Der Kampf um die grüne Vorherrschaft

Regierungen auf der ganzen Welt haben ihre Bemühungen verstärkt, sich einen immer größeren Anteil am Markt für Umwelttechnologie zu sichern. Pictet Asset Management | 25.05.2023 09:23 Uhr
© Foto von Nicholas Doherty auf Unsplash
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Die USA und Europa liefern sich einen Kampf um die Vorherrschaft in Sachen saubere Technologien. Beide Regionen bringen Initiativen auf den Weg, um neue Branchen wie saubere Energie und Klimatechnologie aufzubauen, die das Potenzial haben, Billionen von US-Dollar an neuen öffentlichen und privaten Investitionen zu mobilisieren.

Ein Ziel ist es, Technologien der nächsten Generation bezahlbarer zu machen und so den nachhaltigen Wandel zu beschleunigen.

Doch es gibt auch große wirtschaftliche Herausforderungen. Die globale Clean Energy Branche boomt. Sie ist auf dem besten Weg, bis 2030 die Marke von 2 Bio. US-Dollar zu überschreiten.1

Um sich einen hinreichend großen Anteil an diesem Markt zu sichern, bauen die USA und Europa jeweils ihre eigenen Lieferketten für Solarmodule, Windkraftanlagen, Elektroautos und effiziente Batterien auf. Aber sie kämpfen nicht nur gegeneinander.

Ihr stärkster Konkurrent ist China, das es durch seine jahrzehntelangen großzügigen Subventionen an die Spitze der Umwelttechnologiebranche gebracht hat.

Die USA verstärken zweifelsohne den Druck.

Im August 2022 hat die Biden-Regierung den bahnbrechenden Inflation Reduction Act (IRA) durchgebracht, der 370 Mrd. US-Dollar an staatlichen Subventionen für Elektrofahrzeuge und andere saubere Technologien vorsieht und neue Anreize bietet, um Renewables-Unternehmen und Investitionen ins Land zu holen. Mit dem IRA wird ein Gesetz von November 2021 ergänzt, in dem ähnliche Umweltmaßnahmen vorgesehen waren.

Als Reaktion auf diesen Vorstoß entwickelt die Europäische Union ihrerseits einen Plan, in dessen Rahmen ebenfalls Hunderte Milliarden Euro in die einheimischen CO2-armen Branchen gepumpt werden sollen, um den Anteil des verarbeitenden Gewerbes zu erhöhen und ein interessantes Umfeld für Investitionen zu bieten.

Staatliche Intervention, wie Subventionen, kann den Wettbewerb behindern und zu Marktverzerrungen führen. Gezielte Anreize im Rahmen einer strategischen Industriepolitik – wie das Erreichen der Netto-Null – könnten jedoch dazu beitragen, Produktionsstätten zu verbessern, Kosten zu senken und Skaleneffekte zu erzielen.

Allein durch den Inflation Reduction Act (IRA) sollen Umweltanreize geschaffen werden, die in den kommenden zehn Jahren mindestens 4 Bio. US-Dollar an kumulierten Investitionen in grüne Energieinfrastruktur bewirken, wie z. B. erneuerbare Energien, Übertragungs- und Verteilungsnetze, Batterien, Wasserstoff und Energieeffizienz.2

Eine europäische Version des IRA hat das Potenzial, ähnliche Beträge an neuen Investitionen zu mobilisieren.3

Dreifacher Klima-Segen

Für Michael Gerrard, Professor am Sabin Center for Climate Change an der Columbia Law School, sind die US-Maßnahmen geradezu revolutionär, sowohl für den CO2-Fußabdruck als auch für die Wirtschaft des Landes. 

„Die Vereinigten Staaten begeben sich auf den Weg zu einem noch nie dagewesenen Wandel im Bereich der erneuerbaren Energien“, sagt er. „Diese Bemühungen dürften erhebliche Vorteile bringen.“

Nehmen wir als Beispiel die Emissionen. Allein durch den IRA dürften die US-Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2005 um rund 40 Prozent sinken, was das Land dem Pariser Ziel ein großes Stück näherbringt. Es wird auch prognostiziert, dass die Luftverschmutzung und vorzeitige Todesfälle reduziert und die durchschnittlichen Energiekosten der privaten Haushalte gesenkt werden.

Die positive Wirkung auf die Wirtschaft kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Durch die geringere Luftverschmutzung dürfte es in den zehn Jahren ab 2023 voraussichtlich über 35.000 weniger vorzeitige Todesfälle geben. Auch die Ernteerträge der US-Erzeuger dürften in einer Größenordnung von 4 Mrd. US-Dollar steigen und das BIP dürfte in den kommenden acht Jahren um etwa 0,86 Prozentpunkte wachsen.4

Der IRA kommt zu einem kritischen Zeitpunkt für die Renewables-Branche in den USA: Der Ausbau der inländischen sauberen Stromerzeugung stagniert, da Steuergutschriften – die das Wachstum bei Wind- und Solarenergie in den letzten zehn Jahren angekurbelt hatten – allmählich auslaufen.

Das Gesetz sieht eine Verlängerung der steuerlichen Anreize um zehn Jahre vor. Gerrard sagt, dass die neue grüne Gesetzgebung US-Herstellern von Solar-, Wind-, Batterie- und Elektrofahrzeugkomponenten und -baugruppen sowie der Verarbeitung kritischer Mineralien langfristig einen starken Schub geben wird.

Gleichzeitig dürften sich dadurch neue Möglichkeiten bei aufkommenden sauberen Technologien wie Wasserstoff, Kohlenstoffabscheidung und Geothermie ergeben.

Die europäische Antwort

Alarmiert durch den aggressiven Ansatz der USA, setzen die europäischen Regierungen alles daran, ihr eigenes Umweltprogramm auf die Beine zu stellen, das natürlich alle anderen in den Schatten stellen soll.

Im Rahmen des vorgeschlagenen „Green Deal Industrial Plan“ lenkt die EU rund 250 Mrd. Euro aus den bestehenden Töpfen in die Entwicklung einer sauberen Onshore-Technologieproduktion um.

Der Übergangsplan basiert auf vier Säulen – vereinfachte Regulierung, schnellerer Zugang zu Finanzierung, Personalentwicklung und Förderung des offenen Handels – und wird voraussichtlich bis 2032 Neuinvestitionen in Höhe von rund 4 Billionen Euro generieren, die Kapital aus dem öffentlichen wie auch dem privaten Sektor umfassen.

Dabei werden privat finanzierte Investitionen in saubere Energie, einschließlich erneuerbarer Energien, Übertragungs- und Verteilungsnetze, Batterien und Kohlenstoffspeicherung, voraussichtlich rund 2,4 Bio. Euro betragen.5

Dem Erreichen dieser Ziele kommt eine entscheidende Bedeutung zu – nicht nur für die Klimaziele der Region, sondern auch für ihre Wirtschaft, da die EU daran interessiert ist, ihren Status als eines der führenden Innovationszentren für erneuerbare Energie zu behalten

Klimafreundlicher und günstiger

Egal aus welcher Perspektive – der IRA wird für einige der Technologien der nächsten Generation, nicht nur Wind- und Solarenergie, sondern auch Batterien sowie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, ein echter Gamechanger sein – alle diese Bereiche könnten in weniger als zehn Jahren wirtschaftlich wettbewerbsfähig werden.

Nach der Einführung des IRA dürften die Stromgestehungskosten (Levelized Cost of Energy, LCOE) für Wind- und Solarenergie, also die durchschnittlichen Lebenszykluskosten der Stromerzeugung für ein bestimmtes Stromnetz, bis 2030 auf oder unter 30 US-Dollar/MWh sinken und damit günstiger sein als bei Kernenergie und Kohle.6

Die LCOE von Wasserstoff in der Stromerzeugung dürften sich mehr als halbieren und auf 60–120 US-Dollar/Megawattstunde zurückgehen. Damit wären sie fast so kosteneffizient wie Gas.

Grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien hergestellt wird und somit keine Emissionen verursacht, dürfte am meisten profitieren. Einige Schätzungen zeigen, dass die Kosten für grünen Wasserstoff bis Ende dieses Jahrzehnts pro Kilogramm im Minusbereich liegen könnten, da die Produzenten verschiedene Subventionen kumulieren können, um größere Kosteneinsparungen zu erzielen.7

Das Wachstum der erneuerbaren Energien dürfte mit einem Ausbau der Stromübertragungsinfrastruktur einhergehen.

Das ist ein weiterer Bereich, der in den kommenden Jahren vermutlich mehr Investitionen anziehen wird. Da Länder auf der ganzen Welt ihren Kampf gegen den Klimawandel intensivieren, wird das globale Clean-Tech-Wettrennen sicherlich Fahrt aufnehmen.

„Dadurch kann ein positiver Kreislauf in Gang gesetzt werden, in dem neue Investitionen dazu beitragen, die Kosten innovativer erneuerbarer Technologien zu senken, eine höhere Nachfrage zu generieren und das Wachstum in CO2-armen Branchen deutlich zu beschleunigen“, sagt Gerrard.

[1] Allied Market Research
[2] Das REPEAT-Projekt an der Princeton University
[3] Goldman Sachs Global Investment Research
[4] REPEAT und https://yaleclimateconnections.org/2022/08/experts-senate-passed-bill-will-yield-myriad-climate-benefits/
[5] Goldman Sachs
[6] ICF
[7] 1 kg Wasserstoff hat einen Energiewert von ca. 33,3 kWh. 
https://www.spglobal.com/commodityinsights/en/market-insights/latest-news/energy-transition/092922-us-green-hydrogen-costs-to-reach-sub-zero-under-ira-longer-term-price-impacts-remain-uncertain

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