Robeco-Climate-Strategist Peppelenbos: Pro und Kontra zur Kernenergie

Robeco hat seine Haltung gegenüber der Kernkraft als ein Element der Bemühungen zum Übergang zu einer Wirtschaft mit netto null CO2-Emissionen revidiert. Robeco | 12.07.2022 16:28 Uhr
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In aller Kürze

  • Die Nutzung der Kernenergie wird als Bestandteil der Energiewende betrachtet, auch wenn Risiken fortbestehen
  • SDG Framework zur Evaluierung und Steuerung der Risiken von Nuklearabfällen und Sicherheit
  • Verzicht auf Ausschluss in „Sustainability Focused“- und „Impact Investing“-Produktpaletten

Zwar geht die Nutzung der Kernenergie nach wie vor mit erheblichen Risiken einher – vor allem der Möglichkeit von Unfällen und dem Problem der sicheren Lagerung radioaktiver Abfälle. Dennoch eröffnet sie mit ihrem Hauptvorteil, praktisch keine CO2-Emissionen zu verursachen, einen Weg weg von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.

Im Bereich der Kerntechnologie gibt es derzeit auch eine neuartige Dynamik. So entwickelt sie sich schrittweise in Richtung einer sichereren Form der Stromerzeugung und eines besseren Umgangs mit abgebrannten Kernbrennstäben zu. Gleichzeitig wächst die Dringlichkeit, der Möglichkeit einer katastrophalen globalen Erwärmung zu begegnen, die durch Nutzung fossiler Brennstoffe verursacht wird. Außerdem bestehen Risiken im Hinblick auf die Sicherheit der Energieversorgung und die Gefahr von Energiearmut, wenn Familien nicht mehr imstande sind, gestiegene Erdgaspreise zu bezahlen.

Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte schließt Robeco nicht länger Betreiber von Kernkraftwerken aus seinen Sustainability Focused- und Impact Investing-Portfolios aus, bei denen verschärfte Nachhaltigkeitskriterien gelten. Betreiber von Kernkraftwerken waren bislang in den Produkten der Sustainability Inside-Palette zulässig, bei der die Hürden in punkto Nachhaltigkeit niedriger sind. Daran wird weiterhin festgehalten.

Fortbestehende Einschränkungen

Zwar ist auf direkte Ausschlüsse verzichtet worden, dennoch gibt es weiterhin Einschränkungen, was die Evaluierung der Eignung eines Betreibers von Kernkraftwerken für ein Portfolio angeht. Robeco analysiert die Risiken sorgfältig anhand seines SDG-Framework im Hinblick auf die Sustainable Development Goals.

Die neugefassten Leitlinien stehen in Zusammenhang mit einer Entscheidung des EU-Parlaments vom 6. Juli, wonach sowohl Kernkraft als auch Erdgas im Rahmen der EU-Taxonomie als „grün“ kategorisiert werden, sofern strenge Auflagen erfüllt werden. Die EU-Taxonomie zielt auf die Standardisierung von Definitionen für Nachhaltigkeit in der 27 Länder umfassenden Gemeinschaft ab.

Die Haltung der EU gegenüber der Kernkraft entspricht insoweit derjenigen von Robeco, als sie deren entscheidende Rolle im Rahmen der Energiewende anerkennt. Angesichts der Risiken im Hinblick auf die Sicherheit von Kernkraftwerken und den Abfall ist Robeco jedoch der Ansicht, dass Kernenergie eher „gelb“ als „grün“ ist. Dies spiegelt sich im SDG Framework wider.

Rolle bei der Erreichung des Netto-Null-Ziels

„In jedem wissenschaftlichen Szenario spielt die Kernenergie im Rahmen der Energiewende eine Rolle, da diese sonst weit kostspieliger würde“, sagt Lucian Peppelenbos, Climate Strategist bei Robeco.

„Neben großangelegten Investitionen in erneuerbare Energien benötigen wir auch Investitionen in Kernkrafttechnologie der neuen Generation für die Sicherstellung der Grundlast.“

„Der Risiken von Kerntechnologie sind wir uns sehr wohl bewusst. Interessanterweise stellt man jedoch bei der Betrachtung der Statistiken über die letzten Jahrzehnte fest, dass die Kernkraft zu den sichereren Formen der Energieerzeugung gehört – mit Sicherheit im Vergleich zu jeder Form fossiler Energieerzeugung. Darin sind alle Todesfälle im Zusammenhang mit den Unfällen in Fukushima und Tschernobyl berücksichtigt. Statistisch betrachtet handelt sich um eine relativ sichere Technologie – aber natürlich eine mit sehr ausgeprägten ‚Tail Risks‘.“

„Daher muss man diese Risiken sehr sorgfältig managen. Dafür gibt es ein anerkanntes System seitens der International Atomic Energy Agency (IAEA), in dem alle möglichen Standards und Überprüfungen festgelegt sind. Aus unserer Sicht kann man sich auf ein solches System verlassen. Länder, die im Hinblick auf die Sicherheit von Kernenergie gut abschneiden, kommen für uns bei entsprechenden Investitionen in Betracht.“

Trotz aufsehenerregender tragischer Ereignisse wie in Tschernobyl und Fukushima ist die Rate der Todesfälle bei Kernenergie unter allen Energiequellen eine der geringsten. Hinzu kommt, dass sie die niedrigsten Emissionen aufweist. Quelle: Our World in Data.

Umgang mit dem Nuklearabfall

Eine größere Rolle für die Kernkraft bei der Energiewende hängt von der effektiven Lösung der Abfallproblematik ab. „Weltweit haben sich rund 250.000 Tonnen hochradioaktiven Abfalls angesammelt, für den dauerhafte Lagerungslösungen benötigt werden“, sagt Lucian Peppelenbos.

„Das erste entsprechende Endlager wird derzeit in Finnland gebaut und 2025 in Betrieb genommen. Dort wird der giftige Abfall tief in der Erde in extrem stabilem Felsgestein vergraben. Die gelagerten Abfälle müssten jedoch lange Zeit überwacht werden, bevor wirklich der Beweis erbracht ist, dass dies eine Lösung darstellt.“

„Andere Länder wie Schweden, Frankreich und Großbritannien entwickeln ebenfalls Einrichtungen zur Endlagerung. Die Weiterentwicklung der Technologie in diesem Bereich ist von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen unserer Analysen werden wir prüfen, ob die Betreiber von Kernkraftwerken und die Länder, in denen sich diese befinden, über konkrete Pläne für die Endlagerung von Abfällen verfügen.“

Übergang zu Kerntechnologie der neuesten Generation

Die Kerntechnologien der neuesten Generation konzentrieren sich auf die Minimierung der anfallenden Abfälle und größere Sicherheit. Auf längere Sicht besteht auch die Aussicht darauf, von der Kernspaltung, die seit den 1960er Jahren zur Elektrizitätsgewinnung verwendet wird, abzugehen und in die Ära der Kernfusion einzutreten. Bei der Kernspaltung werden Atome gespalten, um Strom in Kraftwerken zu gewinnen. Außerdem wird sie in Kernwaffen eingesetzt. Bei der Kernfusion werden zwei Wasserstoffatome zu Helium verschmolzen – auf ähnliche Weise, wie es in der Sonne geschieht. Diese Technologie ist wesentlich sicherer.

Voraussichtliche Entwicklung von Kernreaktoren in den 2020er Jahren und darüber hinaus. Quelle: IAEA, Robeco

„Ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit der Kernspaltung ist der, dass wir heute noch die Technologie wie bei der Errichtung der ersten Kernkraftwerke in den 1960er Jahren nutzen“, sagt Lucian Peppelenbos. „Mittlerweile sind jedoch Kerntechnologien der neuen Generation entwickelt worden und weitere werden folgen.“

„Wir wollen, dass technologische Innovation sich zum Vorteil der zukünftigen Lösungen auswirkt, welche benötigt werden. Aus diesem Grund wollen wir die Kernkraft nicht ausschließen.“

Das Signal steht auf „gelb“

Eine Frage, die im Anschluss an die Änderung unserer Leitlinien zu beantworten ist, besteht darin, ob wir Kernkraft nun auch als nachhaltig ansehen. Sie ist unseres Erachtens nicht vollständig „grün“ wie Windkraft oder Solarenergie. Sie schneidet aber auch nicht so schlecht ab wie die Energieerzeugung mit Öl oder Kohle.

„Wir meinen, dass Kernenergie nicht zwangsläufig „grün“ ist, aber auch nicht „grau“ sein muss“, sagt Lucian Peppelenbos. „Sie liegt irgendwo dazwischen, weshalb manche sie als „gelb“ bezeichnen. Doch angesichts der Tatsache, dass die Kernenergie praktisch keine Emissionen aufweist, spielt sie in der Tat eine Rolle bei der Erreichung des Netto-Null-Ziels.“

Robeco hat sich im Einklang mit internationalen Abkommen dazu verpflichtet, bis 2050 sein gesamtes verwaltetes Vermögen CO2-neutral zu machen. Dies erfordert es mitunter, eine umfassendere Sicht einzunehmen, wenn sich die Prioritäten ändern. Gleichzeitig muss man akzeptieren, dass es für keinen Nachhaltigkeitsaspekt eine perfekte Lösung gibt, so Lucian Peppelenbos.

Die größere Herausforderung

Insgesamt ist es unerlässlich, die größere Herausforderung in Form des Kampfs gegen den Klimawandel im Blick zu behalten, dessen Risiken täglich steigen, sagt Lucian Peppelenbos. „In den letzten Jahren konnte man zunehmend die Auswirkungen und Risiken des Klimawandels beobachten. Gleichzeitig hat die Kernenergie vermehrt Unterstützung seitens Wissenschaftlern und Politikern erhalten“, sagt er.

„In diesem Kontext fällt das Fazit unserer Einschätzung der Chancen und Risiken von Kernenergie inzwischen positiver aus. Dabei sind wir uns weiterhin der damit verbundenen Risiken bewusst, wir schließen die Technologie aber nicht länger aus. Ein direkter Ausschluss wäre angesichts der derzeitigen Situation im Hinblick auf das Klima nicht gerechtfertigt.“

Lucian Peppelenbos, Climate Strategist bei Robeco

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