Robeco Quartalsausblick Unternehmensanleihen: Schrittweise zum Ende des Bärenmarkts

Der Investmentmanager Robeco analysiert Konjunktur, Markt und Notenbankpolitik entlang der Fragen: An welchem Punkt des Zyklus stehen wir? Und gibt es Hinweise auf den Zeitpunkt und möglicherweise die Schwere der bevorstehenden Rezession? Robeco | 12.10.2022 11:13 Uhr
Victor Verberk, Sander Bus und Jamie Stuttard von Robeco / © e-fundresearch.com / Robeco
Victor Verberk, Sander Bus und Jamie Stuttard von Robeco / © e-fundresearch.com / Robeco
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Wir befinden uns an einem Umkehrpunkt: Marktteilnehmer sind mit zyklischen, langfristigen und geopolitischen Wendepunkten konfrontiert, mit denen wir zurechtkommen müssen. Ein Beispiel ist, dass globale Lieferketten nur in Friedenszeiten funktionieren. Die Verbindung zwischen der EU und Russland funktioniert nicht mehr, und die wichtigste bilaterale Beziehung der Welt – die zwischen China und den USA – steht unter sorgfältiger Beobachtung.

Der Theorie zu Handelserwartungen zufolge funktioniert Handel dann, wenn Vertrauen vorhanden ist. Aktuell treten wir in eine Phase der Deglobalisierung ein oder, wie das Global Macro-Team von Robeco es lieber nennt: Der Re-Globalisierung entlang der Linien der entstehenden Militärbündnisse.

Diese Langfristtrends überlagern zyklische Trends, innerhalb derer die Zentralbanken kämpfen: Gegen die Inflation. Ungeachtet des doppelten Mandats, das die Zentralbanken haben mögen, nehmen wir sie vorerst beim Wort, wenn sie sagen: Es sei notwendig, die Wirtschaft leiden zu lassen, um die Inflationserwartungen wieder auf Linie zu bringen. „Das heißt, mit Blick auf Unternehmensgewinne, Investitionstätigkeit, Ausfälle bei von hoch verschuldeten Unternehmen aufgenommenen Krediten und die Marktvolatilität im Allgemeinen wird es weitere rezessionsbedingte Belastungen geben. Die Bewertungskennzahlen sind gefallen, aber noch nicht auf ausreichend breiter Basis.“ sagt Victor Verberk, Co-Leiter des Robeco Credits-Teams.

Wir brauchen weitere Belege dafür, dass die Märkte eine ausgewachsene Rezession einpreisen. Die Zentralbanken werden die Zinsen weiter erhöhen, und in vielen Fällen muss die quantitative Straffung (Quantitative Tightening, QT) erst starten. Unter dem Strich verschieben wir unsere Prognose, wann der Zyklustiefpunkt erreicht sein wird, leicht nach hinten auf einen späteren Zeitpunkt in diesem Jahr.

Es ist mit Fehlern in der Geldpolitik zu rechnen

Die Verantwortlichen der Geldpolitik haben sich über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren bei der Vorhersage von Wachstums- oder Inflationstrends gründlich geirrt. Hinter uns liegt eine fast inflationsfreie Dekade quantitativer Lockerung (Quantitative Easing, QE), was die Asset-Preise stark nach oben klettern ließ. Dann hieß es, die Inflation sei wohl nur vorübergehender Natur. Nun befinden wir uns in einer Phase, in der die Zentralbanken befürchten, dass sich die Inflation durch die Lohn- und

Gehaltsentwicklung sowie die Preissetzungsmacht der Unternehmen in der Wirtschaft fest setzt. Das zeigt, wie schwierig es ist, die Inflation vorherzusagen und zu steuern. Deshalb ist mit Fehlern in der Geldpolitik zu rechnen. Die Zentralbanken glauben, der Wirtschaft auf der Nachfrageseite Belastungen zumuten zu müssen, um die Inflationserwartungen zu senken. Wir haben einige historische Analysen durchgeführt, um Hinweise darauf zu finden, wie diese Belastungen aussehen könnten und was wir über den Zeitpunkt und möglicherweise die Schwere der bevorstehenden Rezession erfahren können.

An welchem Punkt des Zyklus stehen wir?

Wir wollen nur einige der vielen Beispiele nennen, die wir betrachtet haben:

  • Erstens lehrt uns die Geschichte, dass Spreads tendenziell größer werden, wenn der vom Institute of Supply Management initiierte ISM-Einkaufsmanagerindex von 60 auf 50 zurückgeht. Erst wenn sich eine Rezession bestätigt hat, also wenn der ISM und andere wichtige Indizes für die Stimmung in der US-Wirtschaft auf weniger als 47-48 Zähler sinken, wird der Abschwung normalerweise eingepreist. Wenn diese Stimmungsbarometer sich auch dieses Mal als verlässliche Indikatoren erweisen, haben wir diesen Punkt noch nicht erreicht.
  • Zweitens geht die Zahl neu geschaffener Arbeitsplätze am Ende des Zinserhöhungszyklus auf durchschnittlich unter 200.000 zurück. Noch liegt die US-Wirtschaft deutlich darüber.
  • Drittens waren die Finanzierungskonditionen in der Vergangenheit während einer Rezession im Mittel viel strenger als zurzeit. Die Auswirkungen auf Zinssätze, den Ölpreis und Aktien werden diesem Indikator zufolge noch länger zu spüren sein.
  • Viertens tendieren die hartnäckige Inflation so wie die Mieten weiter aufwärts. Auch der von der Fed-Regionalbank in Atlanta ermittelte Index zur Lohn- und Gehaltsentwicklung lässt bisher keine nennenswerte Abschwächung erkennen.

Insgesamt kommen wir zu dem Schluss, dass dieser Punkt im Konjunkturzyklus ausgehend von den meisten Kennzahlen noch nicht erreicht ist.

Und dann gibt es ja auch noch den Marktzyklus. In der Vergangenheit dauerten mit einer Rezession einhergehende Abwärtsphasen an den Rentenmärkten mindestens eineinhalb Jahre. Der jetzige dauert erst neun Monate. Zudem erhöhen sich die Spreads in der Regel um mindestens 150 Basispunkte, während sie im jetzigen Bärenmarkt bisher um weniger als die Hälfte gestiegen sind.

Wann genau das Ende des Zinserhöhungszyklus erreicht sein wird, lässt sich unmöglich vorhersagen.  „Wir wissen aber, dass die Zinssätze in der Vergangenheit ihren Höchststand vor den Kreditspreads erreicht haben. Und wir wissen auch, dass die Zinssätze im Durchschnitt um den Zeitpunkt der vorletzten Zinserhöhung herum ihren Höchststand erreicht haben“, sagt Jamie Stuttard, Credit Strategist bei Robeco. „Daher kommen wir zu dem Schluss, dass wir irgendwann im November oder Dezember dieses Jahres an diesem Punkt ankommen könnten.“

In diesem Quartal haben wir uns nur wenig mit China befasst. Sicherlich sollten wir nicht erwarten, dass die alte Lokomotive der Weltwirtschaft auch dieses Mal ihre Arbeit tun wird. Ernsthafte Sorgen bereiten uns beispielsweise die Wachstumserwartungen, die Schuldenstände und die sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit. Eine für die Wirtschaft restriktive Covid-Politik ist ebenfalls nicht hilfreich.

Wir wollen nicht zu pessimistisch klingen, müssen uns aber bis zum Eintritt in die letzte Phase des Kreditzyklus noch etwas gedulden.

„Es gibt ein paar positive Tail-Risiken, die den Basisfall verändern könnten“, sagt Verberk. „Erstens könnte ein unerwartetes Ende des Ukraine-Kriegs oder die Rezession selbst dazu führen, dass der Ölpreis noch viel weiter fällt. Dies würde sich positiv auf Inflation und Wachstum auswirken und könnte der Fed einen guten Grund liefern, mit weiteren Zinserhöhungen zu warten. Zweitens ist die Preissetzungsmacht der Unternehmen vielleicht größer als erwartet, was wiederum gut für das wirtschaftliche Wohlergehen der Unternehmen wäre. Insgesamt denken wir, dass wir noch nicht alle Phasen des Bärenmarkts hinter uns haben, aber allmählich dahin gelangen.“

Die Bewertungskennzahlen werden attraktiver

Optimistisch stimmt uns, dass die sehr schmerzliche positive Korrelation zwischen Unternehmens- und Staatsanleihen sowie Aktien im bisherigen Verlauf dieses Jahres zu deutlich besseren Bewertungskennzahlen geführt hat. Ein typischer Mischfonds mit 60 Prozent Aktien- und 40 Prozent Rentenanteil hat 18 Prozent verloren, und die Anleihemärkte haben in Bezug auf die Gesamtrendite die schlimmste Verkaufswelle seit Jahren erlebt. Die Kehrseite der Medaille ist, dass sich die Preisfindung allmählich auf ein attraktiveres Niveau zubewegt.

Eine sehr positive Auffassung haben wir zu europäischen Swap-Spreads. Der durchschnittliche relative Wert zeigt, dass es ausgehend von der eigenen Historie das in risikobereinigter Basis günstigste Marktsegment ist. Dies ist auf ein knappes Angebot an Bundesanleihen und die sehr angespannten Repo-Märkte zurückzuführen, was wiederum eine der vielen Begleiterscheinungen von QE ist. Das bedeutet: Die Kreditspreads sind in Europa inzwischen niedriger als in den USA, wenn ein Anleger Staatsanleihen als Referenzwert verwendet. Investment-Grade-Unternehmensanleihen von hoher Qualität wie Covered Bonds oder Agencies sind dadurch sehr billig geworden. Nimmt man Asset-Swap-Spreads oder Spread-over-Swaps als Maßstab, scheinen Kreditspreads noch nicht günstig zu sein. Zu einer Umkehr des knappen Angebots an Bundesanleihen könnte es durch ein irgendwie geartetes QT-Programm der EZB in den kommenden Monaten kommen.

Für US-High-Yield-Anleihen betrug der durchschnittliche optionsbereinigte Spread in der Vergangenheit 540 Basispunkte. Wir sind jetzt nahe an diesem Wert, wobei die Spreads in einer Rezession aber oft doppelt so hoch werden. Die derzeitigen Spreads enthalten keine Prämie für steigende Adressenausfallquoten oder andere unerwartete Risiken. Dennoch werden wir mit der Abschwächung der Märkte wahrscheinlich in die Phase eintreten, in der die Überschussrenditen auf Sicht von 12 Monaten positiv werden.

Die Spreads von US-Investment-Grade-Anleihen steigen in einer Rezession häufig auf über 200 Basispunkte. Soweit sind wir noch nicht; denn sie liegen gegenwärtig bei ca. 150 Basispunkten. In Europa haben sich die Spreads wegen des Swap-Spreads etwas weiter erhöht. Im Grunde genommen ist die Prämie für das Kreditrisiko (nicht aber für das Liquiditätsrisiko) allerdings noch nicht hoch genug, um eine Long-Beta-Position auf Indexbasis zu rechtfertigen.

Hier ein paar Fakten zu den Unternehmensgewinnen und Bewertungskennzahlen von Aktien: Erstens sind die Aktienkurse von der Hälfte der im NASDAQ-Index enthaltenen Unternehmen um mehr als 50 Prozent gefallen. Zweitens befinden sich globale Fintech-Aktien gemessen am Kurs-Umsatz-Verhältnis wohl auf überverkauftem Niveau. Drittens liegen die Aktienkurse der FAANG (die reale Cashflows erzielen und bewährte Geschäftsmodelle haben) zurzeit um 30 bis 70 Prozent unter ihrem bisherigen Höchststand. Und schließlich sind zyklische europäische Aktien und Substanzwerte im Vergleich zu defensiven Titeln so überverkauft wie nie zuvor.

Zweifellos sind Assets mit langer Duration massiv unter Druck geraten, sodass eine Rezession in gewissem Umfang bereits eingepreist ist.

Gegen die Fed oder irgendeine andere Zentralbank sollte man nicht ankämpfen

Das Abziehen von Liquidität durch die Zentralbanken ist immer noch der treibende Faktor an den Märkten. Die Renditen von Aktien und Unternehmensanleihen korrelieren nach wie vor mit Veränderungen der Gesamtbilanzen der wichtigsten Zentralbanken der Welt. Der Wechsel von QE zu QT sorgt für großen Abwärtsdruck auf die Asset-Preise.

Angesichts der überdeutlichen Botschaft der Zentralbanken zu ihrer bestehenden obersten Priorität, die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen, erwarten wir auf absehbare Zeit nicht, dass ein QE-Programm den Markt retten wird. Vielmehr sollten wir uns auf größere Volatilität einstellen.

Von der vorletzten Zinserhöhung sind wir noch einige Monate entfernt, und selbst nach einer Stabilisierung der Zinsen ist nach der bisherigen Erfahrung zu erwarten, dass es zunächst eine Phase mit fallenden Ertragsrenditen und steigenden Spreads geben wird.

In einem Zeitalter der Verunsicherung sollte man aus der Geschichte lernen

Die Epoche der Verunsicherung hat begonnen. Wendepunkte im Konjunkturzyklus und im geldpolitischen Zyklus sowie einige langfristig angelegte Zyklen im Zusammenhang mit der Demographie (steuern wir auf einen dauerhaften Arbeitskräftemangel zu?) und der Geopolitik machen eine Analyse der jetzigen Phase schwierig.

Sander Bus, Co-Leiter des Robeco Credits Teams, kommt zu folgendem Fazit: „Wenn wir etwas aus der Geschichte lernen können, dann ist es, dass sich die Konjunktur noch etwas weiter abkühlen muss, dass die Zentralbanken möglicherweise überreagieren werden und der Markt eine ausgewachsene Rezession im Allgemeinen noch nicht eingepreist hat. Wir sind uns der größeren Spreads bewusst. In einigen Marktsegmenten kaufen wir bereits wieder. Wir sollten uns aber noch etwas gedulden, bevor wir uns für eine Long-Beta-Position entscheiden.“

Victor Verberk, Sander Bus und Jamie Stuttard von Robeco

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