Russland - Spekulationen in alle Richtungen
Die Bewertung der wirtschaftlichen und politischen Perspektiven Russlands im Vorfeld der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen driftet zunehmend auseinander. Konjunkturell wird in diesem Jahr entweder nochmals eine binenwirtschaftlich getragene Verstärkung des BIP-Wachstums oder eine im Zuge niedrigerer Ölpreise kräftige Verlangsamung erwartet. Politisch wird nach der Beförderung von Verteidigungsminister Sergej Iwanow zum ersten Stellvertreter des Regierungschefs entweder eine nochmalige Erhöhung des Staatseinflusses in der Wirtschaft oder eine neue, weit reichende Initiative zur Verringerung der Abhängigkeit der Wirtschaft von Energieexporten erwartet. Eines wird vor dem Hintergrund dieser sehr unterschiedlichen Projektionen deutlich, der Nachfolger von Präsident Putin kann zwar sein Amt auf einer deutlich verbesserten wirtschaftlichen Basis beginnen, aber es sind richtungsweisende Entscheidungen notwendig, um die positiven wirtschaftlichen Trends der letzten Jahre für die Zukunft zu stabilisieren.
Und dabei ist Eile geboten, da insbesondere im wichtigen Energiesektor Investitionsanreize geschaffen werden müssen. Schließlich resultierte der Anstieg der Erlöse aus den Öl- und Gasexporten im letzten Jahr fast vollständig aus gestiegenen Preisen, während die Produktion nahezu konstant blieb. Um die Produktionskapazität zu erhöhen sind umfangreiche Investitionen zur Erschließung neuer, schwerer zugänglicher Öl- und Gasvorkommen notwendig, die schneller mit Hilfe ausländischer Investorenzu bewältigen wären. Dafür müssen jedoch die Rahmenbedingungen für ausländische Investoren fixiert werden.
Inländische Energieunternehmen scheinen vor allem wegen der hohen steuerlichen Belastungen und der Expansionsstrategien in anderen Bereichen der Wirtschaft unzureichend in die Erhöhung der Förderkapazität und die Erschließung neuer Lagerstätten investiert zu haben. Beide Entwicklungen unterstreichen den wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf nach den Präsidentschaftswahlen. Erfolge außerhalb des Öl- und Gassektors lassen sich schneller erzielen, da das Interesse ausländischer Unternehmen an der Erschließung der russischen Märkte anhaltend hoch ist. Dies signalisieren die kräftig gestiegenen Zuflüsse an Direktinvestitionen im letzten Jahr. Aktuell lässt sich daher noch kaum feststellen, welche der erwähnten Projektionen für die kommenden zwei Jahre wahrscheinlicher ist. Der neue Präsident wird noch die Möglichkeit haben, die positiven Trends zu stabilisieren. Die Finanzmärkte dürften ebenfalls vorerst ihren volatilen Trendfortsetzen.
Südkorea - Eine gute Basis auch für turbulente Zeiten
Eine kaum noch als Emerging Market zu bezeichnende Volkswirtschaft, ein sehr dynamisches Wachstumsumfeld und Finanzmärkte, die noch keine Überhitzungstenden-zen erkennen lassen, sind die Hauptkennzeichen Südkoreas in diesem Jahr. Das politische Umfeld wird durch die im Dezember herannahenden Präsidentschaftswahlen trubulenter. Allerdings rechnen wir trotz des zu erwartenden Wechsels an der Spitze des Staates nicht mit einer wirtschaftspolitischen Neuausrichtung. Gleichwohl sind insbesondere im Hinblick auf das Anziehen von ausländischen Direktinvestitionen neue Impulse notwendig. Auch in diesem Jahre erwarten wir, dass die südkoreanischen Unternehmen aktiver im Ausland expandieren als ausländische Unternehmen in Südkorea. Die Expansionsstrategie insbesondere in China erhöht nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der südkoreanischen Unternehmen, sondern Ermöglichkeit gleichzeitig das Erschließen neuer Märkte. Südkoreas Unternehmen konnten daher ihre Abhängigkeit von den Exportmärkten US und Japan in den letzten Jahren reduzieren. Da zudem die Konsumnachfrage in China staatlich gestützt wird, dürften südkoreanische Produzenten besonders davonprofitieren. Wir rechnen daher auch für 2007/08 mit einer zweistelligen Wachstumsrate der Exporte.
Die binnenwirtschaftlichen Aussichten sind weniger aufgehellt, da die Geldpolitik dämpfend wirkt und die Regierung bislang noch keine expansiven finanzpolitischen Maßnahmen erkennen lässt. Konjunkturstabilisierend für die Wirtschaft wirkt daher insgesamt die Exportdynamik. Da das US-Konjunkturbild eine zunehmend robuste Verfassung zeigt, sind demnach die Risiken für Südkorea eher gering. Geldpolitische Impulse sind in Zuge einer vermutlich später beginnenden geldpolitischen Lockerung in den USA hingegen ebenfalls erst spät im Verlauf der zweiten Jahreshälfte zu erwarten. Anreize für Unternehmensinvestitionen resultieren daher vor allem aus der Exportentwicklung. Währungsseitig rechnen wir mit einer Fortsetzung des Aufwertungstrends des Won. Die aktuelle Unterbrechung des Trends ist vor allem auf globale Unsicherheiten und schwächere Konjunkturdaten zurückzuführen. Die weitgehend ausgeglichene Leistungsbilanz und die Attraktivität für Aktienpositionen in Südkorea sprechen hingegen für eine Unterstützung des Won durch Kapitalzuflüsse. Vor diesem Hintergrund dürften verbale Interventionen nur eine kurzfristige Wirkung zeigen. Ein Risikofaktor bleibt neben dem an Intensität zunehmenden Wahlkampf vor allem der Konflikt mit Nordkorea. Obgleich bei den sogenannten Sechs Parteien Gesprächen ein Kompromiss gefunden wurde, bleibt dessen Umsetzung unsicher. Allerdings rechnen wirauch bei einem politischen Wechsel nach den Präsidentschaftwahlen nicht damit, dass Südkorea stärker auf Konfrontationskurs geht. Es ist vielmehr eine noch engere Kooperation mit den USA zu erwarten. Das politische Risiko sollte daher insgesamt nicht den realwirtschaftlich positiven Ausblick überlagern.
Den gesamten Bericht sowie Kommentare zu den Finanzmärkten der Türkei, Ungarn, Tschechien, Brasilien, Mexiko, Chile, Argentinien, Thailand sowie China entnehmen Sie bitte dem Infocenter als PDF-Dokument.