
Tobias Ripka, CFA, Investment Director
Amar Reganti, Fixed Income and Global Insurance Strategist
Campe Goodman, CFA, Fixed Income Portfolio Manager
Wir sind mit der Erwartung eines anhaltend hohen Zinsniveaus und zunehmenden Anzeichen für eine stärkere Divergenz an den Rentenmärkten ins Jahr gestartet, während die Anleger und politischen Entscheidungsträger auf die zunehmend unterschiedliche lokale Wachstums- und Inflationsdynamik reagierten. Seit dem Inflationsschock der Jahre 2021 und 2022 haben die Märkte wiederholt die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Zinsen über einen längeren Zeitraum hinweg auf einem höheren Niveau bleiben könnten. Anzeichen für eine Lockerung der Geldpolitik, wie sie beispielsweise im letzten Quartal 2023 und im vergangenen Sommer zu beobachten waren, lösten daher sofortige Marktaufschwünge aus. Die Frage ist nun: Wird es dieses Mal anders sein? Und was kann eine Anleihenallokation in einem breiteren Portfolio leisten?
„Bond Vigilantes“ kehren zurück, die Kapitalströme könnten folgen
In der ersten Hälfte dieses Jahres kam es zu zahlreichen exogenen Schocks. Die US-Regierung verschärfte ihre Zollpolitik schrittweise, was Anfang April in der Ankündigung des „Liberation Day“ gipfelte. Es kam zu einer weiteren Eskalation, die die seit Jahrzehnten vorherrschende Handelspolitik auf den Kopf stellte – bis schließlich eine vorübergehende Aussetzung angekündigt wurde. Dabei waren es dann eher die längerfristigen Anleihen als die Aktienmärkte, die disziplinierend wirkten und die Regierung zu einem Umdenken zwangen. Dies könnte das Comeback der sogenannten „Bond Vigilantes“ bedeuten, d.h. die Rentenmärkte könnten (durch den Verkauf von Staatsanleihen) Regierungen mit sich verschlechternden Haushaltsaussichten eine gewisse Zurückhaltung aufzwingen. Selbst wenn einige der Zölle durch Handelsabkommen wieder zurückgenommen werden, steigt die Wahrscheinlichkeit eines verstärkten wirtschaftlichen Nationalismus sowie einer Repatriierung von Kapital. Es könnte zu Kapitalumschichtungen aus US-Finanzanlagen in globale Rentenanlagen kommen, was höhere Risikoprämien und höhere langfristige Anleiherenditen für die USA bedeuten sollte. In der übrigen Welt könnte dies ein starker technischer Faktor sein, der Anlagen außerhalb der USA stützt. Potenzielle Profiteure von Kapitalabflüssen aus den USA wären europäische, japanische und chinesische Anleihen.
Es braut sich etwas zusammen
Wir rechnen weiterhin mit erhöhter Volatilität an den Zinsmärkten, insbesondere im Bereich der längeren Laufzeiten. Die Zinsstrukturkurven in den Industrieländern haben sich zwar inzwischen normalisiert, könnten sich aber aufgrund der anhaltenden Inflation und der hohen Staatsausgaben noch weiter versteilern. Die wachsenden Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit der Verschuldung könnten zu höheren Laufzeitprämien in den Industrieländern, insbesondere in den USA, führen. Aus Abbildung 1 geht diese Dynamik deutlich hervor: Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags war die durchschnittliche Laufzeitprämie in den Industrieländern erstmals seit elf Jahren wieder auf über 1,0% gestiegen.
Der Euroraum ist ein gutes Beispiel für dieses Spannungsverhältnis: Die Europäische Zentralbank scheint entschlossen, ihren Zinssenkungszyklus fortzusetzen. Gleichzeitig könnten der anhaltende Anstieg der Verteidigungsausgaben – besonders in Deutschland – sowie die sich verschlechternden Haushaltsaussichten in einigen Ländern (vor allem in Frankreich) die Renditen langfristiger Anleihen nach oben treiben. Auch die japanische Zinsstrukturkurve hat im letzten Jahr einen deutlich steileren Verlauf genommen. Dabei haben 30-jährige Anleihen ein in diesem Jahrhundert noch nie dagewesenes Renditeniveau erreicht, obwohl die Geldpolitik weiterhin sehr locker bleibt. Anders als bei anderen Märkten rechnen wir bei einer Anhebung der Leitzinsen durch die Bank of Japan – als Reaktion auf ein mögliches Handelsabkommen mit den USA und die anhaltende, binnenwirtschaftlich bedingte Inflation – mit einer Verflachung der japanischen Zinskurve.
Die Suche nach der richtigen sicheren Anlage
In Zeiten makroökonomischer Turbulenzen sollten die Zinsen als Anker dienen und gerade dann steigen, wenn risikoreichere Anlagen an Wert verlieren. Seit dem annus horribilis 2022 sind Anleger hinsichtlich der Gesamterträge von Anleihen und ihrer Korrelation mit Aktien skeptisch. Die jüngsten Marktturbulenzen deuten darauf hin, dass Anleihen ihre historische Rolle als Quelle regelmäßiger Erträge und als Absicherung gegen Verlustrisiken in Portfolios wiedererlangt haben. Wo genau dieser Anker zu finden ist, könnte sich allerdings ändern. Im Laufe des Aprils stellten globale Anleger indirekt die Vorstellung infrage, dass der US-Treasury-Markt in Zeiten exogener Schocks das wichtigste Diversifikationsinstrument sei. Die Herabstufung durch Moody’s könnte diese Einschätzung weiter festigen, dass Anlagealternativen wie europäische, australische und japanische Staatsanleihen (sowie ausgewählte Währungen) die erforderliche Diversifizierung innerhalb eines breiteren Portfolios bieten könnten. Zusammenfassend stellen Anleihen unseres Erachtens einmal mehr unter Beweis, dass sie in Zeiten erhöhter Volatilität als „sicherer Hafen” dienen können. Allerdings dürfte ein aktiver Ansatz ratsam sein, da die Bedeutung lokaler Bedingungen für die Marktrenditen immer wichtiger wird als der globale Zyklus.
Die Credit-Perspektive
Möglichkeiten zum Umschiffen der Stromschnellen in einem durch unterschiedliche Marktströmungen geprägten Jahr
Fühlte sich die erste Hälfte des Jahres 2025 für Sie wie eine Wildwasser-Rafting-Tour an, zu der Sie sich nie angemeldet hatten? Wenn ja, dann sind Sie damit nicht allein. Was zunächst wie eine ruhige Paddeltour aussah, entwickelte sich zu einer wilden Fahrt, die leicht zum Kentern der Märkte und zu einer Schieflage der Weltwirtschaft hätte führen können. Dennoch hat sich insbesondere die US-Wirtschaft ganz gut über Wasser gehalten: Die Arbeitslosigkeit ist auf einem historischen Tiefstand, und die Verbraucher rudern munter weiter. Die Fundamentaldaten der Unternehmen in den USA und weltweit sind nach wie vor solide: Die Cashflows sind robust, und die Neuemissionen von Schuldtiteln sowie Fusionsaktivitäten halten sich in Grenzen.
Allerdings befinden wir uns nicht gerade in ruhigen Gewässern. Die US-Notenbank (Fed) hat ihre Geldpolitik kaum gelockert, sodass diese in den USA weiterhin restriktiv bleibt. Die meisten anderen Zentralbanken haben hingegen bereits damit begonnen, ihre Geldpolitik zu lockern. Die Spreads sind zwar weiter als im Januar, aber immer noch nicht besonders großzügig. In diesem Umfeld bin ich in Bezug auf Risiken vorsichtig und halte Ausschau nach besseren Einstiegsmöglichkeiten zu einem späteren Zeitpunkt.
Blick über die USA hinaus
Ich erwarte zwar keinen massiven Vertrauensverlust in die US-Märkte, denke aber, dass Anleger ihren Fokus von den USA auf andere Märkte mit attraktiverem Potenzial verlagern könnten (siehe Abbildung 2). Um im derzeitigen turbulenten Umfeld ein widerstandsfähigeres Portfolio aufzubauen, tendiere ich derzeit stärker zu Nicht-US-Anlageni m Credit-Bereich, insbesondere zu globalen High-Yield-Anleihen und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern.
CDX HY: Credit Default Swaps im High-Yield-Segment. CLO Aaa: Collateralized Loan Obligations mit Aaa-Rating. CMBS Aaa: Durch Forderungen aus gewerblichen Hypothekendarlehen unterlegte Wertpapiere mit Aaa-Rating. CoCos: Europäische Contingent Convertibles (bedingte Pflichtwandelanleihen). Converts: Globale Wandelanleihen. CRT: Credit-Risk-Transfer-Anleihen. EMC HY: High-Yield-Unternehmensanleihen der Emerging Markets. EMD: Emerging-Markets-Anleihen. EU HY: Europäische High-Yield-Unternehmensanleihen. iTraxx Crossover: Höher rentierliche Kreditderivate. MBS: Mortgage-Backed Securities. RMBS NPL: Notleidende, mit Wohnbauhypotheken besicherte Wertpapiere. US BL: US-Senior-Secured-Loans. US HY: US-High-Yield-Unternehmensanleihen. US short HY: US High-Yield-Unternehmensanleihen mit kürzerer Duration. US IG corp: US-Investment-Grade-Unternehmensanleihen. US IG long corp: US-Investment-Grade-Unternehmensanleihen mit längerer Duration.
Wo sehen wir günstigere Rahmenbedingungen?
- Europäische Finanzwerte: Europäische Banken sind gut kapitalisiert, weitgehend von der US-Handelsdynamik abgeschirmt und gut positioniert, um von den deutschen Haushaltsausgaben zu profitieren. In turbulenten Zeiten wirken sie daher stabil.
- Emerging-Markets-Unternehmensanleihen: Unternehmen mit begrenztem Engagement in den USA, insbesondere in Sektoren wie Versorger und Telekommunikation, bieten stabile Cashflows und eine geringe Verschuldung. Hier finden wir festen Boden.
- Wandelanleihen: Angesichts der engeren Spreads bei High-Yield-Anleihen bieten Wandelanleihen ein asymmetrisches Aufwärtspotenzial. Ihre Untergrenzen (Bond Floors) bieten Schutz in Zeiten geringer Risikobereitschaft, während die Koppelung an die Aktienkomponente ihnen in positiven Szenarien starkes Potenzial verleiht. Zudem ergänzen sie das Engagement in Bezug auf die Sektoren Technologie und Biowissenschaften, die in den meisten Rentenportfolios unterrepräsentiert sind.
Wo sind wir (vorerst) vorsichtig?
- IG-Unternehmensanleihen mit langer Laufzeit: Die Spreads sind eng, und steigende Laufzeitprämien aufgrund erhöhter Emissionen von Staatsanleihen könnten die Erträge belasten. Hinzu kommt der potenzielle Margendruck durch Zölle, weshalb wir hier vorsichtig sind.
- Staatsanleihen von Schwellenländern: Die Fundamentaldaten sind zwar solide, das Aufwärtspotenzial scheint jedoch begrenzt. Wir konzentrieren uns auf eine ausgewählte Gruppe von Titeln mit Verbesserungspotenzial, bei denen wir einen hohen Überzeugungsgrad haben.
- CMBS: Das Umfeld für CMBS ist turbulent. Wir meiden bekannte Risikobereiche wie Bürogebäude in schwächeren Qualitätssegmenten und regionale Einkaufszentren, sehen jedoch in einigen gut positionierten Bereichen wie beispielsweise in hochwertigen Bürogebäuden und Hotels in New York klare Chancen.
So bewältigen Sie die vorausliegenden Stromschnellen
In diesem Jahr sind die Fähigkeiten eines erfahrenen Leiters von Wildwassertouren gefragt, der sich schnell an veränderte Bedingungen anpasst, die Strömungen richtig einschätzt und bereit ist, sofort zu handeln, wenn sich der richtige Kurs abzeichnet. Ein flexibler globaler Ansatz kann dabei helfen, die Stromschnellen zu meistern und Unsicherheit in einen Vorteil umzuwandeln. Wer flexibel bleibt und seinen Horizont erweitert, muss sich als Anleger nicht damit begnügen, sich einfach nur über Wasser zu halten, sondern kann mit Agilität und Zielstrebigkeit in die zweite Jahreshälfte 2025 starten.
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Verfassung dieses Dokuments. Andere Teams können andere Ansichten vertreten und andere Anlageentscheidungen treffen. Der Wert einer Anlage kann gegenüber dem Zeitpunkt der ursprünglichen Investition steigen oder sinken. Von externen Anbietern stammende Daten werden zwar als verlässlich erachtet, doch gibt es keine Garantie für ihre Richtigkeit. Nur für professionelle, institutionelle oder zugelassene Anleger.