Die DWS Investment GmbH sieht den Wachstumstrend der Biotechnologie intakt. Allerdings wird der Sektor auch in Zukunft von starken Schwankungen geprägt und von Korrekturen nicht verschont bleiben. Diese Einschätzung äußerten die Biotech-Experten der DWS anläßlich der Vorstellung eines aktuellen Research-Berichtes, den die DWS erstellt hat.
Rahmenbedingungen für Biotechnologie intakt
Die Biotechnologie hat das Jahr 2000 als zweitbester Industriesektor nach den Versorgern bezogen auf die Kursentwicklung beendet. Der 17 Werte umfassende AMEX Biotechnologie Index (BTK) hat im Jahresverlauf 62 %, der breiter gefaßte NASDAQ Biotechnologie Index (CXBT) 23 % zulegen können. Dagegen fiel der NASDAQ Composite Index um 39 %. Die Biotechnologie zählte damit im zweiten Jahr in Folge zu den Gewinnern: 1999 war sie mit einem Anstieg von 111 % der Industriesektor mit der besten Kursentwicklung.
Der globale Wachstumstrend der Biotechnologie wird von für die Branche günstigen gesamtwirtschaftlichen und demographischen Rahmenbedingungen getragen. Die durchschnittliche Lebenserwartung in den Industrienationen nimmt weiter zu. So wird z.B. in Deutschland nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes der Anteil der über 60-Jährigen an der Bevölkerung von derzeit 22 % auf 37 % im Jahr 2040 steigen. Diese Entwicklung beflügelt die Nachfrage nach neuen und besseren Medikamenten, da viele Erkrankungen des alten Menschen derzeit nicht oder nur unzureichend behandelt werden können.
Viele Therapien behandeln nur die Symptome, nicht die Ursachen. Die Vielzahl neuer Informationen, die aus der Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes gewonnen werden, ermöglicht ein besseres Verständnis der Entstehung von Krankheiten.
Durch die Biotechnologie eröffnet sich damit die Möglichkeit, neue therapeutische Angriffspunkte zu identifizieren, die eine kausale statt einer symptomatischen Behandlung von Krankheiten erlauben.
Das starke Wachstum neuer Technologien und Plattformen, die von Biotechnologie-Unternehmen entwickelt werden, erlaubt ferner die Entwicklung neuer Medikamente, die gegen bislang unbekannte molekulare Angriffspunkte gerichtet sind. Diese Medikamente sind deshalb wirksamer in der Behandlung und haben gleichzeitig weniger Nebenwirkungen.
Auch die Anstrengungen vieler Länder, ihre hohen Gesundheitsausgaben in den Griff zu bekommen, eröffnen den Biotech-Unternehmen Absatzpotential. Für Deutschland betragen die Gesundheitsausgaben etwa 10 % des BIP oder 280 Mrd. EUR, in den USA bereits 14 % des BIP und damit mehr als 1.200 Mrd. USD. Effektivere Medikamente senken die Behandlungskosten deutlich, da operative Eingriffe oder Krankenhausaufenthalte vermieden oder verkürzt werden können.
Industrie nicht zyklisch - Rezession verringert nicht Patientenzahl
Aus Anlegersicht eignet sich der Biotech-Sektor hervorragend zur Streuung von Risiken. Die Industrie ist nicht zyklisch; eine Rezession verringert nicht die Zahl an Patienten und den Verbrauch an Medikamenten. Die Biotechnologie bietet damit einen gewissen Schutz gegen konjunkturelle Einflüsse.
Die fundamentalen Daten der Biotech-Industrie sind besser als jemals zuvor: Die Branche hat bereits mehr als 110 Produkte auf den Markt gebracht, von denen einige einen Umsatz von über 500 Mio. USD pro Jahr erreichen. Mehr als 800 biotechnologische Produkte befinden sich derzeit in der klinischen Entwicklung. Davon befinden sich knapp über 100 Produkte bereits in der späten klinischen Entwicklung (Phase III).
Die DWS-Experten erwarten, daß im Laufe des Jahres 2001 etwa 25 Medikamente, die von Biotech-Unternehmen alleine oder in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Pharma-Industrie entwickelt wurden, von der amerikanischen Gesundheitsbehörde "Food and Drug Administration" (FDA) zugelassen werden und auf den Markt kommen. Nach Analystenschätzungen wird bis Ende 2001 die Zahl profitabler Biotech-Unternehmen auf etwa 50 ansteigen. Demgegenüber gab es 1995 noch keine 20 profitablen Biotech-Unternehmen.
Höherer Reifegrad als Internet-Branche
Mit Blick auf Vergleiche mit der Internet-Branche bescheinigt die DWS der Biotech-Industrie einen höheren Reifegrad. Die Biotech-Branche hat sich seit Anfang der 80er Jahre etabliert und - insbesondere nach dem Boom der frühen 90er Jahre - einen intensiven Lernprozeß durchgemacht. Anders als bei vielen Internetunternehmen ist bei den meisten Biotech-Unternehmen der Weg zur Profitabilität klar erkennbar, auch wenn er nicht immer geradlinig verläuft. Die überwiegende Zahl der Biotech-Unternehmen wird innerhalb von ein bis zwei Jahren nach der Plazierung des ersten Medikaments am Markt profitabel. Aufgrund des Patentschutzes für Medikamente und Medizinprodukte für etwa 5 bis 10 Jahre nach ihrer Markteinführung ist auch das Geschäftsmodell schwerer kopierbar als bei Internetunternehmen.
Nachhaltig positiv werden sich auf die Biotech-Unternehmen ihre Kapitalausstattung und Finanzierungsmöglichkeiten auswirken. Im Laufe des Jahres 2000 konnten sie mehr als 33 Mrd. USD am Kapitalmarkt einsammeln, so daß viele dieser Gesellschaften heute Kapitalreserven für mehr als 10 Jahre bezogen auf ihre gegenwärtigen Ausgaben besitzen. Dies versetzt sie in die Lage, gegenseitige Beteiligungen in Form von Technologie- und Marketing-Allianzen einzugehen und dabei ohne finanziellen Druck den Kooperationspartner auswählen zu können.
Die Pharma-Industrie eröffnet den Biotech-Unternehmen zudem Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb der Kapitalmärkte. Ihre vollere Produkt-Pipeline und der Wettbewerbsdruck auf die Pharma-Unternehmen, alternde Medikamente zu ersetzen, versetzt die Biotech-Unternehmen in eine zunehmend stärkere Verhandlungsposition gegenüber den Pharmaunternehmen, wenn es um die finanziellen Bedingungen von Kooperationen geht. Gewinnaufteilungen von 50:50 sind keine Seltenheit mehr. Teilweise verbleiben im Rahmen solcher Vereinbarungen exklusive Marketing-Rechte in bestimmten Märkten, wie zum Beispiel dem lukrativen US-Markt, beim Biotechnologieunternehmen.
Hohe Volatilität von Biotech-Aktien
Die hohe Volatilität von Biotech-Aktien erklären die DWS-Experten u. a. mit fehlenden Kenntnissen vieler Anleger über die wissenschaftliche Basis neuer Therapien, Medikamente und Technologien. Die Investoren neigen daher bei neuen Nachrichten zu Überreaktionen - unabhängig davon, ob der Inhalt einer Meldung den Erfolg eines Unternehmens oder seiner Produkte nachhaltig beeinflußt. Mißerfolge bei der Produktentwicklung müssen differenziert betrachtet werden. Die Versagung der Zulassung ist häufig auf Fehler in der Planung der klinischen Studien zurückzuführen, die Interpretationsspielräume hinsichtlich der Wirksamkeit des Medikaments offen lassen. In diesen Fällen kann eine spätere Zulassung in Frage kommen, wenn zusätzliche klinische Studien entsprechend sorgfältig geplant und durchgeführt werden. Selbst wenn die Zulassung wegen Bedenken hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen versagt wird, bedeutet dies nicht automatisch das Scheitern jahrelanger Forschungsarbeit. Auch in diesem Fall können weitere klinische Studien eine spätere Zulassung ermöglichen.
Risiken einer Anlage in Biotech-Aktien
Trotz alledem weisen die DWS-Experten auf die Risiken einer Anlage in Biotech-Aktien hin. "Biotech-Aktien sind und bleiben ein volatiles Investment", so Michael Sistenich, Fondsmanager des DWS Biotech-Aktien Typ O. "Selbst wenn ein Medikament die Phase III und somit die letzte Periode der klinischen Entwicklung erfolgreich abgeschlossen hat, besteht noch eine etwa 10 %ige Wahrscheinlichkeit, daß die Zulassung durch die FDA nicht erteilt wird." Entscheidend kommt es damit auf einen langfristigen Anlagehorizont und gute Risikostreuung an. Von Einzelanlagen in Biotech-Aktien rät Sistenich zumindest dem durchschnittlich informierten Anleger ab: "Man muß schon genau verstehen, was ein Unternehmen macht, um einschätzen zu können, ob es profitabel werden kann."
Nach wie vor schwierig ist die Bewertung von Biotech-Aktien. Sistenich verweist in diesem Zusammenhang auf das Umsatzpotential einiger Produkte, die kurz vor der Zulassung stehen. Wie stark die Auswirkungen eines erfolgreichen Produktes auf den Aktienkurs sind, belegen die DWS-Experten anhand von drei Beispielen: Medimmune, IDEC Pharmaceuticals und Immunex.
Alle drei Unternehmen zählen heute zu den Large Caps der Biotechnologie und weisen Bewertungen im Bereich von 7,5 bis 20 Mrd. USD auf mit PE`s von 50 bis 165 auf Basis der Gewinne des Jahres 2001 auf.
Setzt man die PE`s in Relation zum durchschnittlichen Gewinnwachstum der nächsten Jahre, so ergeben sich PEG-Ratios von 2,0 bis 2,8. Die durchschnittliche PEG-Ratio von Large Cap Biotechs und Large Cap Pharma liegt damit gleichauf bei 2,1. Bei profitablen Biotechnologieunternehmen sind daher höhere PE`s und Bewertungen durch die hohen Wachstumsraten gerechtfertigt.
Die DWS investiert daher unter anderem in Unternehmen, die mit der erwarteten Zulassung ihrer Produkte durch die FDA eine besonders erfolgversprechende Entwicklung nehmen können. Zu diesen Unternehmen zählen Enzon, Tanox, Corixa, Praecis Aviron und Imclone. Alle weisen heute eine Marktkapitalisierung zwischen 1 und 3 Mrd. USD auf und besitzen das Potential einer Vervielfachung ihrer heutigen Bewertung, wenn durchschnittliche Wachstumsraten zugrunde gelegt werden, wie für Medimmune, Immunex und IDEC von 25 bis 50 %.
Die DWS bietet zwei reine Biotech-Fonds an. Der im August 1999 aufgelegte DWS Biotech-Aktien Typ O legt zu etwa 40 % in Aktien von Large Caps, zu 35 % in Mid Caps und zu 15 % in Small Caps an. Weitere 10 % sind in Unternehmen investiert, die einen unmittelbaren Bezug zur Biotechnologie aufweisen.
Der im Februar 2000 auf den Markt gebrachte DWS Funds Biotech SICAV ist zu etwa 20 % in Large Caps, zu 35 % in Mid Caps und zu 40 % in Small Caps investiert. Weitere 5 % sind in Unternehmen investiert, die einen unmittelbaren Bezug zur Biotechnologie haben. Der Fonds ist für langfristig orientierte Anleger konzipiert, die einen höheren Anteil kleinerer Biotechnologieunternehmen wünschen als dies der DWS Biotech-Aktien Typ O bietet.