Wöchentlicher Börsenbarometer von Dr. Josef Obergantschnig | Jerome polarisiert: Ich ziehe meinen Hut – Trump bucht ihm ein One-Way-Ticket zum Mond
Diese Woche ist es wieder einmal so weit. Bei meinem morgendlichen Espresso dreht sich alles um die Federal Reserve. Am Mittwoch tagte die amerikanische Notenbank, und wie erwartet ließ Fed-Präsident Jerome Powell die Leitzinsen unverändert. Die Entscheidung war angesichts der hartnäckigen Inflation und der anhaltenden Unsicherheiten in der US-Wirtschaft absehbar.
Interessanter als das „Was“ ist aber das „Warum“. Die Fed steckt derzeit in einer Zwickmühle: Einerseits wächst die Angst vor einer wirtschaftlichen Abschwächung – erste Konjunkturdaten deuten darauf hin, dass das Wachstum im ersten Quartal deutlich unter den bisherigen Prognosen liegen könnte. Andererseits bleibt die Inflation auf einem Niveau, das eine vorschnelle Zinssenkung riskant machen würde. Die steigenden Kosten für Importwaren, die durch Trumps neue Zölle weiter angeheizt werden, verstärken den Inflationsdruck zusätzlich.
Spannend – aber nicht unerwartet – finde ich, dass Donald Trump mit dieser Entscheidung alles andere als einverstanden ist. Bereits im Vorfeld der Zinsentscheidung hatte er Powell via Social Media ausgerichtet, er möge „das Richtige tun“. Nachdem Powell bereits im Januar nicht nach der Pfeife des lieben Donald tanzte und die vom Präsidenten geforderte Leitzinssenkung ausblieb, scheint der Ton nun rauer zu werden. Wäre Trump selbst Fed-Präsident, würde er die Leitzinsen wohl „unverzüglich“ senken – am besten auf null! Und an Selbstvertrauen mangelt es ihm dabei nicht, schließlich verkündete er öffentlich, dass er es „sicherlich besser“ wisse als derjenige, der für die Entscheidung verantwortlich ist. Ich kann hier nur mehr verwundert den Kopf schütteln und vor Jerome Powell voller Anerkennung meinen imaginären Hut ziehen. In dieser Situation standhaft zu bleiben, zeugt von Mut und einer tiefen Überzeugung, trotz stürmischer See den eigenen Kurs weiterzuverfolgen. Chapeau, lieber Jerome!
Doch nicht nur Powell steht im Fokus von Trumps Wirtschaftspolitik. Der alte Kontinent hat sich ebenfalls einen Platz auf seiner Abschussliste gesichert – diesmal mit einer ganz besonderen Drohung: exorbitante Zölle auf Wein und Sekt aus Europa. Eine Horror-Nachricht für europäische Weinproduzenten, die ohnehin seit Jahren mit einem weltweit rückläufigen Weinkonsum zu kämpfen haben. Besonders hart trifft es jene Winzer, die in die USA exportieren, aber auch europäische Produzenten, deren Hauptabsatzmärkte auf diesem Kontinent liegen. Denn wenn in den USA der Weinkonsum einbricht, weil europäischer Wein durch Zölle zu einem Luxusgut wird, dann bleibt er in Europa – was zu einem Überangebot und weiter fallenden Preisen führt. Das werden auch meine österreichischen Lieblingswinzer in der Steiermark, im Burgenland oder in Niederösterreich zu spüren bekommen.
Ein weiteres Thema, das die Finanzwelt beschäftigt: Der Stellenabbau bei deutschen Banken geht weiter. Nach der Commerzbank verkündete nun auch die Deutsche Bank, dass sie rund 2.000 Mitarbeiter im Privatkundengeschäft entlassen und ihre Filialstruktur „signifikant“ reduzieren werde. CEO Christian Sewing betonte, dass die Kosten für den Umbau bereits einkalkuliert seien. Die Bankenlandschaft verändert sich rasant – die digitale Transformation sorgt für weniger Kundenverkehr in den Filialen, während höhere Kosten und sinkende Margen die Profitabilität belasten. Dass nun zwei der größten deutschen Banken fast zeitgleich drastische Sparmaßnahmen ankündigen, ist ein deutliches Zeichen für den Wandel im Bankensektor.
Doch nicht nur Banken, sondern auch die Industrie verändert sich – und das in rasantem Tempo. Die Automobilbranche testet humanoide Roboter. Mercedes-Benz experimentiert mit Robotern des US-Unternehmens Apptronik, die Transportaufgaben übernehmen und Qualitätskontrollen durchführen sollen. Das klingt nach Science-Fiction, wird aber zunehmend Realität. Die Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch und trifft vor allem die „White-Collar-Worker“. Irgendwie – auch wenn es zugegebenermaßen utopisch klingen mag – stellt sich für mich die Frage, ob ein KI-Präsident ebenso launisch wäre wie Donald Trump?
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist
Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset-Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe bringt er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit ein, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben. Darüber hinaus ist es ihm ein besonderes Anliegen, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.
Infos zum aktuellen Buch: https://www.vonnullaufreich.com
Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at
Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at
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