Trotz der allgemeinen Nervosität könnten die Schwellenländer von einer zweiten Präsidentschaft Donald Trumps profitieren. Zum einen wird sein globales politisches Taktieren auf längere Sicht wahrscheinlich den US-Dollar schwächen, was für Schwellenländeranlagen sehr erfreulich wäre. Gleichzeitig wird die schwache Schuldendynamik in den USA – die sich durch Trump aller Wahrscheinlichkeit nach eher verschlechtern als verbessern wird – zunehmend positiven Einfluss auf Schwellenländer-Staatsanleihen haben, die auf US-Dollar lauten.
Sicherlich wird es in nächster Zeit zu einer erhöhten Volatilität kommen. Die ersten Monate nach seinem Amtsantritt werden mit ziemlicher Sicherheit nicht nur für die Länder in Trumps Fadenkreuz, sondern für die ganze Welt sehr unangenehm sein. Während einige Länder schnell handelspolitische und andere Zugeständnisse machen werden, um in Sachen Zölle das Schlimmste zu verhindern, werden andere, wie China, wahrscheinlich die Hauptlast jedes von Trump angezettelten Handelskriegs tragen.
Einen Teil davon werden die Devisenmärkte abbekommen. Je drastischer die Zölle, desto mehr wird der Dollar wahrscheinlich aufwerten, zumindest anfangs. Währungsabwertungen in anderen Ländern werden ausländische Kreditnehmer, die sich in Dollar verschuldet haben, belasten – das betrifft insbesondere die Schwellenländer. Trump wird wahrscheinlich Zölle als Waffe einsetzen, um seinen Handelspartnern Zugeständnisse abzuringen – das ist seine Kunst des Verhandelns auf der internationalen Bühne. Aber er ist auch darauf bedacht, den Dollar nicht zu sehr in die Höhe zu treiben. Die Produktion nach Hause zu holen, ist eine Sache, aber die USA global wettbewerbsunfähig zu machen, das will er auch nicht. Das Ergebnis könnte der erste Schritt zu einem neuen Devisenbewirtschaftungsabkommen sein. Ein Bretton Woods II ist unwahrscheinlich, aber eine Annäherung an das Plaza-Abkommen von Ronald Reagan, das den Dollar schwächen sollte, ist durchaus möglich.
Eine Abwertung des Greenback, die den seit 15 Jahren andauernden Aufwärtszyklus umkehren würde, wäre der ultimative positive Katalysator für eine Outperformance von Schwellenländeranleihen. Dies würde einen positiven Kreislauf für die Kreditwürdigkeit von Staats- und Unternehmensemittenten der Schwellenländer in Gang setzen, die Währungsdynamik verbessern und die Wertpapierpreise insgesamt beflügeln.
Und dann ist da noch die Haushaltsbilanz der USA. Trotz Trumps Versprechen, die Regierung effizienter zu machen und Bürokratie abzubauen, sind ihm bei den größten Posten im Haushalt, darunter die soziale Sicherheit, politisch die Hände gebunden. Gleichzeitig drängt er auf Steuersenkungen. Das Congressional Budget Office schätzt, dass die Schuldenlast der USA 100% des BIP entspricht und auf 143% ansteigen wird, wenn Trump seine Politik umsetzt. Das US-Defizit ist bereits jetzt eines der höchsten der Welt.
Wenn es Trump gelingt, das Wachstum anzukurbeln, könnte das Defizit entsprechend sinken, aber dahinter steht ein großes Fragezeichen.
Eine US-Schuldenkrise wäre in jedem Fall ein Desaster für Anlagewerte weltweit, aber wir glauben, dass das globale Eigeninteresse so groß ist, dass es nicht zu einer derartigen extremen Entwicklung kommen wird. Zu dieser Einschätzung gelangt Maria Vassalou aus unserem Team in einem kürzlich veröffentlichten Artikelwird in einer neuen Registerkarte geöffnet. Vielmehr gehen wir von einer anhaltenden Erosion der US-Schuldenposition aus, wodurch die USA für globale Sparer immer unattraktiver werden. Alles in allem dürfte sich dies positiv auf Schwellenländeranlagen auswirken, die immer mehr alle Merkmale einer attraktiven Anlage für globale Investoren aufweisen.
Im internationalen Kontext gewinnen die Schwellenländer zunehmend an Bedeutung. Zum einen entfallen auf die Schwellenländer bis zu 58% des weltweiten BIP. Dies spiegelt sich allmählich auch auf den Anlagemärkten wider. Die Marktkapitalisierung von Schwellenländeranleihen beläuft sich auf insgesamt etwa 7 Bio. US-Dollar und die von Schwellenländeraktien auf etwa 7,6 Bio. US-Dollar. Insgesamt weisen diese Anlageklassen eine ordentliche Tiefe auf und sind relativ liquide, auch wenn sie gegenüber den Industrieändern noch erheblichen Nachholbedarf haben – allein der S&P 500 Index hat eine Marktkapitalisierung von rund 48 Bio. US-Dollar.
Die Volkswirtschaften der Schwellenländer dürften aus vielerlei Gründen weiter wachsen: Ihre Institutionen werden zunehmend glaubwürdig – die dortigen Zentralbanken haben insgesamt schneller auf den Anstieg der weltweiten Inflation reagiert und sind seitdem in einer besseren Position, die Geldpolitik zu lockern. Die Verschuldungskennzahlen und die Fundamentaldaten entwickeln sich besser als in den Industrieländern. Die Schwellenländer haben eine geringere Schuldenlast, wachsen schneller und die Aussichten für die demografische Entwicklung sind besser.
Diese Faktoren rücken bei professionellen Investoren immer mehr ins Augenmerk: So verlagern beispielsweise Staatsfonds ihre Portfolios zunehmend in die Schwellenländer. Sie reagieren damit auf eine Zeitenwende in der Weltordnungwird in einer neuen Registerkarte geöffnet.
Das schwindende Vertrauen in US-Staatsanleihen dürfte die Investoren dazu veranlassen, nach Alternativen zu suchen. Da auch andere Regierungen der Industrieländer mit einer hohen Schuldenlast zu kämpfen haben, fällt die Wahl auf Staatsanleihen der Schwellenländer und Unternehmensanleihen der Industrieländer.
Eine stetige Verschlechterung der Schuldenposition der USA würde die Renditen von US-Staatsanleihen tendenziell in die Höhe treiben, und steigende US-Zinssätze waren in der Vergangenheit schlecht für Schwellenländeranlagen. Aber aufgrund ihrer positiven Verschuldungsfundamentaldaten – zuverlässige Zentralbanken, umsichtige Geldpolitik, streng kontrollierte Staatshaushalte usw. – reagieren die Anleihemärkte der Schwellenländer nicht mehr so empfindlich auf die Entwicklung der US-Renditen wie in der Vergangenheit. Und die Entwicklung dieser Fundamentaldaten, einschließlich des Anstiegs der Inlandsnachfrage nach Lokalwährungsanleihen, lässt vermuten, dass diese Sensitivität weiter abnehmen wird. Je nachdem, wie protektionistisch die Welt wird und wie sich die lokalen Handelsblöcke entwickeln, dürften die Schwellenländer daher von den Kapitalströmen profitieren, die aus US-Anlagen abfließen.
Die Verschlechterung der Verschuldungsfundamentaldaten stellt den Ausnahmestatus der USA in Frage. Dieser hatte den Dollar gestützt, der seinen Wert weit über dem von unseren Wirtschaftsexperten geschätzten Fair-Value halten konnte. Eine Aushöhlung des Ausnahmestatus dürfte den Greenback schwächen.
Die enorme Schuldenlast der USA kann nicht ewig – und seien es nur ein paar Jahre – so zunehmen wie in den letzten Jahren, ohne dass sich das rächen wird Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass es zu einem katastrophalen Stillstand kommen wird. In jedem Fall verheißt die Lösung dieses Problems Gutes für die Volkswirtschaften der Schwellenländer und ihre Anlageklassen. Aber bis dahin vergeht noch viel Zeit. Mit Blick auf die nähere Zukunft gehen wir davon aus, dass Trumps politische Maßnahmen zwar viel Staub aufwirbeln und die Volatilität bei Schwellenländeranlagen verstärken werden, dass die Schwellenländer aber als Gewinner hervorgehen werden, sobald sich der Staub gelegt hat.
Von Christopher Preece, Investment Manager, Pictet Asset Management