Europäische Unternehmensanleihen: Ehre, wem Ehre gebührt

In den vergangenen 25 Jahren hätte eine Mischung aus europäischen Unternehmensanleihen bessere Renditen bei geringerem Risiko abgeworfen als das übliche ausgewogene Portfolio. Pictet Asset Management | 27.03.2024 11:58 Uhr
© Foto von Pixabay auf pexels.com
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Unternehmensanleihen und ihre Bedeutung

Investoren können es sich nicht leisten, Anleihen links liegen zu lassen, vor allem nicht die europäischen.

Unseren Analysen zufolge hätte ein ausgewogener Mix aus europäischen Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen in der Zeit nach Auflegung des europäischen High-Yield Index (2001) besser abgeschnitten als eine ebenso ausgewogene Allokation in deutsche Bundesanleihen und europäische Aktien. Darüber hinaus war das Rendite- und Risikoprofil von Unternehmensanleiheportfolios sowohl in einem Umfeld steigender als auch fallender Zinssätze besser.

Insgesamt bieten Unternehmensanleihen bessere Sharpe Ratios – Rendite im Verhältnis zum Risiko – als die traditionelleren Anlageklassen. So boten beispielsweise europäische Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating bessere Renditen bei geringerer Volatilität als deutsche Staatsanleihen, dem „risikolosen“ Standardinstrument. Und High-Yield-Unternehmensanleihen haben bei deutlich geringerem Risiko erheblich bessere Renditen erzielt als europäische Aktien. Gleichzeitig verzeichneten Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen deutlich geringere maximale Verluste (Drawdowns) als deutsche Bundesanleihen und europäische Aktien (siehe Abb. 1), während Unternehmensausfälle für Aktieninvestoren verheerender sind als für Inhaber von Unternehmensanleihen.

Und im Gegensatz zu Aktienanlagen, bei denen das Markt-Timing entscheidend ist für die langfristigen Renditen, spielt es bei Anleihen aufgrund der festen Laufzeiten keine so große Rolle. Das Wirtschaftswachstum ist für die Inhaber von Unternehmensanleihen nicht so wichtig wie für Aktieninvestoren. Unternehmensanleihen werden häufig als hybride Anlageklasse betrachtet, weil sie sowohl anleihe- als auch aktienähnliche Merkmale aufweisen, aber das trifft auch auf Aktien zu, insbesondere in bestimmten Sektoren. 

Kurzum: Investoren müssen die Rolle von Anleihen in ihren Portfolios überdenken – Unternehmensanleihen sollten ein Kernelement sein.

Unternehmensanleihen im Klartext

Wenn Investoren an Unternehmensanleihen denken, haben sie in der Regel das Risiko auf dem Radar. Investment-Grade-Anleihen stehen in ihren Augen für unternehmerische Ungewissheit, während Staatsanleihen als sicher wahrgenommen werden. High-Yield-Anleihen werden oft mit einem hohen Ausfallrisiko in Verbindung gebracht, während Aktien als Chance auf Wachstum und Wertzuwachs betrachtet werden. Investoren müssen Chancen und Risiken abwägen. Es hat sich gezeigt, dass Unternehmensanleihen ein besseres Risiko-Ertrags-Profil bieten als entsprechende Aktien und Staatsanleihen. 

In der Vergangenheit haben Anleihen stetige Renditen abgeworfen. Verluste der Anlageklasse waren vorübergehend und wurden stets von einer kräftigen Erholung der Performance abgelöst; dadurch wurden geduldige Investoren belohnt. 

Seit 2001 (als erstmals Daten verfügbar waren) haben europäische Investment-Grade-Anleihen bei ähnlicher jährlicher Volatilität höhere Renditen erzielt als deutsche Bundesanleihen, was zu einer deutlich besseren Sharpe Ratio führte. 

Im selben Zeitraum haben europäische High-Yield-Anleihen bessere Renditen bei geringerer Volatilität erzielt als europäische Aktien, die die Investoren nicht für das sehr hohe eingegangene Risiko entschädigen konnten – mit der Folge einer schlechten Sharpe Ratio – und die extrem negative Renditen abwarfen, wie der maximale Drawdown und der erwartete Shortfall zeigen. 

Tauscht man deutsche Bundesanleihen gegen europäische Investment-Grade-Unternehmensanleihen und europäische Aktien gegen europäische High-Yield-Anleihen, erhält man eine um 0,77 Prozentpunkte höhere jährliche Rendite, bei deutlich geringerer Volatilität und geringerem Drawdown. Gleichzeitig verzeichnet das Unternehmensanleiheportfolio bei den stärksten Marktabschwüngen durchschnittlich geringere Verluste (siehe Abb. 2).

Dieses Ergebnis bleibt gleich, unabhängig davon, ob die Zentralbanken die Zinssätze anheben oder senken (siehe Abb. 3 und 4). Anhand der Rendite auf die 10-jährigen deutschen Bundesanleihen als Bezugsgröße wurden die Merkmale der beiden Portfolios in den Jahren, in denen der Zinssatz gestiegen ist (10 von 23 Jahren) und in den Jahren, in denen der Zinssatz gesunken ist (13 von 23 Jahren), berechnet. In beiden Zinsumfeldern weist das Unternehmensanleiheportfolio im Vergleich zu einem Mix aus Staatsanleihen und Aktien eine höhere Rendite bei geringerer Volatilität und damit eine bessere Sharpe Ratio auf.

Angesichts des Zins- und Wachstumsrisikos spielen Investoren Unternehmensanleihen als hybride Anlageklasse im Gegensatz zu „reinen“ Aktien und Staatsanleihen oft herunter. Das ist ein Fehler. Denn de facto bergen alle diese Anlageklassen Chancen und Gefahren im Zusammenhang mit Zinssätzen und systemischen Risiken. Anleihen bieten jedoch bessere risikobereinigte Renditen und erholen sich schneller nach vorübergehenden Abschwüngen. 

Unternehmensanleihen als Herzstück eines optimalen Portfolios

Eine Portfoliooptimierungsanalyse zeichnet ein ähnliches Bild. 

Unabhängig von der Risikotoleranz eines Investors ergibt ein Portfolio aus Staatsanleihen und Aktien niemals das optimale Portfolio, wenn auch Anleihen zur Wahl stehen (siehe Abb. 5). Wir haben festgestellt, dass für jedes angestrebte Risikoniveau die Beimischung von Unternehmensanleihen zu einer Allokation ein optimaleres Portfolio ergibt. 

Für ein risikoarmes Portfolio besteht die optimale Allokation im Wesentlichen aus Investment-Grade-Unternehmensanleihen, mit einer kleinen Allokation in Staatsanleihen und High-Yield-Anleihen, um die Vorteile der Diversifizierung zu nutzen.

Bei einem moderaten Risikoprofil werden Staatsanleihen, Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen in einem ausgewogeneren Verhältnis gemischt.

Bei riskanteren Portfolios (mittleres und hohes Volatilitätsniveau) dominiert die Anlageklasse der High-Yield-Anleihen das Portfolio, wobei ein gewisser Anteil an Staatsanleihen zur Diversifizierung beiträgt. 

Für ein sehr hohes Maß an Volatilität kommen Aktien ins Spiel.

Chancen überwiegen Risiken

Investoren übersehen in der Regel die Vielfalt der Anlageklasse – die Zahl der Emittenten und Instrumente hat in den letzten Jahren stark zugenommen. In Europa ist der Markt, insbesondere für Investment-Grade-Anleihen, in den letzten Jahrzehnten deutlich breiter geworden und gereift.

Gleichzeitig sind die Investoren viel zu pessimistisch, was die Ausfallraten von High-Yield-Anleihen anbelangt.

Fakt ist, dass die Investoren durch die Spreads, also den Aufschlag auf den risikofreien Zinssatz, für das eingegangene Ausfallrisiko mehr als entschädigt werden. 

Wie die Daten zeigen (siehe Abb. 5), lag der jährliche Nennwertverlust bei Ausfällen im gesamten Universum europäischer Unternehmensanleihen (Investment-Grade und High-Yield) in den letzten zwanzig Jahren bei durchschnittlich 0,09%. Wer in Investment-Grade-Anleihen investiert, erhält bei Fälligkeit fast immer den Nennwert der Anleihe zurück, neben den regelmäßigen Zinszahlungen. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen objektiven Grund, stattdessen Staatsanleihen zu kaufen, da Investment-Grade-Anleihen bei ähnlichem Risiko mehr Rendite bringen.

Die durchschnittliche jährliche Ausfallrate bei Investment-Grade-Emissionen – also BB oder höher – ist vernachlässigbar. Das Ausfallrisiko wird erst bei Anleihen mit einem Rating von B relevant und erst bei Anleihen mit einem Rating von CCC und darunter signifikant. Gleichzeitig steigt die Prämie, die die Investoren erhalten, wenn sie ein Kreditrisiko eingehen, rapide an, je niedriger die Bonität ist. De facto werden die Investoren durch die Spreads über das gesamte Ratingspektrum hinweg mehr als entschädigt, da die durchschnittliche jährliche Überrendite, einschließlich Ausfallverlust, bei allen Ratings positiv bleibt.

Zur Einordnung: Bei einem Konkurs von Unternehmen wird oft das Eigenkapital vernichtet. So wurden zwischen 1980 und 2019 mehr als 400 Unternehmen aus dem S&P 500 gestrichen, weil sie sich nicht von ihrer Ausfallgefährdung erholten. Das entspricht einem jährlichen Durchschnitt von 2 Prozent der im Index enthaltenen Unternehmen. Im Gegensatz dazu liegt die durchschnittliche jährliche Ausfallrate bei europäischen High-Yield-Anleihen seit 2001 bei 1,3% des Index-Nennwerts. Wenn ein Unternehmen pleite geht, sinkt der Wert des Eigenkapitals auf Null und für die Investoren bleibt nur noch wenig übrig. Im Gegensatz dazu lag die Erlösquote bei ausgefallenen High-Yield-Anleihen in den letzten 20 Jahren im Durchschnitt bei 40 Prozent. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass aktive Investmentteams den Unternehmen helfen können, Zahlungsausfälle zu vermeiden.

Gleichzeitig hat sich die Kreditqualität europäischer Hochzinsemittenten in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verbessert und ist um zwei Stufen von B2 auf BB3 gestiegen. Das ist signifikant, denn die geschätzte durchschnittliche historische Ausfallwahrscheinlichkeit in der Ratingkategorie BB3 liegt bei 0,37% und damit deutlich unter der in der Kategorie B2 (0,94%). Mit anderen Worten – wer europäische High-Yield-Anleihen hält, ist heute weniger stark einem Ausfallrisiko ausgesetzt als in der Vergangenheit. 

Unternehmensanleihen federn Schocks ab

Anleihen zahlen einen Ertrag und ihr Kurs nähert sich mit zunehmender Laufzeit immer mehr ihrem Nennwert an.

Daher sind Marktschocks, die zu einem Wertverlust von Anleihen führen, zeitlich begrenzt – sobald der Schock vorbei ist, erholen sich die Anleihen in der Regel stark. Im Gegensatz dazu können Aktienkursverluste nach starken Marktturbulenzen fortbestehen. Das liegt daran, dass Anleihen im Gegensatz zu Aktien vertragliche Renditen bieten. 

In der Vergangenheit haben sich europäische High-Yield-Anleihen stets innerhalb von sechs Monaten nach einem Marktabschwung um mindestens 10% erholt, mitunter auch vollständig. Und in allen Fällen wurden die Verluste 18 Monate nach dem Markteinbruch wettgemacht. Eine ähnliche Entwicklung ist auch nach weniger einschneidenden Verlustphasen zu beobachten. Im Gegensatz dazu erholten sich europäische Aktien nach starken Einbrüchen in der Regel viel langsamer und nicht komplett.

Der Versuch, den Markt zu timen, scheitert meist – denn nur wenige sind dazu in der Lage –, und das Verpassen des richtigen Einstiegszeitpunkts geht mit enormen Opportunitätskosten einher. 

Eine strategische Allokation und Geduld belohnen den langfristig orientierten Anleger in Unternehmensanleihen. Der Pull-to-Par-Effekt treibt den Anleihekurs in die Höhe und es wird Carry realisiert. Die Suche nach dem optimalen Ein- und Ausstiegszeitpunkt bei Anleihen, also der Versuch, den Markt zu timen, kann mit erheblichen Opportunitätskosten verbunden sein, zumal die Erholung bei Anleihen in der Regel rascher erfolgt als bei Aktien.

Ganz zu schweigen von den zusätzlichen Vorteilen, die Unternehmensanleihen zu bieten haben. So geben Unternehmen neue Anleihen in der Regel mit einem Abschlag aus, was Erstanlegern eine integrierte Rendite beschert. Oder die Liquiditätsprämie, die mit kleinen Anleiheemissionen verbunden ist. Oder die Tatsache, dass Investoren die Rendite ihres Unternehmensanleiheportfolios durch eine Allokation entlang der Renditekurve verbessern können – Anleihen mit längerer Laufzeit bringen tendenziell höhere Renditen. Oder dass Anleihen oft mit Optionen verbunden sind, eine Komplexität, die zu Fehlbewertungen führen kann und damit Anlagechancen für diejenigen eröffnet, die über die nötigen Tools zur Analyse der Anleihen verfügen.

Worauf es bei Unternehmensanleihen ankommt

Die Kreditmärkte reagieren am empfindlichsten auf Schocks bei den Refinanzierungskosten, die wiederum in erster Linie durch einen Kurswechsel in der Geld- und Finanzpolitik bestimmt werden. Die Geldpolitik wird von einer Kombination aus Realwachstum, Inflation und dem Risiko einer übermäßigen Verschuldung bestimmt, wobei die beiden letztgenannten Faktoren den größten Einfluss auf Veränderungen des risikofreien Zinssatzes und damit auf das Refinanzierungsrisiko haben. Im Gegensatz dazu bewegen sich die realen Wachstumsraten in der Regel innerhalb einer engen Spanne und ändern sich nicht von jetzt auf gleich.

In den letzten fünfzig Jahren haben Anleihen in den meisten Wachstums- und Inflationsphasen stets höhere Renditen erzielt als Staatsanleihen. Ein wachstumsschwaches Umfeld begünstigt in der Regel Anleihen und benachteiligt Aktien. In Zeiten hoher Inflation entwickeln sich Unternehmensanleihen schlecht, aber Aktien ebenso. 

Geduldige Investoren, die einen längeren Anlagehorizont für ihre Unternehmensanleihe-Allokation wählen, werden dafür belohnt. 

Unternehmensanleihen sind genauso wenig eine hybride Anlageklasse wie Aktien. Und das Timing auf dem Unternehmensanleihemarkt ist viel weniger wichtig als für Aktienanleger, bei denen ein verpasster Einstiegszeitpunkt einen ganz erheblichen Unterschied bei den Renditen machen kann. Geduldige Investoren dagegen, die einen längeren Anlagehorizont für ihre Unternehmensanleihe-Allokation wählen, werden dafür belohnt. 

Schließlich bietet die Anlageklasse der Unternehmensanleihen über die Rendite hinaus zusätzliche Chancen, die Investoren nutzen können. Wir haben unseren Investmentprozess unter Berücksichtigung all dieser Faktoren konzipiert, um die Aussichten auf eine langfristig positive und stetige Überrendite zu maximieren.

Von Ermira Marika, Head of Developed Markets Credit bei Pictet Asset Management

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