Die wirtschaftliche Abkühlung dürfte dem Comeback der globalen Reisebranche nach der Covid-Pandemie keinen Abbruch tun – allerdings werden sich einige Marktsegmente nach Einschätzung unseres Premium Brands Advisory Board besser erholen als andere. Die Unternehmen werden vorerst bei Geschäftsreisen sparen, dagegen dürfte der Freizeitreiseverkehr stabil bleiben.
Der enorme Nachholbedarf aus den Jahren der pandemiebedingten Reisebeschränkungen, die in dieser Zeit angesammelten Ersparnisse und die Knappheit an den Arbeitsmärkten sind alles Faktoren, die der Reisebranche trotz hoher Inflation und steigender Leitzinsen zugute kommen. Die Belegungsraten einiger großer Hotelketten liegen bereits über dem Niveau vor der Pandemie, nur Asien liegt noch zurück. Dort dürfte die Entscheidung Pekings, seine drastische Null-Covid-Politik einzustampfen, dem regionalen Tourismus, nicht zuletzt Thailand, einen Schub geben; die chinesischen Verbraucher wollen schließlich das viele Geld, das sie angespart haben, ausgeben.
Obwohl die Zentralbanken entschlossen sind, den Inflationsdruck einzudämmen, dürfte der dadurch ausgelöste Abschwung keine so starken Auswirkungen haben wie in früheren Rezessionen. Insbesondere im Freizeitreiseverkehr wird eine starke Dynamik zu spüren sein.
Dass die Hotels in der Lage waren, ihre Preise erheblich zu erhöhen, ist ebenfalls ein Beleg für die Nachfragestärke. 2022 dürften die globalen Hotelpreise um 18,5% gestiegen sein und 2023 werden den Erwartungen zufolge weitere 8,2% hinzukommen – nachdem sie 2020 und 2021 zusammen um mehr als 20% gesunken waren. Die Preise liegen in einigen Regionen bereits über dem Niveau von 2019, und für 2023 ist dies weltweit zu erwarten.
Die Nachfrage ist bereits stark gestiegen, es ist aber noch Luft nach oben. Der Reiseverkehr von den USA nach Europa hat sich in der ersten Jahreshälfte 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum mehr als verdreifacht und ist das ganze Jahr über stabil geblieben. Die Gesamtzahlen dürften jedoch erst bei zwei Drittel des Niveaus von 2019.
Wenn auch 2022 die Nachfrage aus dem Freizeitreisesektor der Haupttreiber für die Erholung war, sind die längerfristigen Aussichten für Geschäftsreisen doch positiv – ungeachtet der kurzfristigen Risiken, die mit einer möglichen Konjunkturabschwächung verbunden sind. Einige Segmente des Geschäftsreisesektors entwickeln sich besonders gut. Die Konferenz- und Veranstaltungsbranche erlebt eine beispiellose Erholung und alles deutet auf ein geschäftiges Jahr 2023 hin. Es werden mehr Meetings und Veranstaltungen, mehr Teilnehmer, höhere Budgets und höhere Preise erwartet.
Angesichts verstreuter Belegschaften steht es außer Frage, dass Mitarbeitende für Schulungen und Teambuilding zusammengebracht werden müssen. Unternehmen haben erkannt, wie wichtig persönliche Begegnungen für die Stärkung der Kultur, die Einarbeitung neuen Personals, die Steigerung des Mitarbeiterengagements und die Kommunikation von Unternehmenswerten und -zielen sind.
Die Veranstaltungskosten sind in allen Regionen in den meisten Ausgabekategorien gestiegen, bedingt durch die aufgestaute Nachfrage. Die durchschnittlichen Kosten pro Teilnehmer dürften 2022 um rund 25% höher sein als 2019 und im Jahr 2023 um weitere 7% steigen.
Eine der wichtigsten langfristigen Kräfte, die auf die Reisebranche wirken, ist die Entwicklung nachhaltiger, regenerativer und sozial verantwortlicher Beförderungsformen. Diese werden zusammen mit dem Anstieg der Kraftstoffpreise die Reisebranche dazu bewegen, in sauberere Technologien und Kraftstoffe zu investieren, einschließlich des Umstiegs auf elektrische Mobilität. Zu den neuen Technologien gehören z.B. elektrische Senkrechtstarts und -landungen, batterie- oder wasserstoffbetriebene Flugzeugflotten, von denen einige unbemannt sein werden. Innovatoren wollen diese Fahrzeuge bis Mitte dieses Jahrzehnts kommerziell einführen. Wie auch immer sich die Wirtschaft kurzfristig entwickelt, die längerfristigen Aussichten für die Reise- und Tourismusbranche sind positiv.