Das wahre Ausmass unseres ökologischen Fussabdrucks

Das Konzept der planetaren Belastungsgrenzen, das sein zehnjähriges Bestehen feiert, gestattet einen völlig neuen Blick auf die Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt, der über die blosse Betrachtung des Klimawandels hinausgeht. | Mega im Gespräch mit Dr. Sarah Cornell Pictet Asset Management | 24.09.2019 16:10 Uhr
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Vor zehn Jahren versammelte sich eine Gruppe von Wissenschaftlern im kleinen schwedischen Ort Tällberg, um etwas zu versuchen, das noch nie zuvor jemand versucht hatte. Ihre Aufgabe: die umfangreichste Analyse des ökologischen Fussabdrucks der Menschheit, die die Welt je gesehen hatte. Sie hatten nicht sofort Erfolg. Doch einige Monate später wurde ihre Beharrlichkeit belohnt. 

In den zehn Jahren, die seitdem vergangen sind, hat das von ihnen entwickelte bahnbrechende Modell uns geholfen, besser zu verstehen, welche Bedrohung der Mensch für die lebensnotwendigen natürlichen Systeme darstellt. Das Konzept der planetaren Belastungsgrenzen, wie es genannt wird, hat auch die Denkweise von Regierungen, Unternehmen und Investoren weltweit verändert.

Sein besonderes Merkmal ist seine Genauigkeit. Das Modell definiert numerische Grenzwerte für die neun schädlichsten Umweltphänomene überhaupt – vom Klimawandel und Süsswasserverbrauch bis hin zum Verlust von Biodiversität und zur Landnutzung. 

Wird einer dieser Grenzwerte überschritten, so das Modell, dann besteht das Risiko, dass die biophysischen Systeme der Erde plötzlich oder irreversibel Schaden nehmen. In den zehn Jahren seit der Entwicklung des PB-Konzepts wurden vier der Belastungsgrenzen überschritten.

Dr. Sarah Cornell, die eine Gruppe internationaler Forscher leitet, die am Stockholm Resilience Centre am PB-Modell arbeitet, sagt, dass die düsteren Erkenntnisse des Modells die Menschen dazu gezwungen haben, die ökologischen Auswirkungen ihres Handelns zu überdenken.

„Das Konzept der planetaren Belastungsgrenzen hilft uns dabei, die kumulativen Effekte lokaler Veränderungen auf die Umwelt zu verstehen. Eine Quantifizierung ist ausgesprochen wichtig, um das Ausmass der planetaren Probleme diagnostizieren zu können, zu denen der Mensch beiträgt. Der Planet Erde hat Fieber. Der Warnanzeiger steht auf Rot“, so Dr. Cornell.

„Das Modell schliesst eine wichtige Lücke in der Umweltpolitik und kann von der Gesellschaft genutzt werden, um unsere Aktivitäten auf diesem Planeten in die richtige Richtung zu lenken.“

Mehr als nur Kohlendioxid 

Dr. Cornell sagt, ihr Ziel sei es, unseren Blick auf die Umwelt zu transformieren. Noch bis vor wenigen Jahren bestimmte der Klimawandel die Debatte. Länder und Unternehmen wurden allein nach der Ehrgeizigkeit ihrer Kohlendioxidziele beurteilt.

Doch, so Dr. Cornell, die Probleme unseres Planeten gehen weit über die Erderwärmung hinaus.

„Der Klimawandel ist insofern unkompliziert, als dass er es uns gestattet, ein globales Budget für unsere Emissionen festzulegen, das den globalen Zielen für die Begrenzung des Temperaturanstiegs entspricht“, erklärt sie.

„Doch das Leben ist viel komplexer. Es lässt sich nicht nur auf ein physisches Klima beschränken. Nicht hinter allen ökologischen Problemen steht die gleiche Forschungsinfrastruktur. Deshalb arbeiten wir mit öffentlichen Einrichtungen, NGOs und Unternehmen zusammen, um aus den Diagnosen des PB-Modells praktische Massnahmen und Ziele zur Entlastung des Planeten abzuleiten.“

Im Rahmen ihrer Aufklärungsarbeit hat Dr. Cornell zusammen mit ihren Kollegen Untersuchungen durchgeführt, die zeigen, wie Unternehmen und Investoren das PB-Modell einsetzen können, um Verschmutzung und Abfall zu messen und zu reduzieren. Konkret hat sie für jede Branche der Weltwirtschaft Grenzwerte für den Ressourcenverbrauch und die Emissionen definiert – ausgedrückt als Menge pro eine Million US-Dollar Umsatz. ¹

„Die biophysische Welt unterscheidet sich ganz wesentlich von der Unternehmenswelt, doch Unternehmen stehen in wichtigen Wechselwirkungen, wenn man an die langfristige Nachhaltigkeit von Unternehmen oder der Gesellschaft denkt“, sagt sie.

„Wir müssen wissen, wie wir mit der gesamten Gesellschaft die Wende hin zu einer grundsätzlich neuen Lebensweise erreichen können. Investoren spielen dabei eine wichtige Rolle, denn sie ermöglichen es den Unternehmen, die Veränderungen umzusetzen, die sie selbst als notwendig erkannt haben, und sich in neue, beständige und nachhaltige Sektoren zu verwandeln.“

Neue Dynamik in der Umweltpolitik 

Von den vier planetaren Belastungsgrenzen, die bereits überschritten wurden, bereitet der Verlust an Biodiversität Dr. Cornell die grössten Sorgen. 

Um die Biodiversität nachhaltig zu sichern, müsste die Aussterberate von Tieren und Pflanzen dem PB-Modell zufolge bei weniger als zehn ausgestorbenen Spezies pro eine Million Arten jährlich liegen.

Das Modell kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Geschwindigkeit des Artensterbens mehr als 100-mal über der natürlichen Basisrate liegt.

„Wir verstehen nicht, was es bedeutet, das Leben um uns herum zu zerstören, oder was es bedeutet, im Netz des Lebens einen Faden herauszuziehen. Das macht mir grosse Angst“, sagt sie.

„Wir verändern und vereinfachen das Ökosystem, weil es uns kurzfristige Effizienzgewinne verschafft. Wir profitieren unmittelbar von einer höheren landwirtschaftlichen Produktion oder einer höheren Energieerzeugung. Doch im Zuge dessen machen wir uns langfristig angreifbar.“

Die Untätigkeit angesichts des Artensterbens verursacht erhebliche wirtschaftliche Kosten. Die OECD – ein Thinktank – schätzt, dass der Welt zwischen 1997 und 2011 infolge von Veränderungen der Bodenbedeckung, also zum Beispiel der Abholzung und der Urbanisierung, bis zu 20 Billionen USD pro Jahr und infolge der Bodendegradation weitere 11 Billionen USD pro Jahr verloren gegangen sind.²

Nun steigt der Druck auf Unternehmen, aktiv zu werden.  

Die OECD schätzt, dass sich die Investitionen, die den Schutz der Artenvielfalt zum Ziel haben, derzeit auf knapp 39 Milliarden USD belaufen. Das ist eine klägliche Summe, vergleicht man sie mit den 500 Milliarden USD, die jedes Jahr in Aktivitäten fliessen, die zu einem Verlust an Biodiversität führen, wie etwa die Gewinnung von fossilen Brennstoffen und Agrarsubventionen.

Dr. Cornell meint, es sei unerlässlich, dass sich Unternehmen und Regierungen mit einigen der drängenden ökologischen Herausforderungen, die das PB-Modell zutage gefördert hat, auseinandersetzen und aktiv an Lösungen arbeiten.

„Die ökologischen Probleme, die in den nächsten zehn Jahren auf uns zukommen, scheinen drängender zu sein als die der letzten zehn Jahre. Doch eine Sache, die mich wirklich zuversichtlich stimmt, ist, dass heute ein besserer Dialog zwischen Unternehmen, der Wissenschaft und der breiteren Öffentlichkeit stattfindet. Wir haben eine neue Dynamik in der Umweltpolitik“, so Dr. Cornell.

„Die Unternehmen haben ökologische Versprechungen gemacht. Aber werden sie sie auch umsetzen? Das müssen wir wissenschaftlich genau im Auge behalten. Die Verbraucher treffen ihre Wahl mit ihrem Portemonnaie. Die Unternehmen können sich nicht länger verstecken."

[1] Butz, C., Liechti, J., Bodin, J. et al. Sustainability Science (2018) 13: 1031. https://doi.org/10.1007/s11625-018-0574-1
[2] OECD (2019), Biodiversity: Finance and the Economic and Business Case for Action, für das G7-Umweltministertreffen vom 5.–6. Mai 2019 erstellter Bericht.



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