„Das Risiko eines Government Shutdowns in den USA im Dezember steigt“, warnt David Page, Senior Economist bei AXA Investment Managers (AXA IM). Vergangene Woche hatte sich der US-Kongress in letzter Minute nur auf einen Übergangsetat bis zum 11. Dezember verständigen können und damit den Shutdown der Regierung, also die vorübergehende Schließung von Behörden wegen fehlender finanzieller Mittel, zumindest kurzfristig verhindert. Doch auf eine langfristige Lösung konnten sich Senat und Repräsentantenhaus, die von den Republikanern dominiert werden, nicht einigen. Ein wesentlicher Streitpunkt ist dabei die Finanzierung der Familienplanungsorganisation Planned Parenthood, die unter anderem Schwangerschaftsabbrüche durchführt.
Bis zum 11. Dezember stünden noch eine Reihe weiterer wichtiger Haushaltsfragen an. So läuft etwa Ende Oktober das Finanzierungprogramm zum Autobahnbau ab, spätestens im Dezember stehen Verhandlungen zur Erhöhung der Schuldenobergrenze an und ein längerfristiges Ausgabenpaket soll verabschiedet werden. Zudem endet im Dezember eine zweijährige Ausgabenbegrenzung. Die politischen Positionen sind gegensätzlich: Während viele Republikaner gerne den Verteidigungsetat erhöhen würden, wünschen sich die Demokraten eine entsprechende Erhöhung des nicht-verteidigungsbezogenen Budgets. „Es wäre ambitioniert zu hoffen, dass diese Themen Ende Oktober beigelegt werden, insbesondere vor dem Hinter-grund des Kampfs um den Führungsanspruch im Parlament“, erklärt Page.
Nach dem Rücktritt des Sprechers des Repräsentantenhauses, John Boehner, werde sein Nachfolger am 11. Dezember wahrscheinlich mit der gleichen Situation konfrontiert wie sein Vorgänger: „Obwohl die Republikaner eine Erhöhung der Schuldenobergrenze wohl nicht blockieren, werden sie doch weiterhin Widerstand leisten gegen eine Finanzierung von Planned Parenthood. Und dann droht ein Jahresend-Shutdown“, meint der Volkswirt.
Und der könnte laut Page verschiedene Konsequenzen haben: Als Obamas Regierung zuletzt im Oktober 2013 aufgrund einer Haushaltsblockade durch die Republikaner gezwungen war, Beamte in den Zwangsurlaub zu schicken und Behörden zu schließen, dauerte die Blockade 16 Tage. Das kostete die US-Volkswirtschaft rund 24 Milliarden US-Dollar und einen Rückgang des Wirtschaftswachstums um 0,5 Prozent. Betroffen waren davon vor allem kleinere Unternehmen. Eine Wiederholung dieser Situation könnte auch den Wirtschaftsausblick für 2016 senken – auf unter zwei Prozent, sagt der Experte.
Sollte sich der Kongress Ende des Jahres nicht auf eine gemeinsame Ausgabenpolitik einigen, dann könnte dies außerdem in einen strafferen finanzpolitischen Kurs münden und damit 2016 für Gegenwind sorgen. Und schließlich werde ein Shutdown einen ganz wesentlichen Einfluss haben auf die lange erwartete Entscheidung der Fed am 16. Dezember. „Es wäre sehr erstaunlich, wenn die US-Notenbank inmitten eines Shutdowns ihre Geldpolitik straffen würde. Ihre Entscheidung würde also auf 2016 verschoben“, sagt Page.
Uwe Diehl, Head of Client Group Germany & Austria bei AXA IM, rät Investoren, sich nicht aufgrund kurzfristiger politischer Störfeuer von Engagements am US-Aktienmarkt abhalten zu lassen: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich die US-Politiker trotz aller Schwierigkeiten und Gegensätze noch immer auf einen Kompromiss geeinigt haben.“ Ohnehin sei das politische Tagesgeschehen für langfristig orientierte Anleger nicht der entscheidende Faktor. „Über wirklich lange Zeithorizonte kommt es vor allem auf die Innovationskraft der Volkswirtschaft insgesamt und die Entwicklung der Gewinne jedes einzelnen Unternehmens an. In beiden Punkten gehören die USA nach wie vor zur absoluten Weltspitze.“ Für Diehl ist die Sache aus Investorensicht daher klar: Der wichtigste Aktienmarkt der Welt sollte ein strategisches Kerninvestment in jedem diversifizierten Portfolio darstellen. „Das sollten Anleger nie aus den Augen verlieren – auch wenn sie Ereignisse wie die Diskussion um einen erneuten Government Shutdown für einen taktischen Ein- oder Ausstieg nutzen wollen.“