„Wir erwarten gedämpftes globales Wachstum in den kommenden Monaten, da die handelspolitische Unsicherheit die Industrieproduktion und das Geschäftsklima belastet, vor allem in den Industrieländern.
Auch wenn wir davon ausgehen, dass die Zentralbanken die Geldpolitik lockern werden, um der Konjunkturabkühlung entgegen zu wirken, werden die Währungshüter wohl nicht die Menge von Impulsen geben, die sich die Märkte erhoffen. Vor diesem Hintergrund bleiben wir bei Aktien untergewichtet.
Für unsere vorsichtige Haltung gegenüber Anleihen spricht auch, dass die Rally in diesem Jahr die Renditen bei nahezu einem Drittel des globalen Anleiheuniversums – rekordhohen USD 15,5 Bio. – unter null gedrückt hat. Wir halten an der Übergewichtung von Anlagen in sicheren Häfen fest.
Besonders unattraktiv erscheinen US-Aktien. Der Benchmarkindex, der S&P 500, ist nur wenige Prozentpunkte von seinem Allzeithoch entfernt, aber die US-Rezessionsindikatoren blinken rot – die Renditekurve hat sich umgekehrt und zum ersten Mal seit der globalen Finanzkrise sind die Dividendenerträge von Aktien höher als die Renditen der 30-jährigen US-Staatsanleihen.
Zusätzlich zu stark rückläufigen Konsensprognosen für die Gewinne ist der jüngste Rückgang bei Aktienrückkäufen ein weiteres Warnsignal für Anleger in US-Aktien, da Rückkäufe in den vergangenen zehn Jahren rund 20% der Renditen des Markts ausmachten.
Es gibt aber auch Lichtblicke am Aktienmarkt – wir bleiben bei europäischen Aktien übergewichtet. Deutschland befindet sich vielleicht in einer technischen Rezession, aber Europa hat sich jüngst aufgrund der positiveren Dynamik in Frankreich und Spanien verbessert. Zudem dürfte eine neue Runde der quantitativen Lockerung durch die EZB helfen.
Auch das Vereinigte Königreich bietet guten Wert, vor allem für ausländische Investoren. Das Pfund Sterling ist günstig, die Bewertungen sind attraktiv, ein großer Anteil der britischen Unternehmensgewinne wird im Ausland erwirtschaftet, und die 5prozentige Dividendenrendite des Marktes bietet gewissen Schutz vor Volatilität.
Die Konjunkturaussichten für die Schwellenländer wurden durch den Handelskrieg belastet, dieser Negativfaktor wird aber durch Zinssenkungen abgeschwächt. Asien ist ein Lichtblick, da durch den US-chinesischen Handelskrieg Unternehmen zu anderen asiatischen Exporteuren abwandern.
In Zeiten, in denen sich die Weltwirtschaft abkühlt, ist es grundsätzlich sinnvoll, die Allokationen in defensive Anlagen wie Staatsanleihen zu erhöhen. Das Problem ist, dass die Anleiherenditen in den vergangenen Monaten stark gesunken sind und das, was normalerweise als sicher gilt, jetzt risikoreich erscheint.
Einige würden sagen, dass die Bewertungen aufgrund der expansiveren Zentralbankrhetorik gerechtfertigt seien. Wie unsere Liquiditätsanalysen zeigen, ist der Abstand zwischen aktuellem und vom Markt impliziertem Volumen der geldpolitischen Impulse – gemessen in Prozent des BIP – so groß wie nie zuvor. Der Markt wird also sicherlich enttäuscht werden.
Die Rally am Anleihemarkt war so ausgeprägt, dass die Bewertungen der lange als günstig betrachteten Schwellenländeranleihen in Lokalwährung langsam nicht mehr gerechtfertigt sind – und das dürfte vorerst so bleiben.
Schwellenländeranleihen bieten zwar eine attraktive Realrendite von 3%, aber angesichts der negativen Auswirkungen des Handelsstreits zwischen den USA und China könnten sich die Schwellenländerwährungen bald abschwächen. Daher haben wir unsere Schwellenländeranleihen auf neutral reduziert.
Bei der Währungspositionierung halten wir an unserer Übergewichtung des Schweizer Franken und von Gold fest – beide Anlagen dürften sich in einer Zeit, die durch geopolitische Unruhen und eine Verschlechterung der globalen Konjunkturbedingungen gekennzeichnet ist, gut behaupten."
Luca Paolini, Chefstratege bei Pictet Asset Management