Die phantastische US-Jobmaschine der 90er Jahre ist nicht nur zum Stillstand gekommen, sondern hat einen kräftig übersetzten Rückwärtsgang eingelegt. Die Neuanmeldungen für Arbeitslosengeld implizieren bereits einen weiteren Anstieg der Arbeitslosenquote von derzeit 4,9% auf 6,5 bis 7%, d.h. auf das Niveau von 1993. Da der Wertschöpfungsanteil des Konsumsektors etwa doppelt so hoch liegt, wie der des Produktionssektors, werden die Folgen nicht ausbleiben. Zwar ist der Anstieg der Arbeitslosenquote immer schneller verlaufen als der Rückgang, die zu erwartende Spitze wird dennoch frühestens in die zweite Hälfte des nächsten Jahres fallen. Dies ist ein wesentlicher Grund für die Annahme, dass die Erholung der Gewinne im nächsten Jahr nicht in Quantensprüngen erfolgen, sondern zögerlich verlaufen wird. Zudem liegen die Aktienbewertungen per Saldo trotz überdurchschnittlich langem Bearmarkt und drastischen Kurseinbrüchen in vielen Sektoren noch immer deutlich über den langjährigen KGV-Mittelwerten, - in Amerika mehr als in Europa.
Wie in unserem letzten Ausblick aber festgehalten, wurde mit dem Panik-Ausverkauf am 21. September nach den starken Zinssenkungen in Amerika und Liquiditätsspritzen durch die Fed und EZB eine zweite historische Bedingung für das Ende des Bearmarkts erfüllt. Im Oktober folgte noch die dritte Bedingung, die bisher immer eintreten musste, bevor der Bearmarkt zu Ende war, nämlich der mit einem Quartalsrückgang unter Vorjahresstand dokumentierte Beginn der Rezession in Amerika. Es kommt jetzt nicht darauf an, die Frage abschließend zu beantworten, ob der neue Bullmarkt endgültig begonnen hat oder ob vielleicht noch ein Test der Tiefstände ansteht oder nicht. Wesentlich ist nun die feste Überzeugung, sehr gute Kaufkurse zu haben und diese auch zur Anlage ohne Zögern zu verwenden. Wie immer der Verlauf des neuen Bullmarkts aussehen wird, sicher ist, dass er wieder über eine Mauer der Angst klettern wird. Diesmal wird sie wahrscheinlich wegen der neuen Rezessions- und Terrordimensionen noch höher sein.
Der Stimmungsindikator für den Neuen Markt weist Ende Oktober zwar einen deutlichen Zuwachs der Bullen aus, bleibt aber insbesondere bei den institutionellen Anlegern noch immer unbedenklich. Dazu passt auch, dass viele TMT-Standardwerte, wie z.B. Alcatel, auf besonders negative Ergebnisse von der Börse nicht weiter abgestraft werden. Im übrigen bevorzugen wir wegen der günstigeren Bewertungsrelationen Aktien in Europa. Unter diesen erscheinen wiederum Aktien in Deutschland und England am günstigsten bewertet.
Wenn man die Bewertung der Emerging Markets mit den Hauptmärkten vergleicht, entdeckt man derzeit selten günstige Bewertungen der Emerging Markets, insbesondere der asiatischen Länder. Die Marktkapitalisierung der Schwellenländer insgesamt ist von einem globalen Anteil von 9% in 1994 auf heute 4% geschrumpft, ihr Kurs/Buchwert-Ratio halbierte sich von 2,6 auf 1,3 (Industrieländer-Durchschnitt über 4). Nervöses Auslandskapital ist nicht mehr vertreten, wie der per Saldo geringere Rückgang der Schwellen-Märkte seit Jahresanfang zeigt. Die neue Managerin des NESTOR Fernost Fonds, Anna Ho, hat sich in wenigen Wochen bereits an die Spitze des Vergleichsfeldes gesetzt. Kaum jemand kennt sich unter chinesischen Nebenwerten einschließlich Taiwan und Hong Kong besser aus, als sie. Sollten bei der Umschuldung Argentiniens unerwartet große Probleme auftreten, könnten sich besonders günstige Kaufkurse bieten.
Dr. Klaus Kaposi, 02.11 .2001