Die seltsame Welt der Zinsderivate

Ob Kredit- und Leasingnehmer, Bausparer oder Profiinvestor – fast jeder Mensch ist in irgendeiner Form von der Entwicklung der Zinsmärkte direkt betroffen. Dennoch sind diese in der Regel bei weitem nicht so stark im Fokus der öffentlichen Debatte wie etwa Ereignisse an den Aktienbörsen. Markets | 10.10.2007 10:30 Uhr
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In den letzten Wochen hat sich das durch die Krise am US-Hypothekenmarkt ein wenig geändert. Für Futures-Händler freilich gehören Zinsen schon lange zu den wichtigsten und liquidesten Instrumenten.

Der Eurodollar-Kontrakt

Wer sich ein wenig mit Futures-Märkten beschäftigt, stößt früher oder später unweigerlich auf den Eurodollar-Kontrakt. Er war im Jahr 1981 der erste, welcher per Cash-Settlement erfüllt wurde (also durch Barausgleich anstatt der physischen Lieferung des Basiswertes zum Erfüllungstermin). Der Eurodollar war auch der erste Interbörsen-Future – seit 1984 kann man ihn nicht nur an der Ursprungsbörse CME (Chicago Mercantile Exchange) sondern auch an der SGX in Singapur kaufen und verkaufen, was die tägliche Handelszeit schon vor der Einführung elektronischer Plattformen auf 16 Stunden ausdehnte. Heute ist der Eurodollar der am stärksten gehandelte Terminkontrakt der Welt mit über 3 Millionen Transaktionen pro Tag (Futures-Kontrakten und Optionen auf Futures). Im Schnitt werden pro Handelstag also 35 Kontrakte in jeder Sekunde abgeschlossen. Bei einem Nominalwert von einer Million Dollar je Kontrakt werden (theoretisch) 35 Millionen Dollar pro Sekunde bewegt. Das ergibt 126 Milliarden Dollar pro Stunde oder 3.000 Milliarden Dollar an jedem Handelstag.

Eurodollar: Der Weltmeister unter den Futures

Gründe genug also, sich diesen Rekordhalter der Futuresmärkte näher anzusehen: Der Name „Eurodollar“ lässt einen Währungs-Kontrakt vermuten, hat tatsächlich aber keinerlei Bezug zum Euro- oder Dollarkurs. Der Name steht vielmehr für jede Festgeldanlage in US-Dollar außerhalb der USA und damit außerhalb des Einflussbereichs der amerikanischen Notenbank FED. Weil solche Konten in den 1960er Jahren vorwiegend in Europa und insbesondere bei britischen Banken geführt wurden, hat sich der Name Eurodollar eingebürgert.

Grundlage des Eurodollar-Kontrakts ist eine derartige Anlage über eine Million USD, verzinst mit dem 3-Monats-Libor. Man stelle sich zur Verdeutlichung Folgendes vor: Ein russischer Ölkonzern nimmt eine Million US-Dollar aus Rohölverkäufen und legt diese, für drei Monate gebunden, auf sein Festgeldkonto bei einer Londoner Bank. Das Unternehmen erhält dafür Zinsen in der Höhe der aktuellen „London Interbank Offered Rate“ (Libor) für Dollaranlagen.

Diese Verzinsung (und nicht der Nominalbetrag) bildet die Grundlage für die Kursbildung des Kontraktes. Und weil es sich dabei ja um ein Termingeschäft handelt, wird zum Stichtag „heute“ nicht etwa die Verzinsung jener Million Dollar gehandelt, welche „heute“ auf dem genannten Festgeldkonto liegt, sondern die künftig erwartete zum Erfüllungstermin des Future-Kontraktes. Soweit klar? Gut.

Die diskontierte Notierung

Nun stößt man sofort an die nächste Hürde: Wenn man sich die zugehörigen Kurse ansieht, stellt man fest, dass der 3-Monats Libor (USD) gerade 5,33 % beträgt. Der nächstfällige Eurodollar-Future dagegen notiert zum selben Zeitpunkt bei 94,73. Der Zusammenhang erschließt sich erst, wenn man eine Eigenart der Geldmarktfutures kennt: deren Kurse werden nämlich diskontiert „von Hundert“ angegeben. Der Eurodollar notiert daher immer mit einem Wert von 100 (Prozent) minus der erwarteten Rendite in Prozentpunkten. Man kann also berechnen, dass die Marktteilnehmer zum Erfüllungstermin eines Eurodollar-Kontrakts, welcher mit 94,73 notiert, eine Rendite von 5,27 % erwarten (100 - 94,73 = 5,27). Aus dem Vergleich zwischen diesem (impliziten) Zinssatz und der aktuellen Notierung des Libor lässt sich übrigens auch schließen, ob der Markt von künftig steigenden oder fallenden Zinsen ausgeht.


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