Robeco ist schon seit langem ein Pionier im Bereich Quant Fixed Income. Wie kam es dazu und was war damals das Ziel unserer Teams?
Olaf Penninga: „Zu Beginn meiner Tätigkeit bei Robeco im Jahre 1998 arbeitete ich als quantitativer Research-Mitarbeiter. Zu jener Zeit suchten wir nach systematischen Methoden zur Prognose der Entwicklung von Staatsanleihen. Wir fanden heraus, dass die Märkte für Staatsanleihen von einigen fundamentalen Faktoren getrieben werden, darunter Wirtschaftswachstum und Inflation, und dass man die Erwartungen der Anleger in Bezug auf diese Größen erfassen muss. Wir stellten außerdem fest, dass sich die Anlegererwartungen am besten aus Informationen aus anderen Finanzmarktsegmenten ableiten lassen.“
„Beispielsweise kann man Informationen über das erwartete Wirtschaftswachstum aus dem Aktienmarkt und Informationen über die Inflationserwartungen aus dem Ölpreis ableiten. Dabei war die Datenverfügbarkeit damals ein größeres Problem als heute. So wollten wir uns auf die Total Return-Aktienindizes von MSCI stützen, die jedoch noch nicht am ersten Arbeitstag des Monats verfügbar waren. Daher mussten wir bis zum zweiten Arbeitstag warten, um unser Modell damit zu füttern. Heutzutage sind diese Daten natürlich wesentlich schneller verfügbar.“
Welche Überlegung steckte hinter der Entwicklung des Durationsmodells? Hatte dies mit Kosten zu tun?
Olaf Penninga: „Nein, es ging nicht darum, Kosten zu senken. Wir wollten vielmehr ein Hilfsmittel schaffen, das fundamental orientierten Anleiheninvestoren bei ihren Anlageentscheidungen unterstützt. Jedoch stellten wir im Lauf der Zeit fest, dass die besten Signale häufig solche waren, die fundamental ausgerichtete Anleger am wenigsten in Betracht zu ziehen bereit waren – entweder weil sie diese nicht für intuitiv hielten oder es zu schwierig war, sie mit ihren Einschätzungen in Einklang zu bringen.“
„Ich kann mich daran erinnern, als die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen zum ersten Mal auf 4 % fiel, das war Anfang der 2000er Jahre. Zum damaligen Zeitpunkt erschienen einem das als ein unglaublich niedriges Niveau. Dennoch lieferte unser Modell positive Signale zu US-Anleihen. Als ich unseren Fondsmanagern sagte, dass unser Modell ein Kaufsignal für US-Anleihen liefert, wiesen sie mich ab und forderten mich auf, die Berechnungen neu anzustellen.“
„Heute wissen wir alle, dass die Anleihenrenditen auch unter 4 % fallen können. Doch weil viele Marktteilnehmer derselben Auffassung waren, wurden sie allesamt auf dem falschen Fuß erwischt. Man kann gutes Geld damit verdienen, als erster eine solche Entwicklung vorwegzunehmen. Solche Situationen waren immer wieder zu beobachten. Erinnern Sie sich daran, als sich die Rendite 10-jähriger deutscher Staatsanleihen im Jahr 2014 der Marke von 1 Prozent näherte? Damals stand es für viele Anleger außer Frage, dass die Rendite nicht unter 1 Prozent fallen würde. Nun, heute ist sie sogar negativ.“
„Letztlich zeigte sich, dass es schwierig ist, quantitative Signale in eine fundamentale Anlagestrategie zu integrieren. Aus diesem Grund beschlossen wir Anfang 1998, das Modell als eigenständige Strategie zu verwenden. Das hat sich wirklich gelohnt. Ein wesentlicher Grund dafür ist der, dass die Strategie uns dazu zwingt, uns an nachgewiesene Treiber der Marktentwicklung zu halten – vor allem dann, wenn viele Anleger geneigt sind, davon abzuweichen. Dieser Ansatz hat sich im Zeitverlauf zunehmend etabliert und ist mittlerweile bei Aktienanlagen ein Standard. Zum damaligen Zeitpunkt war das jedoch wirklich außergewöhnlich.“
Quantitative Ansätze haben bei Anleihen erst wesentlich später Fuß gefasst als bei Aktien. Liegt das nur daran, dass keine ausreichenden Daten verfügbar waren, oder gibt es andere Gründe?
Olaf Penninga: „Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Forscher, die in den frühen 1970er Jahren Faktoren am Aktienmarkt untersuchten, auch Staatsanleihen betrachteten. Dabei fanden sie bei letzteren Hinweise auf ähnliche Effekte. So stammen die ersten Publikationen, in denen ein Low Risk-Effekt bei Staatsanleihen beschrieben wird, ebenfalls aus den 1970er Jahren. Allerdings wurde das Research in dieser Richtung nicht wesentlich weiter vorangetrieben. Die Faktoreffekte waren bekannt, jedoch hat es länger gedauert, bis entsprechende Faktorstrategien aufgelegt wurden.“
„Bei Unternehmensanleihen hat das meines Erachtens eindeutig mit der Datenverfügbarkeit zu tun. Zudem hat die Entwicklung der europäischen Märkte für Unternehmensanleihen auch länger gedauert. Bei Staatsanleihen ist aus meiner Sicht relevant, dass die Marktteilnehmer dieses Segment eher aus Top-Down-Perspektive zu betrachten pflegten. Unterdessen wissen wir jedoch, dass dieselben gut dokumentierten Faktoren wie Value, Momentum und Low Risk, die wir bei Aktien ausnutzen, auch bei Staatsanleihen gegeben sind.”
Zu den wichtigsten Kritikpunkten in Zusammenhang mit Factor Investing-Research gehört das Risiko falscher Signale und allgemein die Risiken von Data Mining. Dieses Risiko scheint bei Anleihen noch gravierender zu sein, da wir dort nur über eine kürzere Datenhistorie und kleinere Datensätze verfügen. Wie stellen wir sicher, dass wir die Risiken von Data Mining vermeiden?
Olaf Penninga: „Erstens, indem wir uns an unsere Anlagephilosophie halten. Wir suchen nach Faktoren mit einer eindeutigen ökonomischen Logik, um ihre Wirkungsweise zu verstehen. Faktoren wie Value und Momentum finden sich in allen Anlageklassen und über lange Zeiträume, wobei die Begründungen einander ähneln. Das ist auch nicht verwunderlich, da diesen Effekten an den Märkten für Aktien, Unternehmensanleihen, Staatsanleihen Währungen usw. dieselben verhaltensbedingten Ursachen zugrunde liegen. Außerdem bemühen wir uns weiterhin um lange Datenreihen, um unsere Beobachtungen gegebenenfalls falsifizieren zu können. Wir unterziehen alles, was wir tun, einer kritischen Prüfung. Diese Dinge zusammengenommen machen uns zuversichtlich, dass es sich bei den von uns genutzten Faktoren um reale Phänomene handelt und nicht um zufällige Erscheinungen in überangepassten Datensätzen.“
Welche Researchthemen stehen derzeit bei Ihnen im Fokus?
Olaf Penninga: „Wir legen aktuell den Fokus auf Faktorstrategien für Staatsanleihen. Die Vorarbeiten dafür sind bereits abgeschlossen. Nun untersuchen wir, wie wir auf effiziente Weise Multifaktor-Portfolios für Staatsanleihen bilden und sie mit anderen Multifaktor-Anleihenportfolios kombinieren können. Außerdem entwickeln wir faktorbasierte Alternativen zu passiven Anleihenstrategien analog zu unseren Enhanced Indexing-Produkten für Aktien.“
„Gleichzeitig testen wir weiterhin die Ergebnisse unseres Durationsmodells anhand zunehmend längerer historischer Datenreihen. Damit wollen wir zeigen, dass das Modell nicht nur in Phasen fallender Renditen funktioniert, wie das in den letzten Jahrzehnten der Fall war, sondern auch bei steigenden Renditen. Auf diese Weise können wir sicherstellen, dass die Ergebnisse unserer Simulationen nicht lediglich ein zufälliges Resultat von Data Mining sind.“
„Ähnliche Untersuchungen haben wir bereits vor einigen Jahren durchgeführt. Damals haben wir bis in die 1950er Jahre zurückreichende Zeiträume betrachtet, allerdings nur anhand von Daten für die US-Märkte. Diesmal haben wir unsere Perspektive auf den globalen Markt erweitert, wiederum anhand eines Datensatzes, der bis in die 1950er Jahre zurückreicht. Die Ergebnisse bestätigen, dass das Modell über Regionen hinweg eindeutig Mehrwert liefert, und zwar auch in längeren Phasen steigender Renditen.“
An den Anleihenmärkten ist es in den letzten 20 Jahren zu enormen Veränderungen gekommen. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?
Olaf Penninga: „Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Auch wenn wir das Durationsmodell seit mehr als zwei Jahrzehnten nutzen, verfeinern wir es laufend. So unglaublich das klingen mag, sind auch nach 20 Jahren immer noch einige Fragen offen. Das liegt zum Teil daran, dass die Anleihemärkte einem laufenden Wandel unterliegen. Zum einen hat das Aufkommen passiver Anlagen bei Anleihen dazu geführt, dass sich einige vorhersagbare Muster wie Trendfolgeverhalten etabliert haben, aber auch kurzfristige Gegenbewegungen wie in anderen Anlageklassen ebenfalls.“
„Die Umkehr von Trends ist etwas, das wir bei der Umsetzung des Trendsignals aus dem Durationsmodells vermeiden wollen, weshalb wir dieses entsprechend angepasst haben. Das in den Daten enthaltene Muster ist nicht eindeutig und verlässlich genug, um sich als alleinige Variable darauf zu stützen. Doch stellen wir zumindest sicher, dass unsere Trendvariable die Umkehr von Trends vermeidet. Dies veranschaulicht, dass wir unsere Modelle weiterhin an sich vollziehende Änderungen an den Märkten anpassen müssen.“