Die Weltwirtschaft ist abrupt zum Stillstand gekommen, was akute Liquiditätsprobleme mit sich bringt. Die Regulierungsbehörden, die Notenbanken und die Regierungen haben in den letzten Wochen weit rascher und entschlossener gehandelt als während der globalen Finanzkrise. Und im Unterschied zu damals sind die Banken in dieser Krise nicht der eigentliche Grund dafür. Stattdessen werden sie aus unserer Sicht als Teil der Lösung benötigt. Das eröffnet Chancen bei Anleihen aus dem Finanzsektor – auf selektiver Grundlage.
Es handelt sich nicht um eine Bankenkrise
Verglichen mit der Situation während der globalen Finanzkrise stellen sich die Lage des Bankensektors und das Umfeld für Bankgeschäfte nun deutlich anders dar.
Die Banken verfügen heute über weit mehr Kapital, sind besser finanziert und besitzen mehr Liquidität. Aus Makrosicht hat die Reaktion der Politik insgesamt die Finanzmärkte unterstützt. Regulierungsbehörden, Notenbanken und Regierungen haben rasch und entschlossen gehandelt, und das in ungewöhnlichem Konsens. Im Euroraum bietet die EZB starke Unterstützung für Banken (LTROs), für südeuropäische Staatsanleihen (PEPP) und auch für Unternehmensanleihen (CSPP). Des Weiteren hat die Fiskalpolitik großvolumige Unterstützungspakete für die Wirtschaft sowie für kleine und mittlere Unternehmen angekündigt. Diese entsprechen beispielsweise in Deutschland bis zu 20 % des BIP.
Dieses Mal stehen die Banken in der allgemeinen Wahrnehmung nicht im Mittelpunkt der Krise. Vielmehr sind die Banken von wesentlicher Bedeutung für die Weiterreichung von Liquidität an die Realwirtschaft. Von daher wird die Finanzbranche von Politik und Regulierung weit positiver gesehen. Nachdem die Regulierungsbehörden im Anschluss an die globale Finanzkrise mit den Banken hart ins Gericht gegangen sind, besteht aus unserer Sicht nun Spielraum für eine Lockerung des regulatorischen Regimes für die Banken.
Tatsächlich waren bereits mehrere Beispiele für sogenannte „Forbearance-Maßnahmen“ zu beobachten, von denen die Banken profitieren. Die EZB und die lokalen Regulierungsbehörden haben die Kapitalanforderungen für die Banken effektiv verringert, indem sie die erforderlichen Kapitalpolster angepasst haben. Außerdem hat die EZB angedeutet, dass sie den Banken erlaubt, vorübergehend unterhalb der Mindestanforderungen zu operieren. Dies ist ein ermutigendes Zeichen dafür, dass es keine Pläne für eine Verlustbeteiligung („Bailing-In“) der Banken gibt. Zudem würde ein „Bailing-In“ von Banken aus unserer Sicht nicht zur Verbesserung der derzeitigen wirtschaftlichen Situation beitragen.
Hilfen für die Banken zur Stützung der Wirtschaft
Weitere „Forbearance“-Maßnahmen beziehen sich auf das Timing von Rückstellungen für Kreditausfälle in der GuV der Banken und die Verbuchung notleidender Kredite. Solche Maßnahmen helfen dabei, notleidende Kredite und entsprechende Rückstellungen über einen längeren Zeitraum zu verteilen. Noch wichtiger ist, dass die Banken Spielraum dafür erhalten, solide Unternehmen vor einem Ausfall infolge eines akuten Einbruchs der Wirtschaftstätigkeit zu bewahren. Zusammengefasst erhalten die Banken die nötige regulatorische Flexibilität, um als Teil der Lösung zu agieren.
Trotz dieser relativ positiven Einschätzung in einem äußerst turbulenten Umfeld bestehen nach wie vor Bedenken. Auf längere Sicht, jenseits des Horizonts der aktuellen Krise, scheinen die Verflechtungen zwischen Staaten und Banken abermals zuzunehmen. Die Kosten für die aktuellen außergewöhnlichen Stützungsmaßnahmen werden wahrscheinlich in Zukunft in Form zusätzlicher direkter Schuldenaufnahme zutage treten und zu größeren Positionen in Staatsanleihen beispielsweise führen. Es besteht auch ein erhöhtes Risiko, dass durch die aktuellen Eindämmungsmaßnahmen ein Umfeld entsteht, dass für die Banken potentiell schädlich ist – etwa in Form anhaltend niedriger Zinsen. Das bedeutet, dass durch die derzeit ergriffenen Maßnahmen die Eigenkapitalrenditen im Bankensektor langfristig sinken könnten. Dies stellt allerdings eher ein Problem aus Sicht der Aktienmärkte als für Anleiheninvestoren dar.
Können die Banken mit der derzeitigen Abschwächung zurechtkommen?
Während die fundamentale Situation Anlass zu einer gewissen Hoffnung gibt, hat das Tempo der Änderung der Lage im Finanzsektor einige zentrale Fragen aufgeworfen. Wie sind insbesondere die Risiken einer Streichung von Kuponzahlungen bei Additional Tier 1-Anleihen (AT1-Anleihen, auch als CoCo Bonds bekannt) und werden Emittenten ihre Anleihen kündigen?
In seiner Prognose für die europäische Wirtschaft im Jahr 2020 geht das Makroteam von Robeco von einem Basisszenario aus, in dem das reale BIP um 5 % schrumpft – das wäre ein beträchtlicher Dämpfer. Außerdem muss man die Konsequenzen eines drastisch geringeren Ölpreises einbeziehen. Der bedeutendste erste Effekt aus dem Zusammenwirken des Coronavirus und des Ölpreisrückgangs wird bei den Kreditausfällen zu beobachten sein. Dabei gehören die Bereiche Öl & Gas, Metalle & Bergbau, Transport & Logistik sowie Gastgewerbe zu den anfälligsten Sektoren. Im Schnitt sind europäische Banken mit rund 5 % ihrer Kreditforderungen gegenüber diesen Sektoren exponiert.
Ein weiterer Effekt des Wirtschaftseinbruchs wird die Eintrübung des Ertragsumfelds sein. Dabei stellen niedrigere Zinsen den bedeutendsten negativen Faktor dar. Wir rechnen damit, dass die Nettozinsmargen der Banken für längere Zeit zurückgehen werden. Das Kreditwachstum und die Gebühreneinnahmen werden ebenfalls unter einem Rückgang der Wirtschaftstätigkeit leiden.
Mit Fokus auf die Risiken europäischer Banken analysiert das Anleihenanalysten-Team von Robeco die Verlusttragfähigkeit von Banken mithilfe von Stresstests. Dabei untersuchen wir, wie die Bankbilanzen auf ein Umfeld hohen Drucks reagieren. Ziel ist dabei, die Breakeven-Kosten des Risikos zu ermitteln und dieses mit Kreditausfall-Szenarien abzugleichen, die denen in der großen Depression entsprechen. Das Ergebnis ist, dass Banken in einem solchen Stress-Szenario ihr „First-Loss Piece“ vollständig verbrauchen, was ihrem „Pre-Provisioning Profit“ entspricht. Dies impliziert, dass die Banken derzeit in etwa auf Breakeven-Niveau operieren und ihre Dividenden streichen müssen.
But, for bond holders, the important point is that banks have ample distance to their respective Maximum Distributable Amount (MDA). This is the level at which regulators automatically restrict earnings distribution, and is triggered if a bank's total capital falls below the sum of its Pillar 1, Pillar 2 and other buffer requirements.
Das bedeutet nach derzeitigem Stand, dass die Banken weiterhin AT1-Kupons zahlen können. Die entsprechende Analyse wurde für die meisten großen europäischen Banken vorgenommen, die allesamt ein ähnliches Ausmaß an Widerstandsfähigkeit aufweisen.
Außerdem fokussiert sich der politische Druck seitens der Regulierungsbehörden auf Dividendenzahlungen und Boni, nicht auf die Einstellung von AT1-Kuponzahlungen, da die letztgenannten innerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung einer Bank relativ unbedeutend sind. Da sich die Streichung von AT1-Kupons nicht auf dem Radar der Politik befindet, wird das wahrscheinlich auch bei den Regulierungsbehörden nicht der Fall sein.
Chancen im Finanzsektor
Die Märkte für Unternehmensanleihen haben im März in beispielloser Weise reagiert und preisen derzeit eine tiefe Rezession ein. Zu einer übertriebenen Kursreaktion kam es aufgrund eines Mangels an Liquidität an den globalen Märkten für Unternehmensanleihen. Das Geschwindigkeit des Sell-Offs war beispiellos und die Spreads sind jetzt auf einem Niveau, das man selten gesehen hat. Dies hat im Bankensektor interessante Bewertungschancen über die gesamte Kapitalstruktur hinweg geschaffen. Es ist allerdings essentiell, selektiv vorzugehen. Auch wenn wir kein umfassendes „Bailing in“ im Finanzsektor erwarten, sind solche Maßnahmen in Einzelfällen nicht auszuschließen. Von daher ist die Emittentenauswahl entscheidend, um von den extremen Bewertungschancen zu profitieren, die sich bei Bankanleihen ergeben haben.