China und die USA ringen um technologische Vorherrschaft

Silicon Valley adé? China will bei Technologien unabhängiger werden und greift mit Investitionen in Zukunftsbranchen die Vorherrschaft der USA an. Was das für Anleger bedeutet, erklärt Pictet-Chief Strategist Luca Paolini. Pictet Asset Management | 07.10.2020 11:07 Uhr
© Photo by Oliver Schwendener on Unsplash
© Photo by Oliver Schwendener on Unsplash
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Eine Welt, zwei Systeme? China verringert den Einfluss der USA auf die globale Technologieindustrie. Investoren beobachten diese Entwicklung mit einer Mischung aus Hoffnung und Sorge. Eine Verschärfung der chinesisch-amerikanischen Rivalität stürzt die Welt in einen technologischen Kalten Krieg, so die Befürchtung.

Aber die Konkurrenz aus China könnte auch positive Auswirkungen haben. Die Geschichte zeigt, dass Rivalitäten oft ein mächtiger Ansporn sind. Ein Beispiel ist das amerikanisch-sowjetische Wettrennen im Weltraum in den 1970er Jahren, das zu zahlreichen wissenschaftlichen und technischen Durchbrüchen führte.

Tatsächlich liegt es aber im Interesse Chinas und der USA, eine gemeinsame Basis zu finden. Die beiden Volkswirtschaften sind eng miteinander verflochten: Die zwischen den Ländern jährlich gehandelten Güter – Importe und Exporte – sind mehr als eine halbe Billion US-Dollar wert.

Aber auch wenn die Rivalität der Länder zu technologischem Fortschritt führt, wird es Verlierer geben. Der unvermeidliche Aufstieg Chinas setzt der US-Vorherrschaft in der Tech-Branche ein Ende. Auch die außergewöhnlich hohe Rentabilität amerikanischer Tech-Konzerne im vergangenen Jahrzehnt könnte damit vorüber sein.

.  

Anleger dürfen nicht nur aufs Silicon Valley schauen

Dies wirkt sich auch auf die Märkte aus. Für Investoren bedeutet das: Um aus der kommenden Wachstumsphase der Technologiebranche Kapital zu schlagen, müssen sie sich über das Silicon Valley hinauswagen. „Etwas weniger USA, etwas mehr Asien“, lautet der Leitspruch.

Das Ringen um technologische Vorherrschaft hat schon vor einiger Zeit begonnen. Im Jahr 2015 legte China einen ehrgeizigen Plan zur Entwicklung von Hightech-Industrien vor, um seine Abhängigkeit von ausländischer – und insbesondere US-amerikanischer – Technologie zu verringern. Im Rahmen des zuvor als „Made in China 2025“ bekannten Programms fördert China technologiebezogene Branchen wie Elektroautos, Informationstechnologie und Telekommunikation,  Robotik und Künstliche Intelligenz.

Am meisten beunruhigt die USA jedoch Chinas Ehrgeiz bei Halbleitern. Die US-Chipfirmen beschäftigen nicht nur mehr als 200.000 Amerikaner, sie verfügen auch über eine enorme Marktmacht. Ihre Halbleiter sind das Rückgrat jedes elektronischen Geräts – von Laptops und Smartphones bis hin zu Elektroautos und Fabrikrobotern.

Gegenwärtig haben die US-Firmen bei Halbleitern einen Anteil von 47 Prozent am Weltmarkt. Etwa 60 Prozent der weltweiten Nachfrage entfallen auf China. Die einheimischen Lieferanten können dabei bislang kaum ein Drittel des Bedarfs decken. Aber das kann sich ändern. Zusammengenommen liegt der Marktanteil Chinas, Taiwans und Koreas laut aktueller Branchenzahlen bei 30 Prozent, verglichen mit etwas mehr als 20 Prozent vor einem Jahrzehnt.

China investiert in Halbleiter-Industrie

China hat erkannt, dass hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung unerlässlich sind, wenn es um die Herstellung hochmoderner Halbleiterkomponenten geht. Aus diesem Grund hat das Land ein neues Investitionsprogramm in Höhe von 29 Milliarden US-Dollar zur Förderung der einheimischen Chipindustrie aufgelegt.

Die Halbleiterindustrie ist aber nicht der einzige Markt, auf dem China zur Konkurrenz für die USA wird. Chinas Ausgaben für Forschung und Entwicklung haben sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdreifacht. Den aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2018 zufolge beliefen sie sich auf 2,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). 

Die USA müssen schnell reagieren. Die Forschungsausgaben der Vereinigten Staaten gingen von 1,2 Prozent des BIP Ende der 1980er Jahre, als die Regierung großzügig mit Investitionen beim Aufbau des Silicon Valley half, auf zuletzt 0,8 Prozent des BIP zurück.

Würden die USA ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf das Niveau Chinas angeben, hätte das positive Folgen für die Weltwirtschaft. Studien haben ergeben, dass der Nutzen dieser Investitionen weit über die beteiligten Firmen und Branchen hinausgeht. Eine Erfindung kann der Forschung neue Wege eröffnen, die Produktivität steigern oder die Produktionskosten senken. Das wirkt sich auch auf andere Länder aus, zeigen Untersuchungen. Wer mit innovativen Staaten Handel treibt, wird selbst produktiver.

Die wichtigsten Felder im Technologierennen

Durch Chinas Aufholjagd verschärft sich der Wettbewerb in mehreren Schlüsselbereichen der Technologieindustrie:

  • 5G. Mobilfunknetze der kommenden Generation sind im Ringen um die Kontrolle der globalen informationstechnischen Infrastruktur entscheidend. Wer auf diesem Gebiet führend ist, setzt internationale Standards. Mit der Corona-Pandemie hat die 5G-Technologie weltweit an Bedeutung gewonnen. Chinas Huawei hat mit einem weltweiten Marktanteil bei der Ausrüstung von 30 Prozent die Führung übernommen. Dagegen wehren sich die USA. Als Reaktion arbeitet Huawei mit konkurrierenden Firmen wie der taiwanesischen MediaTek an einer alternativen Lieferkette.
  • Cloud-Computing. Der Markt wächst jährlich um fast 20 Prozent und wird bis 2024 einen Wert von 661 Milliarden US-Dollar erreichen. Giganten wie Amazon, Google, Alibaba, Tencent und Microsoft wetteifern um die Vorherrschaft. Asien sehen alle Firmen als den wichtigsten Wachstumsmotor. Insgesamt haben die großen Tech-Firmen ihre Rechenzentrumsfläche in der Region in den vergangenen Jahren um fast 70 Prozent vergrößert.
  • Elektronischer Geschäftsverkehr. Der Covid-19-Lockdown führte dazu, dass Millionen von Menschen online einkauften. Das war insbesondere in China der Fall, wo der E-Commerce mehr als die Hälfte des gesamten Einzelhandelsumsatzes ausmacht. In den USA sind es nur 10 Prozent. Chinas Vorteil liegt auch in der Größe des mobilen Ökosystems, das alles vom Online-Shopping, Messaging über Spiele bis hin zu digitalen Zahlungen in einer App integriert. Mit einer Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen erreichen Firmen einen riesigen Markt. Darüber hinaus sind chinesische Unternehmen besser positioniert als ihre Konkurrenten in den USA und Europa. Bedenken über den Missbrauch persönlicher Daten spielen eine geringere Rolle, auch die Regulierung ist weniger streng.
  • Künstliche Intelligenz. Dieser Wirtschaftszweig soll bis 2030 für ein globales Wirtschaftswachstum von 15,7 Billionen US-Dollar sorgen. China, das bereits die weltweit größten KI-Unternehmen Baidu, Tencent und Alibaba beheimatet, meldete im Jahr 2018 mehr als 30.000 öffentliche Patente für Künstliche Intelligenz an. Das entspricht einem Anstieg um das Zehnfache innerhalb von fünf Jahren. Die USA wollen ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz unterdessen in den kommenden zwei Jahren verdoppeln. Derzeit liegen sie bei 974 Millionen US-Dollar.

Welche Rolle spielt Europa?

Europa sollte nicht als bloßer Beobachter im globalen Technologiewettlauf abgeschrieben werden – die Region wetteifert ebenfalls um ein Stück vom Kuchen. Ein Beispiel ist Gaia-X, eine neue gemeinsame Cloud-Initiative von etwa 100 Unternehmen und Organisationen, die mit Dateninfrastruktur Unternehmen wie Amazon und Alibaba Konkurrenz machen will. Großbritannien ist auch die Heimat großer Chip-Firmen wie ARM.

Wenn China und die USA einen Weg finden, sich als globale Technologiemächte gegenseitig anzuspornen, verspricht das kommende Jahrzehnt spannende technologische Fortschritte. Technologie mag in einer digitalisierten Welt allgegenwärtig erscheinen. Zu bedenken ist aber, dass weniger als 60 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zum Internet hat. Bei Clouds liegt die Durchdringung bei 20 Prozent. Zudem werden nur 12 Prozent der weltweiten Verbraucherausgaben in Höhe von 24 Billionen US-Dollar online getätigt.

Für Investoren wird diese neue Weltordnung Herausforderungen mit sich bringen. Um das langfristige Wachstumspotenzial von Technologien zu nutzen, müssen sie weiter in die Ferne blicken. Anleger sollten ihren Blickwinkel über die bekannten – und immer teureren – Unternehmen im Silicon Valley hinaus erweitern und einen größeren Teil ihres Kapitals in schnell wachsende Unternehmen in anderen Regionen wie Asien investieren.

Luca Paolini, Chief Strategist, Pictet Asset Management

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen. Das NewsCenter ist eine kostenpflichtige Sonderwerbeform der e-fundresearch.com AG für Asset Management Unternehmen. Copyright und ausschließliche inhaltliche Verantwortung liegt beim Asset Management Unternehmen als Nutzer der NewsCenter Sonderwerbeform. Alle NewsCenter Meldungen stellen Presseinformationen oder Marketingmitteilungen dar.
Klimabewusste Website

AXA Investment Managers unterstützt e-fundresearch.com auf dem Weg zur Klimaneutralität. Erfahren Sie mehr.

Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an

Regelmäßige Updates über die wichtigsten Markt- und Branchenentwicklungen mit starkem Fokus auf die Fondsbranche der DACH-Region.

Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und kann jederzeit abbestellt werden.