An Tag eins nach dem Lehman-Untergang begann die Fed auf bis dahin einzigartige Weise, ihre Bilanz zu verlängern, indem sie zuerst illiquide Wertpapiere kaufte und den Zentralbanken von dollarhungrigen Ländern Swap-Vereinbarungen anbot. Damit schlüpfte die Fed in die Rolle der letzten Finanzierungsinstanz (Lender of last Resort), die Walter Bagehot vor über hundert Jahren erstmals beschrieben hatte. Aber schon kurze Zeit später richtete die amerikanische Notenbank ihre Bilanzsumme an der Konjunktur aus und weitete ihre Staatsanleihen- und ABS-Kaufprogramme aus. Ziel dieser „quantitativen Lockerung“ (QE) war, einen Rückgang der Geldmenge und deren deflationäre Folgen zu verhindern. Für diese schwierige Aufgabe war niemand besser geeignet als Ben Bernanke1, der einen Großteil seiner wissenschaftlichen Laufbahn damit verbracht hat, die Ursachen der Großen Depression und von Japans „verlorenem Jahrzehnt“ zu erforschen.
Diese Maßnahmen sind nicht nur außergewöhnlich, sondern haben auch ihre Tücken. Erstens verzerren sich durch sie nicht nur die Preise von Staatsanleihen, sondern die Kurse von sämtlichen Finanzanlagen. Der Rückgang der Risikoprämien kann, auch wenn er absichtlich herbeigeführt wird, zu unerwünschten Preisblasen und Moral Hazard führen. Zweitens kann der unbegrenzte Kauf von Staatsanleihen eine Monetarisierung von Staatsschulden in einem Maße zur Folge haben, dass möglicherweise enorme Inflationsrisiken entstehen.²
Auch wenn im Offenmarktausschuss alles andere als Einigkeit über dieses kritische Thema herrscht, hat er jetzt mehrheitlich beschlossen, die Wertpapierkäufe zu beenden und läutet damit den Beginn eines langen Normalisierungsprozesses ein. Für ihn gibt es keinen Präzedenzfall, und genau das ist die Hauptursache für die derzeitige Unsicherheit. Welche Auswirkungen nun hat eine Rückführung des Quantitative Easing und was sind die Folgen für Finanzanlagen?
Die wichtigste − und eine besonders strittige – Annahme unserer Analyse ist, dass die Ankündigung des Endes von QE die Basis für einen langfristigen Anstieg der Langfristzinsen in den USA und allen Ländern ist, auf die die US-Geldpolitik Auswirkungen hat. Im ersten Akt dürfte die Fed den Anstieg der amerikanischen Staatsanleiherenditen sehr genau im Auge behalten. Solange sie noch immer nach Bedarf Wertpapiere kauft, kontrolliert sie den Markt nicht unerheblich. Sobald QE zu Ende ist, werden die Märkte auf die Entwicklung der Kurzfristzinsen während der Normalisierung achten. Auch die Inflationsrisiken, eine Spätfolge der Krise, werden (wenn auch nicht sofort) wieder zu einem Thema. Beispielsweise hat sich die Geldmenge seit Ausbruch der Krise vervierfacht. Nach dem ersten Akt dürften die Märkte vor allem einmal sehr unruhig werden.
Für unsere Analyse der möglichen Folgen des Endes von QE für Finanzanlagen nutzen wir eine Vielzahl von Modellen sowie qualitative Einschätzungen. Interessant ist für uns vor allem die mittelfristige Entwicklung, also die Veränderung von Renditen, Erträgen und Wechselkursen bis Ende 2014. Für die USA haben wir andere Ergebnisse erhalten als für die übrigen Länder, und zwar aus einem einfachen Grund: In den USA beeinflussen sich Assetpreise und Konjunktur gegenseitig – über Vermögenseffekte auf der Nachfrageseite und die Kapitalkosten auf der Angebotsseite. Das kann die Fed nicht einfach ignorieren. Wir haben diese für Aktien positive Rückkopplung den Bernanke-Put genannt. Da die Fed keinen direkten Einfluss auf andere Länder hat, könnte das Ende von QE auf sie ganz unterschiedliche Auswirkungen haben. Und genau das ist das Ergebnis unserer Analyse: Während die europäischen Märkte vermutlich so ähnlich reagieren werden wie die in den USA, dürfte das Ende von QE die Emerging Markets am härtesten treffen. An einer Reihe von ihnen gab es bereits heftige Einbrüche, und unserer Einschätzung nach sind zumindest in einigen Emerging Markets weitere Korrekturen wahrscheinlich.
(1) Vgl. beispielsweise „Deflation: Making Sure ‚It‘ Doesn’t Happen Here“, Rede von Notenbankchef Ben S. Bernanke vor dem National Economists Club, November 2002.
(2) Eine Gefahr, auf die Thomas Sargent und Neil Wallace in ihrem berühmten Aufsatz „Some Unpleasant Monetarist Arithmetic“, im Quarterly Review of the Fed Bank of Minneapolis, 1981, verwiesen haben.