In den vergangenen Jahren sind immer mehr private Schuldner mit immer höheren Emissionsvolumina an den Kapitalmarkt gekommen. Doch parallel dazu haben sich viele Banken aus dem Handel mit Unternehmensanleihen zurückgezogen. Grund dafür ist die vergleichsweise hohe Unterbewertung von Liquiditätsrisiken im 2. Quartal 2014. Die wurde zwar inzwischen teilweise korrigiert, liegt aber noch immer unter dem historischen Durchschnitt. Darauf weist Gregory Venizelos, Anlageexperte von AXA Investment Managers hin. „Die Banken stehen unter unvermindertem Regulierungsdruck. Sie müssen ihre Bilanzen in Ordnung bringen und Risiken abbauen“, erklärt Venizelos in einem aktuellen Researchpapier. „Das wirkt sich auf ihren Wertpapierhandel und die Möglichkeiten für ein Market-Making aus.“
Zinsorientierte Anleger im Allgemeinen und Investoren, die sich auf Unternehmensanleihen im Besonderen fokussiert haben, sollten diese Entwicklung im Auge behalten. Denn die Kreditmärkte bekommen dadurch mehr und mehr die Merkmale eines typischen OTC-Handels zu spüren. „Vor allem in Phasen, in denen die Anleger in sichere Häfen flüchten und Risiken in ihrem Portfolio abbauen, kann es zu unkontrollierten Preissprüngen kommen, die unabhängig sind von der Qualität einzelner Papiere“, fürchtet der Experte. „Denn der professionelle Handel ist in dieser Situation kaum mehr in der Lage, größere Bestände, die an den Markt kommen, aufzunehmen.“
US-Bestand seit 2007 auf ein Fünftel gesunken
Den Kräftewandel am Markt belegen Zahlen unter anderem von Bloomberg und der US-Notenbank in New York, die AXA Investment Managers ausgewertet hat. So halten Händler in den USA nur noch ein Fünftel der Anleihebestände von 2007. Gleichzeitig hat sich das Emissionsvolumen seitdem mehr als verdoppelt. „Die Schere zwischen den stark gewachsenen Kreditmärkten auf der einen Seite und dem Rückzug des professionellen Handels auf der anderen Seite ist jedoch teilweise durch eine Reihe von Faktoren kompensiert worden“, sagt Venizelos. Dazu gehören stärkere Aktivitäten am Primärmarkt und ein schnellerer Umschlag von Beständen durch den professionellen Handel. Der bekommt dabei Unterstützung vom Voranschreiten elektronischer Handelsplattformen, die den Handel beschleunigen und dafür sorgen sollen, dass laufend marktgerechte An- und Verkaufkurse festgestellt werden. „'Teilweise' ist allerdings die entscheidende Einschränkung in diesem Zusammenhang“, so der AXA-Experte, „denn keiner dieser Faktoren kann für sich genommen die Liquidität eines gut organisierten, professionellen Handels ersetzen – vor allem dann nicht, wenn institutionelle Investoren einen "Exit" bei Unternehmensanleihen suchen und größere Bestände auf den Markt werfen.“
Neue Lösungen machen Hoffnung auf bessere Liquidität
Ein Grund dafür: An vielen der neuen elektronischen Handelsplätze lassen sich bislang nur kleinere Orders abwickeln, da sie sich eher an Retail-Anleger denn an institutionelle Investoren wenden. „Das heißt allerdings nicht, dass auf Dauer keine Lösung in Sicht ist“, sagt Venizelos. „Derzeit gibt es eine Reihe von Projekten, die zusammengenommen Anlass geben zu der Hoffnung, dass sie die Liquidität an den Anleihemärkten verbessert.“ Dazu gehört zum Beispiel die Entwicklung von neuen, intelligenten Handelsplattformen, die die offenen Positionen (open interest) aller Marktteilnehmer sowohl im Handel zwischen Kunden und Händler als auch im Handel untereinander berücksichtigen. Dazu wird als weitere Neuerung an einer Standardisierung von neu begebenen Unternehmensanleihen gearbeitet, so wie das bereits am Markt für Credit Default Swaps (CDS) der Fall ist. Zwar wird dadurch die Flexibilität der Emittenten eingeschränkt. Allerdings bietet eine stärkere Konfektionierung die Grundlage dafür, größere Ordervolumina im elektronischen Handel abzuwickeln.