Gesucht: Ein Netz des 21. Jahrhunderts, das Energie für eine kohlenstofffreie Zukunft liefert

Erneuerbare Energie ist günstig geworden und im Überschuss vorhanden. Jetzt brauchen wir nur noch eine moderne Netzinfrastruktur, damit wir diese Energie besser nutzen können. | Ein Content-Beitrag des Pictet Asset Management Beratungsgremiums: Pictet Asset Management | 28.08.2019 10:36 Uhr
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Indiana ist von allen US-Bundesstaaten der zweitgrößte Kohlekonsument. Und gehört gleichzeitig zu den 10 größten Produzenten in den USA. Warum also hat der Bundesstaat beschlossen, Kohle zu verbannen? Die Antwort ist einfach: die Kosten. 

Indiana, das seit den 1830er Jahren Kohle abbaut, wendet sich jetzt von fossilen Brennstoffen ab und stellt auf Solar- und Windenergie um, weil sich dadurch – so der größte regionale Versorger – mehrere Milliarden US-Dollar für die Verbraucher einsparen lassen.

Indiana ist kein Einzelfall. Auch in anderen US-Bundesstaaten und anderen Ländern sind die Kosten für die Erzeugung erneuerbarer Energie stark gesunken, sodass Solar- und Windenergie den fossilen Brennstoffen bald den Rang ablaufen wird.

Das sind gute Neuigkeiten für die Städte und Länder, die auf der einen Seite die für die Erderwärmung mitverantwortlichen Kohlenstoffemissionen senken müssen, auf der anderen Seite aber der explodierenden Nachfrage nach Strom im Zuge des rasanten Wachstums vernetzter Geräte, Fahrzeuge und Gebäude Rechnung tragen müssen.  

Günstige und saubere Energie ist jedoch nutzlos, wenn sie nicht dort hingelangt, wo sie benötigt wird, und das Tag und Nacht, ohne Unterbrechung. An dieser Stelle kommt das Stromnetz ins Spiel.

Stromnetze stimmen die erzeugte Strommenge auf die Last bzw. die entnommene Menge ab. Die heutige Netzinfrastruktur ist allerdings durch extreme Wetterereignisse wie Hurrikans und Waldbrände stark angeschlagen und kann die Flut an erneuerbarer Energie gar nicht bewältigen.

Aufgrund der Unberechenbarkeit von Sonne oder Wind sind diese Energiequellen auch wenig geeignet für eine Energieversorgung in großem Stil.

Die Welt muss also eine moderne Übertragungsinfrastruktur entwickeln.

Um sich über mögliche Lösungen zu informieren, haben Mitglieder des Pictet-Clean Energy Advisory Board (AB) und das Investmentteam der Strategie vor kurzem das National Renewable Energy Laboratory (NREL) in Denver und das Electric Power Research Institute in Palo Alto besucht, zwei Einrichtungen, die für ihre wegweisende Forschung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien bekannt sind.

Dort konnten sich unsere AB-Mitglieder selbst von den Fortschritten bei Technologie auf Basis von erneuerbarer Energie überzeugen und bekamen ganz neue Einblicke in den Infrastrukturbedarf, der aus der Verbreitung von Elektrofahrzeugen resultiert, sowie in die Herausforderungen und Chancen bei der Integration des wachsenden Anteils erneuerbarer Energie in das Stromnetz.

Aus alt mach neu

Das aktuelle Netz basiert auf einem Ein-Wege-System, bei dem Elektrizität von den Kraftwerken zu den privaten Haushalten und den Unternehmen fließt. Die Übertragung erfolgt sowohl über lange als auch kurze Strecken in Form von Wechselstrom.

Der Wechselstrom hat sich seit seiner Entstehung Ende des 19. Jahrhunderts, als er siegreich aus dem Stromkrieg hervorging und zum Standard für Stromnetze in aller Welt wurde, kaum verändert.

Mithilfe eines Transformators kann die Spannung problemlos hoch- oder heruntergesetzt werden. Seine größte Schwäche ist jedoch, dass er auf seinem Weg Energie verliert. Bei einer gegebenen Spannung ist der Verlust bei einem Wechselstromsystem gut doppelt so hoch wie bei einem Gleichstromsystem, mit dem sich Energie günstiger und effizienter über sehr lange Strecken transportieren lässt.

Noch deutlicher werden die Nachteile von Wechselstrom beim Transport von erneuerbarer Energie, weil Energie aus Solar-, Wind- und Wasserkraft in der Regel weit weg vom Ort der Nutzung erzeugt wird.

Aus diesem Grund beläuft sich bei Wechselstromnetzen die Stromerzeugungskapazität aus erneuerbarer Energie auf gerade einmal 15% des gesamten Strommixes, so Schätzungen unserer AB-Mitglieder.

Eine Erhöhung dieses Anteils könnte das Netz destabilisieren und zu regelmäßigen Stromausfällen führen.

Anders sähe es mit Gleichstrom aus. 

In seiner modernen Form ist die Ultra-Hochspannungs- Gleichstrom-Übertragung (UHGÜ) sogar noch leistungsstärker und ermöglicht die Übertragung von Spannungen bis 1.100 kV, beim herkömmlichen Gleichstrom sind es nur 1,5 kV.

UHGÜ kann auch nicht vernetzte Wechselstrom-Übertragungssysteme in verschiedenen Gebieten verbinden (siehe Abbildung). Das bedeutet, dass ein UHGÜ-basiertes Makronetz den Betreibern die Möglichkeit bietet, verschiedene Quellen sauberer Energie hunderte oder tausende Kilometer entfernt anzuzapfen und dann je nach Bedarf und Wetter zwischen den Quellen zu wechseln.

Fast zehn Jahre, nachdem China als erstes Land der Welt UHGÜ einführte, wurde dort Anfang 2019 die längste und leistungsstärkste UHGÜ-Leitung der Welt in Betrieb genommen. Die Leitung hat eine Gesamtlänge von über 3.000 Kilometern – mehr als die Entfernung zwischen London und Moskau. Sie transportiert 66 Mrd. Kilowatt Strom pro Stunde aus dem entlegenen Nordwesten des Landes – wo in ausreichendem Maße Solar- und Windkraft vorhanden ist – zu dem dicht besiedelten Osten und versorgt 50 Millionen Haushalte mit Energie.

UHGÜ erfreut sich auch in anderen Ländern wachsender Beliebtheit: So plant Europa eine Modernisierung seiner Netzinfrastruktur, mit dem ehrgeizigen Ziel, selbst zu einer „Kupferplatte“ zu werden. Ein starkes innereuropäisches Übertragungsnetz würde die grenzüberschreitende Stromverteilung von Regionen mit viel Sonne oder Wind hin zu Gebieten mit viel Regen und Wolken erleichtern.

Deutschland zum Beispiel entwickelt eine UHGÜ-Trasse für den Transport erneuerbarer Energie vom windreichen Norden zu den verbrauchsintensiven Regionen im Süden.

Das als Südlink bezeichnete, 800 km lange Projekt trägt dazu bei, dass Deutschland sein nationales Ziel – die Gewinnung von 65% seiner Energie aus erneuerbaren Quellen bis spätestens 2030 (zurzeit sind es 38%) – erreicht.

Kritiker sagen, die hohen Investitionskosten für UHGÜ sind ein großes Hindernis für dessen Akzeptanz.

Die langfristigen Vorteile könnten jedoch enorm sein. Nach Einschätzung unseres Wissenschaftlichen Beirats amortisieren sich Infrastrukturprojekte in Europa in der Regel nach drei bis fünf Jahren dank Einsparungen durch höhere Effizienz.

Wind aus Wyoming

Die USA, der weltgrößte Energiekonsument, steigt ebenfalls auf Gleichstrom um.

Das 3 Mrd. US-$ schwere TransWest Express Project sieht die Installation einer UHGÜ-Übertragungsleitung für den Transport von Windkraft aus Wyoming über eine Strecke von mehr als 1.000 Kilometern nach Kalifornien vor. Dort ist man gierig nach sauberer Energie, weil damit die Ziele für die Kohlenstoffreduzierung erreicht werden sollen.

Das NREL schätzt, dass sich dadurch Einsparungen von 1 Mrd. US-$ für die Verbraucher in Kalifornien erzielen lassen. (https://www.nrel.gov/docs/fy14osti/61192.pdf)

Untersuchungen des Earth System Research Laboratory haben ergeben, dass sich mithilfe solcher Stromnetze, die eine bessere Nutzung des enormen Windkraftpotenzials ermöglichen, die Kohlenstoffemissionen um 80% gegenüber den Ständen von 1990 senken lassen. (https://www.nature.com/articles/nclimate2921)

Investition in eine saubere Welt

Dank neuer und innovativer Netztechnologien kann erneuerbare Energie schnell Fahrt aufnehmen. Damit brechen goldene Zeiten für Anleger an, die von dem langfristigen Wandel zu einer kohlenstoffarmen Welt profitieren dürften.

Das Pictet-Clean Energy Portfolio investiert in Unternehmen, die eine wichtige Rolle beim Umstieg auf saubere Energie spielen.

Die Hochspannungs-Gleichstrom-Branche bietet eine Fülle an Investmentmöglichkeiten, da der Markt bis 2026 mit einer CAGR von fast 9% auf 16,3 Mrd. US-$ anwachsen dürfte. (Stratistics MRC, 8.3.2019)

Technologien, die für das UHGÜ-System genutzt werden, dürften ebenfalls ein Wachstum erfahren. Nehmen wir zum Beispiel industrielle Halbleiter, die unverzichtbar für den Betrieb von Stromnetzen sind.

Silizium-Chips werden für die Umwandlung von Strom zwischen verschiedenen Wechsel- und Gleichspannungen und in verschiedenen Frequenzen benötigt, was wiederum hilft, Energieverlust zu minimieren und einen stabilen Stromfluss zu gewährleisten.

Die Nachfrage nach industriellen Halbleitern dürfte sich zwischen 2016 und 2022 auf 81 Mrd. US-$ verdoppeln, mit einem Wachstum von 10% pro Jahr. (PWC)

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