Von einer Pandemie zur nächsten. Die Welt erholt sich gerade von den schlimmen Folgen der COVID-19-Pandemie, da kommt der Weltgesundheitsorganisation zufolge schon die nächste Gesundheitskrise – Mangelernährung.
Obwohl die Regierungen der Welt schon vor sechs Jahren im Rahmen der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung versprochen haben, dem Hunger bis 2030 ein Ende zu bereiten, gibt es kaum Fortschritte. Dieses Ziel ist somit in weite Ferne gerückt. Aber Mangelernährung beschreibt nicht nur Hunger – es geht genauso um Fettleibigkeit und zu viele leere Kalorien.
Davor warnten jüngst in einem Pictet Webcast aus der Megatrends-Reihe Dr. Sandro Demaio und Dr. Stefan Catsicas, Ernährungsexperten im Pictet-Nutrition Advisory Board.
In dem Webcast erklärten die beiden, dass mehr als 17% der Kinder unter fünf Jahren bis zum Ende des Jahrzehnts unter Wachstumshemmungen leiden und über 7% übergewichtig sein werden, wenn die gegenwärtigen Trends anhalten.
Diese „doppelte Bürde der Mangelernährung“ – in der sich Defizite in der Herstellung, Vermarktung und des Konsums widerspiegeln – bereitet nicht nur Gesundheitsexperten Sorge, sondern ist auch die Wurzel vieler sozioökonomischer und ökologischer Probleme, mit denen der Planet seit einigen Jahrzehnten konfrontiert ist.
Dr. Demao sagt: „Mangelernährung ist kein Problem der Reichen, Armen oder Faulen. Es ist ein viel grösseres und komplexes gesellschaftliches Problem, welches das ganze dynamische globale Nahrungsmittelsystem betrifft. Es gibt dagegen keine Wunderwaffe. Damit Kinder und Menschen in einkommensschwachen Ländern Zugang zu bezahlbareren, bequemeren und gesünderen Nahrungsmitteln erhalten, müssen wir nicht nur das reformieren, was wir essen – das persönliche Lebensmittelumfeld –, sondern auch die Lieferketten und das äussere Umfeld wie Einzelhandel und Lebensmittelmärkte. Wir brauchen mehr Effizienz in der Produktion und im Transport von Lebensmitteln, müssen Verschwendung reduzieren und und brauchen eine Politik, die das unterstützt.“
Mangelernährung ist kein Problem der Reichen, Armen oder Faulen. Es ist ein viel grösseres und komplexes gesellschaftliches Problem, welches das ganze dynamische globale Nahrungsmittelsystem betrifft. - Dr Sandro Demaio
Dr. Demaio sagt, dass uns das, was wir aus der Pandemie gelernt haben, im Kampf gegen Mangelernährung zugute kommen könnte. Viele der zur Bekämpfung von COVID-19 eingeführten Strategien und Ansätze könnten bei der Bekämpfung von Fettleibigkeit und Hunger genauso effektiv funktionieren. „Jetzt nach der Pandemie achten mehr Menschen auf Gesundheit, und es hat sich gezeigt, dass die öffentliche Gesundheit immens wichtig ist. Der Ausspruch „Niemand ist sicher, bis alle sicher sind“ gilt auch für andere globale Gesundheitsbedrohungen, und die Menschen fangen im besten Fall an, sich zu vernetzen und zu erkennen, wie dringend etwas gegen die Pandemie der Mangelernährung getan werden muss“, sagt er.
Jetzt nach der Pandemie achten mehr Menschen auf Gesundheit, und es hat sich gezeigt, dass die öffentliche Gesundheit immens wichtig ist. - Dr Sandro Demaio
Doch die Probleme können nicht allein von den Regierungen gelöst werden, erklärt Dr. Catsicas. Lebensmittelunternehmen – und ihre Aktionäre – spielen eine grosse Rolle. Indem Lebensmittelhersteller mehr in Technologien investieren, die Lebensmittelverschwendung reduzieren und den Nährwert von Lebensmitteln verbessern, können sie dazu beitragen, die „doppelte Bürde der Mangelernährung“ in die Geschichtsbücher zu verbannen.
Wir brauchen Lösungen für alle Interessensgruppen... es gibt für den privaten Sektor grösseren Spielraum, mit den Regierungen zusammenzuarbeiten. - Dr Stefan Catsicas
„Wir brauchen Lösungen für mehrere Interessensgruppen. Einige Regierungen haben erfolgreich Instrumente wie die Zuckersteuer eingeführt, aber es liegt auch am privaten Sektor, mit den Regierungen zusammenzuarbeiten, damit sie sich anpassen und in Lösungen investieren können“, erklärt Dr. Catsicas.
Mayssa Al Midani, Pictet Asset Management