Hauptversammlungssaison: Stärkerer Akzent auf sozialen Themen bei Abstimmungen

Soziale Themen werden im Rahmen der anstehenden Hauptversammlungssaison eine höhere Priorität genießen, sagen die Corporate Governance-Spezialisten von Robeco. Robeco | 03.03.2022 15:40 Uhr
© Photo by Hannah Busing on Unsplash
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In aller Kürze

  • Soziale Themen haben im Rahmen von ESG bisher weniger Aufmerksamkeit als Umwelt und Governance erhalten
  • Geschlechtergerechtigkeit, Rassendiskriminierung und Menschenrechte müssen stärker in den Fokus rücken
  • Das Abstimmungsverhalten kann dazu beitragen, das Geschäftsgebaren zu ändern, und ist Teil der treuhänderischen Pflichten

Während Umweltaspekte im Zusammenhang mit Maßnahmen gegen die globale Erwärmung hohe Priorität besessen haben und das Thema Governance traditionell hoch auf der Agenda von Unternehmen angesiedelt ist, werden soziale Aspekte im Rahmen der Hauptversammlung häufig stiefmütterlich behandelt, sagen Michiel van Esch und Antonis Mantsokis.

Jedoch sind soziale Themen wie die Erreichung von Gleichbehandlung der Geschlechter, Zahlung existenzsichernder Löhne und Sicherstellung gesunder Arbeitsplätze zunehmend entscheidend für den Unternehmenserfolg, sagen sie. Eine Möglichkeit, dem Rechnung zu tragen, bietet die Hauptversammlungssaison zwischen Februar und Mai, während der die Anleger auf den Hauptversammlungen der Unternehmen ihr Stimmrecht ausüben.

„Soziale Themen haben in der Vergangenheit im Rahmen der Stimmrechtsvertretung wenig Aufmerksamkeit gefunden. Bei den meisten Hauptversammlungen standen Themen mit Bezug zu Umwelt und Governance auf der Agenda im Fokus”, sagt Van Esch. „Das Thema Klimawandel ist mittlerweile so vordringlich, dass die Investoren schnell mit Plänen zur Dekarbonisierung aufwarten.“

„Beim Thema Governance war es schon immer leicht, seine finanzielle Relevanz für die Anleger darzulegen. Tatsächlich sind viele Governance-Praktiken darauf ausgerichtet, im besten Interesse der Aktionäre zu sein. Doch aus irgendeinem Grund muss im Hinblick auf soziale Themen deren finanzielle Relevanz noch nachgewiesen werden.“

Doppelte Relevanz

Zahlreiche Studien legen den Fokus darauf, ob Diversität höhere Unternehmensgewinne nach sich zieht oder ob das Zahlen existenzsichernder Löhne etwaige Vorteile für die Aktionäre hat. „Dies stellt aber nur eine Seite des Aspektes dar“, sagt Van Esch. „Die Bedeutung sozialer Themen lässt sich aus dem Blickwinkel der doppelten Relevanz besser verstehen. Dabei kommen sowohl finanzielle Wichtigkeit als auch Prominenz zusammen.“

„Zu beobachten ist dies beispielsweise im Technologiesektor, wo prominente Menschenrechtsthemen wie Schutz der Privatsphäre und Meinungsfreiheit mit wesentlichen Gefahren wie regulatorischen Risiken und öffentlichen Untersuchungen einhergehen. Deshalb ist es sowohl aus geschäftlicher Sicht sinnvoll als auch im besten Interesse der Gesellschaft, wenn man das Board eines Technologieunternehmens auffordert, die Kontrolle der Einhaltung der Menschenrechte zu verbessern.“

Die Macht der Stimmabgabe

Anleger haben vermehrt ESG-Themen bei den Unternehmen zur Sprache gebracht, die diesbezüglich häufig zögerlich waren, bis sie darauf hingewiesen wurden. Aktionäre können gegen die Bestätigung von Direktoren stimmen, die Genehmigung von Vergütungspaketen im Rahmen des „Say on Pay“ ablehnen und Anträge einreichen, die bestimmte Veränderungen in der Unternehmenspolitik verlangen. Die meisten davon fokussierten sich auf Themen mit Bezug zu Umwelt oder Governance, doch das ändert sich derzeit.

„In den letzten fünf Jahren war zu beobachten, dass Aktionäre Themen mit Bezug zum Personalmanagement ansprachen, indem sie entsprechende Anträge auf den Hauptversammlungen zahlreicher Unternehmen einbrachten“, sagt Mantsokis. „In der letztjährigen Hauptversammlungssaison stimmten wir für 96 % der Aktionärsanträge zu sozialen Themen.“

„Während der Coronavirus-Pandemie ist der schwache Arbeitsschutz von Arbeitnehmern deutlich geworden, die während der Lockdowns noch verletzlicher wurden. Mittlerweile werden von Anleger soziale Themen auch im Hinblick auf Unternehmenspraktiken angesprochen.“

„So reichten Aktionäre Anträge ein, in denen die Unternehmen dazu aufgefordert wurden, über Initiativen zur Verringerung von sexueller Belästigung, ihre Anstrengungen im Hinblick auf Diversitätsziele und Inklusion sowie ihre allgemeine Mitarbeiterpolitik zu berichten.“

Zunehmende Unterstützung

Diese Art von Anträgen mit sozialen Bezug haben zunehmende Unterstützung seitens der Aktionäre erfahren. So stimmte nach Angaben des Proxy Advisory-Dienstleisters Glass Lewis im Jahr 2020 ein Durchschnitt von 45 % dafür, während es 2020 lediglich 17 % waren. Dies deutet darauf hin, dass Anleger die Wichtigkeit dieser Themen anerkennen und dass die Unternehmen diesbezügliche Schritte unternehmen müssen.

Das Thema Geschlechtergerechtigkeit wird von Anlegern inzwischen zunehmend angesprochen. „Seit 2015 gab es mehr als 60 Fälle, in denen Aktionäre Anträge eingereicht haben, die den Fokus nicht nur auf das Thema Gender Pay Gap, sondern auch auf Racial Pay Gaps legten“, sagt Mantsokis.

„Im Rahmen der Anträge wurden die Unternehmen aufgefordert, etwaige Ungleichbehandlungen offenzulegen, was die Bezahlung von Männern und Frauen mit gleichen Tätigkeiten und Qualifikationen angeht. Wir glauben, dass die Bereitstellung umfassender Daten, einschließlich Informationen zu Gender Pay Gaps und mehr Transparenz dazu führen würden, dass mehr weibliche Mitarbeiter auf höhere Führungspositionen befördert werden.“

„Gleichzeitig würde dadurch die Produktivität steigen und eine faire Behandlung in der Belegschaft unabhängig vom Geschlecht gewährleistet. Daher werden wir weiterhin Anträge unterstützen, die auf eine bessere Berichterstattung zu diesem Thema abzielen.“

Fokus auf Rassengleichheit

Die „Black Lives Matter“-Bewegung, die ursprünglich einen Protest gegen Polizeigewalt in den USA darstellte, hat mittlerweile die Frage aufgeworfen, ob die Geschäftstätigkeit von Unternehmen auch Schwarze oder andere Minderheiten beeinträchtigt.

„In der Hauptversammlungssaison 2021 haben zahlreiche Aktionärsvertreter und Investoren Anträge mit einem Fokus auf Rassengleichheit eingereicht“, sagt Van Esch. „Sie forderten die Unternehmen (vorwiegend aus dem Finanzsektor) dazu auf, interne Untersuchungen in Bezug auf Rassengleichheit vorzunehmen, um zu ermitteln, inwieweit ihre Geschäftsaktivität möglicherweise „negative Auswirkungen auf nicht-weiße Stakeholder und Farbigen-Communities“ hat.“

„Daneben gab es weitere Anträge, in denen einige Technologieunternehmen aufgefordert wurden anzugeben, ob sie über schriftliche Leitlinien oder nicht schriftlich fixierte Normen verfügen, die zur Verstärkung von Rassismus führen, oder ob diese Unternehmen beabsichtigen, die soziale Gerechtigkeit zu fördern.“

Eine weitergefasste Perspektive

Obwohl viele dieser Anträge starke Unterstützung seitens der Aktionäre erhielten, wurden nicht alle angenommen. Lediglich 11 % der Investoren stimmten einer entsprechenden Resolution bei einem großen Technologieunternehmen zu, bei einem Gesundheitskonzern waren es 38 %. Die Aufsichtsbehörden und die Teilnehmer auf den Aktienmärkten gehen mittlerweile offensiver vor und nehmen einen weitergefassten Blickwinkel im Hinblick darauf ein, was das Thema Diversität umfasst und was sie von den Unternehmen erwarten.

„In Ländern wie Großbritannien und den Vereinigten Staaten beobachten wir mittlerweile, dass sich Best Practices herausbilden, die in punkto Diversität über den Aspekt der Geschlechtergerechtigkeit hinausgehende Anforderungen stellen“, sagt Mantsokis. Beispielsweise hat die US-Technologiebörse Nasdaq die dort gehandelten Unternehmen aufgefordert, über die Zusammensetzung ihrer Boards jenseits der Gender-Thematik hinaus Bericht zu erstatten. Sie verlangt von den Boards außerdem, Mitglieder zu ernennen, die sich selbst als Angehöriger einer rassischen Minderheit oder als Mitglied der LGTBQ-Community bezeichnen.

Due Diligence-Prüfung

Eine eingehende Prüfung hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte bietet Unternehmen eine Möglichkeit, potentielle und tatsächliche Risiken vorausschauend zu handhaben. Diesbezüglich besteht in vielen Sektoren Verbesserungspotential. Beinahe die Hälfte der Unternehmen, die von der Corporate Human Rights Benchmark untersucht wurden, welche ein Ranking globaler Unternehmen in Bezug auf diesen Aspekt vornimmt, können im Hinblick auf Anstrengungen zur Prüfung der Einhaltung der Menschenrechte nichts vorweisen.

Ein Ansatz zur Erzielung von Verbesserungen kann darin bestehen, Investoren dazu aufzurufen, im Rahmen ihrer treuhänderischen Verpflichtung Unternehmen, die in diesem Punkt keine Abhilfe schaffen, zur Rechenschaft zu ziehen. Auch wenn es ein wesentlicher ESG-Aspekt ist, findet das Thema Menschenrechte normalerweise seinen Weg in die Hauptversammlung nur über Anträge von Aktionären.

„Dieses Jahr haben wir dem Thema eine größere strukturelle Bedeutung bei unserem Abstimmungsverhalten gegeben, indem wir gegen die Ernennung strategisch wichtiger Board-Mitglieder stimmen, wenn die Unternehmen in soziale Kontroversen verwickelt sind und keinen Prozess zur Prüfung der Einhaltung der Menschenrechte vorweisen können“, sagt Van Esch.

„Insgesamt werden wir in der anstehenden Hauptversammlungssaison diesbezüglich einen wesentlich offensiveren Ansatz verfolgen. Es ist an der Zeit, dass soziale Themen ihren angemessenen Rang auf der Agenda der Unternehmen erhalten.“

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