die Immobilienkrise, schwache Konsumausgaben und die Gefahr eines eskalierenden Handelskriegs mit den USA könnten den positiven Schwung schnell wieder ausbremsen. Diese Unsicherheiten spiegeln sich auch an den chinesischen Aktienmärkten wider, die seit Oktober nicht mehr richtig in Schwung kommen.
Europa steht zwischen den Dominatoren aus Übersee und Fernost. Der Konjunkturmotor will und will nicht so richtig an Fahrt aufnehmen. Die Weltbank prognostiziert für 2025 ein Wachstum von nur 1%, wobei Deutschland als größte Volkswirtschaft der Eurozone besonders schwach abschneidet. Schwacher Konsum, geringe Unternehmensinvestitionen und eine schwächelnde Industrie drücken auf die Stimmung. Europa hinkt weiterhin hinterher und muss seine eigene Rolle in diesem Spiel erst wieder neu definieren.
An den Finanzmärkten gibt es jedoch auch Lichtblicke. Diese Woche meldeten die großen Finanzinstitute Rekordgewinne und teilten diese großzügig mit ihren Aktionären. Morgan Stanley, JPMorgan Chase und Goldman Sachs zahlten Dividenden und führten Aktienrückkäufe im Wert von über 100 Milliarden US-Dollar durch. Ein stattlicher Bonus, meinen Sie nicht auch?
Für Investoren bleibt es dennoch eine herausfordernde Zeit. Zwischen drohenden Handelskriegen, schwachem Wachstum in Europa, geopolitischen Spannungen und optimistischen Signalen aus den USA gibt es viele Unwägbarkeiten. 2025 wird sicher kein Jahr der Langeweile – dafür wird Donald Trump schon sorgen. Und eines ist auch klar: Ab nächster Woche sitzt er wieder im Oval Office und steuert die größte Volkswirtschaft der Welt. An den Börsen wurde er bereits mit Vorschusslorbeeren überschüttet. Doch jetzt ist die Schonfrist vorbei. Ab jetzt muss der liebe Donald liefern!
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist
Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset-Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe bringt er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit ein, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben. Darüber hinaus ist es ihm ein besonderes Anliegen, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.
Infos zum aktuellen Buch: https://www.vonnullaufreich.com
Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at
Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at