Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert – nicht zuletzt durch die massive Jobflucht. Ob die Covid-Pandemie diese Veränderungen ausgelöst oder nur längerfristige Trends beschleunigt hat, sei dahingestellt. Klar ist jedoch, dass viele diese Veränderungen fortbestehen werden, so das Pictet-Human Advisory Board.
Niemand hatte die massenhafte Abwanderung von Arbeitnehmern vorhergesehen. Die Pandemie scheint jedoch dazu geführt zu haben, dass demografische, soziale und technologische Trends so stark konvergiert sind, dass die Menschen ihre Lebensweise und folglich auch ihre Arbeit hinterfragt haben.
Dem Advisory Board zufolge hören die Menschen in sich hinein und erkennen, dass es mehrere mögliche Ausprägungen ihrer selbst gibt. Das ist kein neues Phänomen, diesen Trend gab es bereits vor Covid. Überraschend ist jedoch, dass er sich so schnell nach der Pandemie etabliert hat.
Eine Erklärung für den plötzlichen Anstieg der Kündigungen ist die hohe persönliche Sparquote, die zum Teil dank finanzieller Hilfen und anderer pandemiebedingter Unterstützungsprogramme zugenommen hat.
Das gilt insbesondere für Menschen über 55, von denen viele nicht zu ihrem Arbeitsplatz zurückkehrten, als sich die Wirtschaft wieder erholte. Anders als in der Vergangenheit haben sie ihren Job nicht für eine andere Arbeitsstelle aufgegeben, die ihnen mehr Zufriedenheit bringt. Sie sind einfach nicht mehr da und wir wissen nicht mit Sicherheit, was sie jetzt tun.
Einige werden sich vielleicht zu einer Umschulung oder einem Ehrenamt entschlossen haben. Bildung wird in der Regel zu einer lebenslangen Aufgabe. Das befeuert die Nachfrage nach weniger formellen Ausbildungen, nach vielfältigeren Zertifizierungen. Es gibt Hinweise darauf, dass die Menschen sich von der formellen Ausbildung, wie z. B. einem Jura- und BWL-Studium, abwenden. In den letzten Jahren ist die Zahl der Einschreibungen für Aufbaustudiengänge deutlich zurückgegangen.
Arbeite smarter, nicht härter
Manche ziehen es vor, ihre handwerklichen Fähigkeiten weiterzuentwickeln, z.B. als Klempner oder Grafiker. Durch das Online-Lernangebot wurden die Bildungsquellen globalisiert. So haben die Menschen die Möglichkeit, sich von einem einzelnen Arbeitgeber, in dessen Dienst sie sich langfristig stellen, zu lösen und stattdessen einem Portfolio an bezahlen und unbezahlten Jobs nachzugehen.
Aufgrund der Knappheit an den Arbeitsmärkten müssen Unternehmen zunehmend flexibler werden, um für Arbeitskräfte attraktiv zu sein. Viele experimentieren gerade mit neuen Arbeitsformen, die häufig über die Möglichkeit zum Homeoffice hinausgehen. Man muss als Firmenchef schon sehr mutig sein, wenn man zum Status quo vor der Pandemie zurückkehren will.
Einige Veränderungen betreffen beispielsweise die Automatisierung weiterer Funktionen – z.B. dürften Robo-Anwälte und Robo-Buchhalter einfache Aufgaben übernehmen, damit sich der Mensch auf Funktionen konzentrieren kann, die eine hohe Fachkompetenz erfordern. Tatsächlich kann bei 60% der Arbeitsplätze jetzt schon rund ein Drittel der Aufgaben automatisiert werden.
In anderen Fällen kann der Arbeitsplatz so umgestaltet werden, dass er mit dem Homeoffice konkurrieren kann. Es wird also zunehmend einen Mix geben aus dem, was eine Büroumgebung so erfolgreich macht – spontane Fügungen als Produkt zufälliger Interaktionen, Raum für effektives Mentoring und Coaching, die Möglichkeit, Kollegen zu treffen –, und den Vorteilen des Homeoffice, also weniger Wegezeiten, weniger Unterbrechungen und eine angenehmere Umgebung.
Die Inflation allerdings stört dieses Bild. Aufgrund der außergewöhnlich niedrigen Arbeitslosenquoten und der hohen Anzahl an freien Stellen sitzen die Arbeitnehmer derzeit am längeren Hebel. Aber wenn nicht alle an einem Strang ziehen, werden einige dieser Vorteile der Inflation zum Opfer fallen. Steigende Preise werden dazu führen, dass die Menschen ihr Einkommen aufstocken oder erhöhen müssen, was sie in geringfügige Beschäftigungen und Jobs mit ungünstigen Arbeitsbedingungen treibt und sie dazu zwingt, länger zu arbeiten. Eine straffere Geldpolitik, die mit der Inflation einhergeht, wird wiederum die Beschäftigungschancen verringern, wenn sich das Investitionsklima in den Unternehmen verschlechtert.
Das Pendel der Macht schlägt mal zur Seite der Arbeitnehmer, mal zur Seite der Arbeitgeber aus – das Gesicht der Beschäftigung hat sich zweifellos verändert. Der Trend der Great Resignation könnte sich umkehren, wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen in den kommenden Jahren verschlechtern, was aber bleiben dürfte, ist die Notwendigkeit einer Neuordnung der Arbeitswelt. Eine breite Palette von Bildungsquellen und -formen wird den Menschen helfen, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln, und die Entwicklung von Technologien, die es ermöglichen, von zu Hause aus zu lernen und zu arbeiten, wird dazu führen, dass die Arbeit der Zukunft ganz anders aussehen wird als heute.
Die in diesem Artikel behandelten Trends und Technologien sind einige der Anlagethemen, die der Pictet-Human Strategie zugrunde liegen. Die Strategie konzentriert sich auf Dienstleistungen, die uns dabei helfen, uns an den demografischen und technologischen Wandel anzupassen, der unser Leben verändert.
Pictet-Human Advisory Board