Ein schwaches, wenn nicht gar rückläufiges Gewinnwachstum sowie die Sorge um die finanzielle Stabilität waren die beiden wichtigsten Gründe, warum wir bisher gegenüber chinesischen Aktien eher skeptisch eingestellt waren. Diese Bedenken haben besonders auf den Finanzwerten gelastet und tatsächlich zu einer allgemeinen Abwertung chinesischer Aktien geführt, so dass diese heute ein Abschlag von rund 40 Prozent gegenüber den Weltmärkten aufweisen – basierend auf vorausschauenden Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV).
Dominanz staatseigener Betriebe
Drei Faktoren führten zu einem geringen Gewinnwachstum in den letzten Jahren. Erstens haben sich die Margen von privaten Firmen stark verschlechtert. Grund dafür war die Dominanz der staatseigenen Betriebe. Das schlug sich negativ auf den Wettbewerb nieder, und es fehlten Anreize, die Profitabilität zu verbessern. Zudem stiegen die Lohnkosten schneller als die Produktivität. Zweitens haben chinesische Firmen hohe Fixkosten. Sie brauchen hohe Verkaufszahlen, um profitabel zu sein und sind darum extrem anfällig für eine leicht schwächere Konjunktur.
Starkes Kreditwachstum
Drittens hat die hohe Emissionstätigkeit von Aktien die Gewinnbeteiligung stark verwässert – dies liegt insbesondere an der geringen Größe des Anleihenmarktes als Alternative zur Refinanzierung der Firmen.
Besonders pessimistisch waren wir für chinesische Finanzwerte, also Banken und Immobilienentwickler. Tatsächlich musste das starke Kreditwachstum einen Anstieg der notleidenden Kredite fürchten lassen. Und der Immobilienmarkt war ebenfalls alles andere als vertrauenerweckend.
Viele Sorgen sind heute nicht mehr präsent Doch was hat sich nun so positiv geändert, dass wir uns heute chinesische Aktien gerne ansehen und in ein globales Aktienportfolio aufnehmen? Ein wichtiger Aspekt ist, dass viele dieser Sorgen inzwischen Realität wurden, heute also nicht mehr vor uns stehen, und in den Preisen zum allergrößten Teil enthalten sind.
Zügel gelockert
Die Regierung unternimmt außerdem ernsthafte Schritte, um den Unternehmenssektor zu reformieren: Bei staatseigenen Firmen sind dies insbesondere gemischte Eignerstrukturen sowie ein reduzierter politischer Einfluss und besseres Management mit dem klaren Ziel, die Praktiken in diesen Firmen den Marktstandards anzupassen.
Den privaten Firmen werden die Zügel entschieden gelockert: Mehr als 600 Einzelregeln sind schon eliminiert worden. Dadurch ist die Anzahl neu registrierter Unternehmen extrem angestiegen. Die Bedingungen für private und öffentliche Unternehmen sollen auf vielen Niveaus angeglichen werden: Zugang zu Finanzierung, Marktzugang zu bisherigen Staatsmonopolen, Initiativen für die Stärkung von Forschung und Innovation sollen China helfen, in der Wertschöpfungskette zu steigen und somit die Fixkosten zu senken.
Stabilere Banken
Was den Aktienmarkt selbst angeht, gibt es auch hier sehr positive Zeichen. Die schrittweise Liberalisierung der Kapitalbilanz ermöglicht eine höhere Liquidität der A-Aktien. Die Sorge um die Bankenstabilität wird geringer, wenn man ihre Bemühungen beobachtet, die Schattenbankenexposition zu reduzieren, die Kapitalbasis zu stärken und das Problem der notleidenden Kredite ernsthaft anzugehen.
Für die nächsten zwölf Monate erwarten wir wegen dieser positiven Entwicklungen eine gute Performance von chinesischen Aktien über zwei Kanäle: Einerseits sollten die Risikoprämien nun sinken, andererseits besteht wieder Aussicht auf Gewinnwachstum.
In den vergangenen drei Monaten haben zahlreiche Analysten ihre Gewinnprognosen erhöht – ein weiteres Zeichen dafür, dass der Konsens zuvor wohl zu pessimistisch war.
Christina Böck, CIO Switzerland & Head Solution Strategists Central Europe, AXA Investment Managers