Robeco-Stratege zu Chinas politischem Muskelspiel

Das harte politische Durchgreifen der chinesischen Regierung soll Ungleichheit verringern und populistischen Gefahren begegnen. Doch das politische Muskelspiel zur Problembekämpfung dürfte Anleger vorsichtig stimmen, zumindest bis die Binnenwirtschaft wieder Fahrt aufnimmt. Peter van der Welle, Multi Asset-Manager und Strategieexperte bei Robeco, setzt Aktien aus China und anderen Schwellenländern auf neutral. Robeco | 12.01.2022 17:30 Uhr
Peter van der Welle, Multi Asset-Manager und Strategieexperte bei Robeco / © e-fundresearch.com / Robeco
Peter van der Welle, Multi Asset-Manager und Strategieexperte bei Robeco / © e-fundresearch.com / Robeco
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Chinas Regierung hat mehrere drastische politische Maßnahmen ergriffen und ein Programm des „Gemeinsamen Wohlstands“ aufgelegt, um den wichtigsten Gefahren sowohl für das Wachstum als auch für die innenpolitische Stabilität zu begegnen. Allerdings ist noch offen, inwieweit sich diese Maßnahmen als effektiv erweisen werden. Da der Einfluss des Landes weit über seine Grenzen hinausreicht, hat das Multi Asset-Team von Robeco in seinen Portfolios eine neutrale Position gegenüber Aktien aus China und anderen Schwellenländern eingenommen.

Im Jahr 2022 dürfte China die größte Beachtung bei Anlegern finden, selbst wenn man die im Februar in Peking stattfindenden Olympischen Winterspiele außer Acht lässt. In den letzten zehn Jahren hat China für sich genommen rund 30 bis 40 Prozent zum jährlichen Wachstum der Weltwirtschaft beigetragen und 2020 die globale Konjunktur auf den Erholungspfad zurückgebracht.

Wachstumsmotoren stottern

Im Jahr 2021 ging der Beitrag des Landes zum globalen Wachstum infolge einer politisch gewollten Abschwächung der Binnenkonjunktur stark zurück, während die entwickelten Volkswirtschaften aufholten. Die zentralen binnenwirtschaftlichen Wachstumsmotoren – die Sektoren Immobilien, Industrie und Infrastruktur – sind in jüngster Zeit ins Stottern geraten.

Da im Westen die geld- und fiskalpolitischen Impulse im Lauf des Jahres 2022 nachlassen dürften, wird Chinas Wachstumspfad umso wichtiger für die globale Wirtschaft werden. Anleger sollten sich jetzt mehr denn je die Frage stellen: Was plant die chinesische Führung für 2022?

Chinas Wirtschaftsmacht ist so bedeutend, dass sich selbst kleinere Schwankungen des Wachstumspfads auf andere asiatische Länder auswirken. In den vergangenen Jahren haben sich Schwellenländeraktien schwächer entwickelt als ihre Pendants aus entwickelten Staaten. Dies hat sie für Multi Asset-Portfolios weniger interessant gemacht.

Gemeinsamer Wohlstand

Ein Problem liegt in der ungleichen Verteilung des Wohlstandszuwachses des Landes, weshalb die Regierung ihr Programm „Gemeinsamer Wohlstand“ einführte. China möchte auch die Wohlfahrt für die Ärmsten verbessern, um etwaige soziale Unruhen zu vermeiden, die das Regime bedrohen könnten.

Hinsichtlich der ungleichen Verteilung der Vermögen befindet sich die chinesische Gesellschaft annähernd auf dem Niveau der USA. So besitzen die reichsten 1 Prozent der Haushalte ein Drittel des Vermögens des Landes. Präsident Xi Jinping befürchtet daher, dass es zulasten der Mittelschicht gehen wird, wenn diese Ungleichheit fortbesteht.

Dies könnte zu einer Polarisierung und einer Art Populismus wie in den USA führen und die Kommunistische Partei bedrohen. Das politische Establishment in China ist sich bewusst, dass die Hauptprobleme des Landes hausgemacht sind. Dazu zählen eine sehr hohe Verschuldungsquote von 270 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Alterung der Bevölkerung, die das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Transferempfängern allmählich verschlechtert, sowie steigende Umweltkosten.

Die Umsetzung ist entscheidend

Um diesen langfristigen Problemen gerecht zu werden, konzentriert sich das Programm des „Gemeinsamen Wohlstands“ auf die drei problematischsten Sektoren. Die Umsetzung ist entscheidend. So haben die Politiker die Regulierung in Sektoren wie Immobilien, Technologie und Bildung verschärft, in denen es erhebliche Konzentrationen von Vermögen und Marktmacht gibt.

Beispielsweise hat die Politik der „Drei roten Linien“ der chinesischen Notenbank, die für Unternehmen eine Quote aus Verbindlichkeiten und Assets von weniger als 70 Prozent, einen Verschuldungsgrad von unter 100 Prozent sowie eine Relation aus Liquidität und kurzfristigen Verbindlichkeiten von mehr als 1 umfasst, einen Abbau der Verschuldung im Immobiliensektor erzwungen. Das bekannteste Opfer dieser Vorgaben war der Immobilienkonzern Evergrande, bei dem nun eine Restrukturierung der Schulden beginnt.

Erfolg schwer zu beziffern

Es stellt sich die Frage, ob der regulatorische Zwang erfolgreich war und ob die Anleger eine Lockerung der staatlichen Interventionen im Unternehmenssektor im Jahr 2022 erwarten können. Dies wäre ein gutes Omen für Aktien aus China und anderen Schwellenländern.

Doch der Erfolg ist schwer zu beziffern, da die Indizien kein eindeutiges Bild ergeben. Der anhaltende Abschwung bei den Eigenheimverkäufen und den Hauspreisen in China infolge der verschärften Regulierung beeinträchtigt das Wachstum des Binnenkonsums, da der Wohlstandseffekt unterminiert wird.

In der Vergangenheit gab es eine ausgeprägte positive Korrelation zwischen dem Wachstum des Konsums in China und den inländischen Häuserpreisen, da der größte Teil des Vermögens der Haushalte auf Immobilien entfällt.

Coronavirus nicht vom Tisch

Unterdessen hält die Coronavirus-Pandemie weltweit an. Sie wird nun von der Omikron-Variante angeführt mit einer neuen Welle von Lockdowns. Angesichts der chinesischen Nulltoleranz-Strategie und Anzeichen für die mangelnde Wirkung des Sinovac-Impfstoffs gegen die Omikron-Variante (selbst nach einer Auffrischungsimpfung) könnte die Lockdown-Intensität in China auf kurze Sicht wieder zunehmen. Dies könnte die Binnennachfrage zusätzlich beeinträchtigen, selbst während der näher rückenden Olympischen Winterspiele. Die chinesische Politik muss Agilität und Kompetenz an den Tag legen, um mit all diesen Abwärtsrisiken für das Wachstum zurechtzukommen.

Sanfte konjunkturelle Landung bewerkstelligen

Um seine Glaubwürdigkeit als sozialistischer Führer im Vorfeld des Parteitags im Jahr 2022 zu unterstreichen, dürfte Präsident Xi die soziale Stabilität sicherstellen wollen, indem er kurzfristig eine sanfte Landung der Konjunktur bewerkstelligt.

Die naheliegendsten politischen Instrumente dafür: eine Lockerung der Geldpolitik durch eine weitere Senkung der Mindestreserveanforderungen, eine Bodenbildung beim Kreditimpuls im ersten Halbjahr 2022 sowie der Einsatz fiskalpolitischer Anreize und eine Lockerung der Regulierung im Wohnungsbaubereich.

Die chinesische Notenbank und das Finanzministerium haben sich bereits Ende Dezember bereit erklärt, ein stabiles Wachstum sicherzustellen. So deuteten sie Steuersenkungen sowie die Bereitstellung angemessener und beträchtlicher Liquidität an.

Das endgültige Urteil steht noch aus

Wird das ausreichen? Auch wenn es immer wahrscheinlicher wird, dass die Themen Schuldenabbau, Dekarbonisierung und Bremsen des Immobilienpreisanstiegs im Jahr 2022 in den Hintergrund rücken – unsere Haltung bleibt abwartend.

Während die geopolitischen Spannungen mit den USA zunehmen (speziell im Hinblick auf Taiwan), besteht für Präsident Xi nach wie vor ein Anreiz, die Produktivität der Binnenwirtschaft rechtzeitig zu steigern, indem er seine straffe Interventionspolitik fortführt.

Das Programm des Gemeinsamen Fortschritts ist kein vorübergehendes Ereignis. Für Anleger bedeutet dies erhebliche Unsicherheit. Ein weiteres Hemmnis ist die Möglichkeit, dass die Omikron-Variante im Umfeld der Olympischen Winterspiele umfangreiche Lockdowns nach sich zieht.

Für uns gilt daher: Auch wenn Chinas Politik die Muskeln spielen lässt, ist nicht ausgemacht, ob sie damit noch etwas bewirken kann. Wir bleiben daher vorerst neutral gegenüber Aktien aus China und anderen Schwellenländern positioniert.

Peter van der Welle, Multi Asset-Manager und Strategieexperte bei Robeco

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