Was bedeutet die Kreditkrise für die weltweiten Anleihemärkte? Bob Michele, Leiter festverzinsliche Papiere bei Schroders, gibt in seinem nachfolgenden Marktkommentar Antworten.
Wirtschaftlicher Rückgang
Die Folgen der Ausfälle am amerikanischen Subprime-Hypothekenmarkt haben bei Banken wie Citigroup und Merrill Lynch zu riesigen Abschreibungen geführt und breiten sich inzwischen auf eine weit breitere Investorengruppe aus – auf klassische Fondsmanager und bedauerlicherweise auch unerfahrene Anleger. Die Auswirkungen der Subprime-Krise werden sich zweifellos verschlimmern, eventuell sogar eine Rezession auslösen. Kann eine Rezession, oder zumindest eine anhaltende Rezession, vermieden werden? Damit dies gelingt, muss mindestens eines der folgenden drei Sze-narien eintreten:
- Eine koordinierte Zinssenkung durch die führenden Zentralbanken der Welt – die Federal Reserve in den USA, die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank von England. Damit kann Liquidität in das Finanzsystem zurückkehren und somit die Verlangsamung abgefedert werden.
- Ein drastischer Abschwung kann die Nachfrage nach Öl verringern, wodurch der Ölpreis von seinem jetzigen Niveau von knapp unter 100 US-Dollar pro Barrel fallen würde. Amerikanische Verbraucher haben zurzeit ihre Last mit den hohen Ölpreisen, so dass sie mit einer Senkung der Benzin- und Brennstoffkosten wieder mehr Geld zum Ausgeben hätten und damit die Wirtschaft ankurbeln würden.
- Eine Rettung durch die Regierung: Die USA setzt eine Behörde in Kraft, welche die Subprime-Hypothekenkredite übernimmt und damit das Problem eingrenzt. So gingen die US-Behörden auch in den Achtzigerjahren während der Immobilien- und Hypothekenkrise, der sogenannten „Savings and Loan"-Krise vor.
Das wahrscheinlichste dieser Szenarien ist eine Senkung der Zinsen. Wird es den Zentralbanken damit jedoch gelingen, eine Rezession zu vermeiden? Es gibt viele Marktbeobachter, die meinen, dass die USA sich wahrscheinlich bereits in einer Rezession befinden, und diese Sichtweise ist durchaus nicht überzogen.
Staatsanleihen im Vorteil
Kurz gesagt, die Zinsen sind zu hoch und müssen gesenkt werden. Dieses Szenario wäre für Staatsanleihen von Vorteil, vor allem für Kurzläufer. Die Geschichte zeigt, dass Finanzkrisen immer mit drastischen Zinssenkungen der Zentralbanken und einer gleichzeitigen steilen Nachfrage nach kurzfristigen Anleihen einhergingen. Die gegenwärtige Krise ist dafür ein Beispiel wie aus dem Bilderbuch. In den vergangenen fünf Monaten herrschte eine nie da gewesene Nachfrage nach Anleihen aus den USA, der Euro-Zone und Großbritannien.
Die EZB lässt noch immer verlauten, dass sie nicht die Absicht hat, die Zinsen zu senken, da sie eine Inflation befürchtet. Sie wird jedoch feststellen, dass sie keine andere Wahl hat. Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone verlangsamt sich, und mit dem sich schnell aufwertenden Euro werden die Exporte zurückgehen. "Die EU geht auf einen massiven Abschwung zu, und wir erwarten, dass die EZB die Zinsen von den augenblicklichen vier Prozent auf 3,5 Prozent bis drei Prozent senkt. Die Fed war zu drastischeren Schritten genötigt und hat bereits reagiert mit einer Senkung um 75 Basispunkte auf nun 3,5 Prozent. Das US-Zinsniveau könnte im Lauf des ersten Halbjahres noch weiter sinken, möglicherweise bis 2,5 Prozent", so Michele.
Unternehmensanleihen werden es schwer haben
Obwohl eine Zinssenkung im Endeffekt für Unternehmensanleihen gut ist – denn sie erleichtert den Firmen eine Rückzahlung ihrer aufgenommenen Kredite – müssen wir wohl eine ganze Weile warten, bis dies eintritt. Angesichts eines drohenden Abschwungs werden sich die Preise für Unternehmensanleihen aufgrund der begründeten Gefahr einer Rezession und des damit einhergehenden erhöhten Ausfallrisikos anpassen. Unternehmensanleihen haben sich über die vergangenen Monate etwas verbilligt, die Preise entsprechen jedoch in keiner Weise einer so negativen Perspektive. Michele: "Investoren haben zwar durchaus das Agio für den Besitz solcher Anleihen erhöht, aber wir meinen, dass diese Aufschläge in den nächsten Monaten noch erheblich steigen werden."
Die Liste für Neuemissionen, vor allem High Yield, ist bereits kürzer geworden und wird vermutlich noch kürzer in den kommenden Monaten. Die Unsicherheit am Markt führt dazu, dass Geschäfte ausgesetzt werden. Unternehmen schrecken vor den hohen Kreditzinsen zurück und Anleger vor dem Wert der Unternehmensfinanzen.
Was können Investoren tun?
"Die Konservativsten unter ihnen sollten sich einfach vom Hochzins- und Unternehmensanleihe-Bereich fernhalten. Zuversichtlichere Anleger sollten sich nach Fonds umsehen, bei deren Investmentstrategien derivative Instrumente eingesetzt werden und Short-Positionen aufgebaut werden um von sinkenden Aktienpreisen zu profitieren. Bevor sich die Bedingungen am Markt für Unternehmensanleihen wieder bessern, wird es noch eine ganze Weile dauern. Möglicherweise ist der Sommer eine günstige Zeit, um wieder einzusteigen. Zweifellos wird es auch schon vorher am Markt oder bei einzelnen Unternehmen taktische Gelegenheiten für Kaufpositionen geben, aber bis dahin ist der Markt wahrscheinlich noch nicht an seinem Tiefpunkt angelangt – wir haben noch eine gute Strecke vor uns", so die Meinung von Bob Michele abschließend.
Zu Bob Michele, Leiter festverzinsliche Papiere bei Schroders:
Bob Michele verfügt über 26 Jahre Erfahrung im Investmentbereich, vor allem in der Verwaltung von Rentenfonds, und ist ein zertifizierter Finanzanalyst (CFA). Bob Michele kam 1998 zu Schroders und ist dort seit sechs Jahren Leiter des globalen Rentenfonds-Teams.