Christina Böck, Head Solution Strategist Central Europe bei AXA Investment Managers, erläutert, wie sich das in der Praxis äußert und wie externe Dienstleister unterstützen können.
Frau Böck, warum wächst der Beratungsbedarf bei Versicherungsunternehmen?
Christina Böck: Versicherer müssen heute verschiedene und teilweise widersprüchliche Zielsetzungen verfolgen. Die Anforderungen an die Kapitalausstattung durch Solvency II und die Verteilung eines limitierten Risikobudgets auf die Renditequellen in Einklang zu bringen mit den in einigen europäischen Ländern sehr hohen Mindestgarantiezinsen ist eine echte Herausforderung. Hier besteht also Beratungsbedarf auf beiden Ebenen – hinsichtlich der Anlageentscheidungen wie der Regulierung. Versicherungsunternehmen müssen wissen, welche Anlageklassen im Zusammenhang mit Solvency II gute Charakteristiken aufweisen und mit welchen Kriterien man die besten Allokationsentscheidungen fällt. Hinzu kommt der Regulierungsaspekt: Wie können diese als interessant befundenen Anlageklassen strukturiert werden, um überhaupt rechtlich zulässig zu sein und günstig, das heißt mit wenig Volatilität, in der Bilanz verbucht zu werden?
Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Christina Böck: Ein Beispiel sind kommerzielle Immobilienkredite, auch als Commercial Real Estate Loans (CRE) bekannt. Bei dieser Anlageklasse treten die Investoren nicht als Käufer einer Liegenschaft auf, sondern gewähren den Eigentümern ein Darlehen. Dadurch unterliegen sie unter Solvency II einer anderen Risikoeinstufung: Sie werden im Rahmen des Spreadrisikomoduls behandelt. Unter den neuen aufsichtsrechtlichen Bedingungen und in der aktuellen Marktsituation kann die Anlageklasse ihre Vorzüge für die Versicherungswirtschaft voll ausspielen. Dazu zählt ihr Chance-Risiko-Profil, das dem der Immobilienwirtschaft naturgemäß vergleichbar ist. Vor allem aber bieten CRE-Loans Versicherungsunternehmen attraktive Renditen bei vergleichsweise geringen Kapitalunterlegungspflichten. Die Vorteile dieser Anlageklasse dürften vielen institutionellen Anlegern allerdings nicht bekannt sein – auch, weil Investitionen in Immobilien im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise in die Kritik gerieten. Hier besteht also Aufklärungsbedarf.
Wie stellt sich die Situation bei Pensionskassen dar?
Christina Böck: Ähnlich wie bei Versicherern – die Nachfrage nach Beratung nimmt zu. Pensionskassen müssen hohe Renditen bei der Anlage erzielen, ohne dabei ein zu großes Risiko einzugehen. Die entscheidende Frage ist also, wie sie das Risiko von sich verändernden Verbindlichkeiten absichern. Die Höhe der Verbindlichkeiten wiederum hängt von Zinsen, Inflation und einem Kreditspread ab. Diese Abhängigkeit ist kürzlich durch IAS 19, also Änderungen bei der Bilanzierung von Pensionsleistungen durch IFRS, verstärkt worden. Momentan realisieren deutsche Pensionskassen die gesteigerte Volatilität in ihrer Bilanz. Das Absichern dieser Risiken heißt allerdings bei den extrem niedrigen aktuellen Zinsen, einen Verlust festzuschreiben, daher der erhöhte Beratungsbedarf.
Können institutionelle Anleger diese Anforderungen überhaupt eigenständig stemmen?
Christina Böck: Gerade für kleinere Versicherer oder Vorsorgeeinrichtungen ist es schwierig, mit den veränderten Prozessen Schritt zu halten. Sie verfügen häufig nicht über die internen Ressourcen, um die Anforderungen bewältigen zu können. Eine mögliche Lösung ist, Teile der Wertschöpfungskette an einen externen Dienstleister zu delegieren – dieser Trend wird in Zukunft noch zunehmen. Deshalb entstehen heute in vielen größeren Asset Management-Firmen Abteilungen mit dem Begriff „Solutions“. Sie beraten institutionelle Kunden dabei, die Investitionen so zu strukturieren, dass ihre Anlageziele bestmöglich erreicht werden. Um das sinnvoll zu tun, braucht es allerdings eine fundierte Kompetenz in Bereichen wie Regulierung, Buchhaltung, Aktiv-Passiv-Verhältnisse und sonstigen Ansprüche der Kunden. Es bleibt abzuwarten, ob alle Asset Manager diese Expertise mit ausreichender Qualität erfüllen können.