Das Potenzial von Adipositas-Medikamenten unter der Lupe

Die nächste Generation von GLP-1-Therapien verspricht mehr als nur Erfolg beim Abnehmen. Pictet Asset Management | 17.03.2025 08:37 Uhr
© e-fundresearch.com / Canva
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Schätzungen zufolge hat jeder achte Amerikaner in den letzten zwei Jahren Medikamente zur Gewichtsreduktion wie Ozempic eingenommen. Die zunehmende Verbreitung dieser Medikamente birgt ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial und könnte die Medizin-, Lebensmittel- und Freizeitbranche nachhaltig verändern.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie unserer Analysten und Anlageverwalter, die zusammen mehr als 10,5 Milliarden US-Dollar in Aktienportfolios aus den Bereichen Gesundheit, Biotechnologie, Konsumgüter und Nahrungsmittel betreuen.

Beim Blick auf die nächste Generation von Medikamenten gegen Fettleibigkeit kommen unsere Investmentexperten zu dem Schluss, dass diese in drei wesentlichen Punkten klare Vorteile gegenüber den bisherigen Präparaten haben und zudem über ein deutlich größeres Marktpotenzial verfügen.

In erster Linie erhofft man sich weniger – und weniger schwere – Nebenwirkungen.

Denn ein Hauptproblem aktueller GLP-1-Medikamente sind Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Magen-Darm-Beschwerden. Diese können zwar mit der Zeit abklingen, führen aber dazu, dass viele Patienten die Behandlung abbrechen.

Verschiedene Pharma- und Biotechnologieunternehmen arbeiten daher nun gezielt an besser verträglichen Wirkstoffen.

Ein weiteres mögliches Verbesserungsmerkmal neuer Medikamente ist die Art der Gewichtsabnahme. Viele bisherige Präparate führen neben dem Fettabbau auch zum Verlust von Muskelmasse, was gesundheitliche Risiken birgt. Die Medikamentenentwickler forschen deshalb an neuen Ansätzen, die eine Gewichtsreduktion ohne Muskelabbau ermöglichen. Dabei kommen verschiedene Modifikationen bestehender Medikamente infrage.

Schließlich könnte eine neue Generation von Adipositas-Medikamenten den Weg für individuellere Behandlungen zur Gewichtsreduktion ebnen. Eine der vielen Schwierigkeiten bei der Bekämpfung von Adipositas ist nämlich, dass die Erkrankung häufig mit anderen medizinischen Problemen oder Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Arthrose oder Diabetes einhergeht. In Zukunft könnten verschiedene Behandlungsansätze so kombiniert werden, dass sie auf die spezifischen Krankheitsbilder der Patienten abgestimmt sind.

Unseres Wissens befinden sich derzeit Dutzende solcher Hybridmedikamente in der frühen Phase klinischer Studien. All diese Verbesserungen erhöhen die Chancen, dass Patienten künftig eine dauerhafte Gewichtsreduktion von 25 Prozent erreichen können. Dies wiederum erschließt weiteres kommerzielles Potenzial. Tatsächlich könnte das Marktvolumen für Adipositas-Therapien dank wirksamerer und besser verträglicher Medikamente in den nächsten drei Jahren auf 75 Milliarden US-Dollar und bis 2030 auf 100 Milliarden US-Dollar steigen.

Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen wären enorm: Derzeit ist jeder vierte Erwachsene in den Industrieländern fettleibig. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte Adipositas die Weltwirtschaft bis 2035 jährlich bis zu 4 Billionen US-Dollar (3 Prozent des BIP) kosten.

Das Potenzial von GLP-1-Medikamenten geht jedoch über die Behandlung von Fettleibigkeit hinaus.

Studien zeigen, dass sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt senken, auch wenn die Patienten weniger schnell und weniger stark abnehmen. Außerdem wurden entzündungshemmende Eigenschaften nachgewiesen, und die Medikamente könnten den Verlauf bestimmter Krebsarten, insbesondere des Verdauungstrakts, positiv beeinflussen.

Als weiteren positiven Nebeneffekt nennen die Patienten weniger Heißhungerattacken und weniger Verlangen nach Suchtmitteln. GLP-1-Medikamente scheinen neben der Appetitkontrolle auch Hirnregionen zu beeinflussen, die das Suchtverhalten regulieren, und könnten daher potenziell zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen eingesetzt werden.

Darüber hinaus verdichten sich die Hinweise, dass GLP-1-Agonisten auch zur Behandlung von Alzheimer geeignet sein könnten. Der Ozempic-Hersteller Novo Nordisk plant, in Kürze Ergebnisse aus klinischen Phase-III-Studien zum kognitiven Abbau zu veröffentlichen.

Das Marktvolumen für Adipositas-Therapien könnte dank wirksamerer und besser verträglicher Medikamente in den nächsten drei Jahren auf USD 75 Mrd. und bis 2030 auf USD 100 Mrd. steigen.

Trotz dieser vielversprechenden Aussichten ist noch unklar, ob die breitere Anwendung von GLP-1-Medikamenten bestehende medizinische Produkte und Verfahren, die wir heute zur Behandlung von Herzkrankheiten, Krebs und Hirnerkrankungen einsetzen, verdrängen wird.

Insgesamt ist es schwierig, die Auswirkungen von Adipositas-Medikamenten auf das Gesundheitssystem abzuschätzen, da unterschiedliche Kräfte am Werk sind.

In der Orthopädie beispielsweise berichten einige Kliniken von einer sinkenden Nachfrage nach orthopädischen Hilfsmitteln, da die Menschen durch die Gewichtsabnahme ihre Gelenke weniger belasten und somit weniger Knieoperationen notwendig werden.

Andererseits macht eine Gewichtsreduktion bei ehemals stark Übergewichtigen bestimmte chirurgische Eingriffe wahrscheinlicher, die vorher nicht möglich waren. Dies könnte etwa die Nachfrage nach Knieprothesen erhöhen. Wenn Medikamente gegen Adipositas die Lebenserwartung verbessern, indem sie das Risiko von Diabetes, Nieren- und Herzerkrankungen senken, könnten diese Menschen im Alter dennoch andere medizinische Interventionen benötigen.

Versicherer und staatliche Gesundheitsdienstleister müssen zwei Aspekte gegeneinander abwägen: einerseits die hohen Kosten und die langfristige Einnahme von GLP-1-Medikamenten, da es Hinweise darauf gibt, dass Patienten nach der Behandlung zu ihren alten Essgewohnheiten und ihrem alten Gewicht zurückkehren; andererseits die unbestreitbaren Vorteile.

Etwas deutlicher, wenn auch sehr langsam, zeichnet sich der Erfolg der Adipositas-Medikamente im Lebensmitteleinzelhandel und in der Freizeitindustrie ab.

Beginnen wir bei den Lebensmitteln.

Da Adipositas-Medikamente den Appetit unterdrücken, könnte mit ihrer zunehmenden Verbreitung der Konsum bestimmter Lebensmittel und Getränke zurückgehen. Ein großer Teil der Bevölkerung in Industrieländern wird im Durchschnitt weniger Kalorien zu sich nehmen.

Ein Nachfragerückgang würde unserer Einschätzung nach vor allem ungesunde Produkte wie Softdrinks, verarbeitete Lebensmittel, Alkohol und Süßwaren betreffen – alles wichtige Umsatzträger der globalen Lebensmittelindustrie. Auch wenn es mangels konkreter Zahlen noch zu früh ist, die Auswirkungen abzuschätzen, ist es durchaus denkbar, dass sich die Einstellung der Verbraucher zu ungesunden Lebensmitteln – und damit auch ihr Konsum – grundlegend ändern wird.

Dadurch geraten auch konventionelle Produkte und Dienstleistungen zur Gewichtsreduktion unter Druck. Während einige Anbieter ihre Produkte als Ergänzung zu Adipositas-Medikamenten positionieren könnten, stellen GLP-1-Medikamente für viele Unternehmen in diesem Bereich eine existenzielle Bedrohung dar.

Umgekehrt könnten Anbieter, die sich auf bestimmte Bereiche wie gesunde Ernährung spezialisiert haben, wirtschaftlich erheblich profitieren, wenn sich Adipositas-Therapien durchsetzen.

Die Hinweise verdichten sich, dass GLP-1-Agonisten auch zur Behandlung von Alzheimer eingesetzt werden könnten.

Die Anlageverwalter der Nutrition-Strategie von Pictet Asset Management erwarten, dass Unternehmen, die Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel herstellen, zu den größten Gewinnern gehören werden.

Denn selbst wenn die Kalorienzufuhr um etwa 20 bis 30 Prozent reduziert wird – was bei der Einnahme von Adipositas-Medikamenten normalerweise der Fall ist –, bleibt der Grundbedarf an Nährstoffen unverändert.

Mit anderen Worten: Wenn adipöse Patienten Gewicht verlieren und weniger essen, ist zu erwarten, dass Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine und funktionelle Lebensmittel, die in den Industrieländern jeder Dritte konsumiert, einen größeren Anteil an der täglichen Nahrungsaufnahme ausmachen. Einige Lebensmittelhersteller aus unserem Anlageuniversum stützen diese These. So ergab eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter GLP-1-Anwendern, dass mehr als ein Drittel der Befragten seit Beginn der Adipositas-Behandlung auch Nahrungsergänzungsmittel wie Probiotika und Vitamine einnimmt.

Abschließend ein Blick auf die Freizeitindustrie: Auch hier sorgen GLP-1-Medikamente für einen Wachstumsschub. Ein gesünderer Lebensstil liegt zwar schon länger im Trend, doch der Rückgang der Zahl übergewichtiger Menschen könnte die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen der Wellness-Branche weiter ankurbeln. Profiteure wären also Segmente wie Sportmode und Sportnahrung sowie tragbare Gesundheits- und Fitnessgeräte.

Mehr zur Studie:

Die folgenden Anlageexperten von Pictet Asset Management haben an dieser Studie mitgewirkt: Flora Liu (Client Portfolio Manager, Thematic Equities), Gillian Diesen (Senior Client Portfolio Manager, Thematic Equities), Mayssa Al Midani (Senior Investment Manager, Nutrition), Alex Howson (Senior Investment Manager, Nutrition), May Hammoud (Investment Manager, Nutrition), Marine Jacquemoud (Investment Manager, Nutrition), Caroline Reyl (Head of Premium Brands, Thematic Equities), Laurent Belloni (Senior Investment Manager, Premium Brands), Aline Reichenbach (Investment Manager, Premium Brands), Marien-Baptiste Pouyat (Senior Investment Manager, Human), Dominique Lachal (Investment Manager, Human), Pamela Saliba (Investment Manager, Human), Grégoire Biollaz (Senior Investment Manager, Health), Moritz Dullinger (Senior Investment Manager, Health), Tazio Storni (Senior Investment Manager, Health and Biotech), Lydia Haueter (Senior Investment Manager, Biotech), Marco Minonne (Senior Investment Manager, Biotech), Eugénio Martin-Fougeroux (Investment Manager, Biotech).

1 Die folgenden Anlageexperten von Pictet Asset Management haben an dieser Studie mitgewirkt: Flora Liu (Client Portfolio Manager, Thematic Equities), Gillian Diesen (Senior Client Portfolio Manager, Thematic Equities), Mayssa Al Midani (Senior Investment Manager, Nutrition), Alex Howson (Senior Investment Manager, Nutrition), May Hammoud (Investment Manager, Nutrition), Marine Jacquemoud (Investment Manager, Nutrition), Caroline Reyl (Head of Premium Brands, Thematic Equities), Laurent Belloni (Senior Investment Manager, Premium Brands), Aline Reichenbach (Investment Manager, Premium Brands), Marien-Baptiste Pouyat (Senior Investment Manager, Human), Dominique Lachal (Investment Manager, Human), Pamela Saliba (Investment Manager, Human), Grégoire Biollaz (Senior Investment Manager, Health), Moritz Dullinger (Senior Investment Manager, Health), Tazio Storni (Senior Investment Manager, Health and Biotech), Lydia Haueter (Senior Investment Manager, Biotech), Marco Minonne (Senior Investment Manager, Biotech), Eugénio Martin-Fougeroux (Investment Manager, Biotech).

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