Die Zinskurven in den USA deuten derzeit nicht auf eine Rezession hin. Andere Indikatoren der US-Wirtschaft wie der Capex, der Investitionsausgaben für längerfristige Anlagegüter misst, und die Arbeitslosenzahlen scheinen ihren Höhepunkt schon überschritten zu haben. Wie wird sich die amerikanische Wirtschaft Ihrer Meinung nach unter diesen Vorzeichen künftig entwickeln?
Will Jump: Wir analysieren die USWirtschaftaus einer langfristigen Perspektive und betrachten vor allem die Ertragszyklen von Unternehmen, weil die Unternehmenserträge unseren Investmentprozess maßgeblich beeinflussen. Auf aggregierter Basis steigen die Gewinne derzeit, allerdings langsamer als in den vergangenen Jahren. Diese Verlangsamung hat zwar zu einiger Nervosität geführt, aber in unseren Augen gibtes keine Anzeichen für eine bevorstehende Rezession. Dabei ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass der Abfall des Capex größtenteils auf einen Rückgang des Ölpreises zurückgeht, der die Gewinnmargen der Produzenten hart getroffen hat. Außerhalb dieses Sektors bleiben die Gewinnmargen weiterhin auf einem akzeptablen Niveau. Die Daten aus dem vergangenen Februar sehen auch schon positiver aus.
Es könnte also langfristig wieder bergauf gehen. Können Sie eine Prognose über das zu erwartende Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 geben?
Will Jump: Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Gewinne der amerikanischen Unternehmen im laufenden Jahr wachsen werden. Der Markt erwartet ein Gewinnwachstum der Unternehmen im S&P 500, das um die vier Prozent liegt. Die Aussichten für den Energie- und Grundstoffsektor sind herausfordernd, gerade dann, wenn man die aktuelle Situation anden Rohstoffmärkten berücksichtigt. Für alle anderen Branchen ist die Perspektive aber deutlich besser.
Fällt die Bewertung am Markt unter diesen Umständen nicht etwas hoch aus?
Will Jump: Der Bullenmarkt bei US-Aktien feiert bald seinen siebten Geburtstag. In dieser Zeit sind die Bewertungen auf breiter Front gestiegen, auch wenn die hohe Volatilität die Bewertungen in jüngster Zeit abgeschwächt hat. In diesem Umfeld muss man bei Investments sehr selektiv agieren. Wir haben gewisse Teile des Marktes schon vor einiger Zeit als sehr hoch bewertet eingestuft, darunter einige der Senkrechtsstarter des vergangenen Jahres wie große Internetfirmen oder einige Small-Cap-Unternehmen aus dem Bereich Biotechnologie. Die Erwartungen über die Kursentwicklungen hatten sich verselbständigt. Wir haben sehr davon profitiert, dass diese Aktien nicht in unserem Besitz waren, als sich die Werte in diesem Jahr wieder eingependelt haben. Trotz des allgemeinen Anstiegs der Bewertungen finden wir aber immer noch viele Aktien, die wir im Hinblick auf die zugrunde liegenden Fundamentaldaten als unterbewertet einschätzen.
Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Geldpolitik der US-Zentralbank Federal Reserve auf den Aktienmarkt ein?
Will Jump: In den vergangenen Jahren hat sich immer wieder gezeigt, dass Prognosen über die Politik der Fed äußerst schwierig sind. Das wird wahrscheinlich auch zukünftig so bleiben. Auf lange Sicht sind die Weichen aber wohl für eine geldpolitische Straffung gestellt. In der Vergangenheit haben Aktien in der Regel von einer solchen Geldpolitik profitiert, weil sie sich vor dem Hintergrund einer erstarkenden Wirtschaft abspielte. Momentan scheint sich die Fed zudem sehr vorsichtig zu verhalten und die Zinssätze nicht so schnell anzuheben, dass die Wirtschaft oder die Märkte destabilisiert werden. Gleichzeitig ist die Fed sehr darauf bedacht, ihre Maßnahmen behutsam zu lancieren, damit Investoren die Aktien im Lichte der zu erwartenden geldpolitischen Schritte bewerten können und eine Wiederholung des „Taper Tantrum“ von 2013 verhindert wird.
Gibt es Sektoren, die im gegenwärtigen Marktumfeld besonderen Mehrwert für Investoren bieten?
Will Jump: Die Aktienanlagestrategie von Rosenberg zielt darauf ab, die am attraktivsten bewerteten Unternehmen zu identifizieren – sowohl hinsichtlich ihrer Fundamentaldaten als auch vergleichbarer Werte. Mithilfe dieses Ansatzes können wir grundsätzlich inallen Sektoren Value finden. Das größte Augenmerk legen wir aber auf Sektoren, in denen ansprechende Aktienkurse und überzeugende Fundamentaldaten aufeinander treffen. Aktuell sehen wir beide Faktoren vor allem im Bereich der Nicht-Basis-Konsumgüter: positive Ertragszahlen und moderate Bewertungen.
Wie ist Ihre langfristige Sicht auf den amerikanischen Aktienmarkt?
Will Jump: Der amerikanische Markt stellt für globale Aktien-Investoren rund 60 Prozent der Anlagemöglichkeiten dar. Seit dem Jahr 1985 investiert AXA Rosenberg in US-Aktien, und wir haben einige Auf- und Abschwünge erlebt. Die grundlegende Entwicklung ist aber ein Wachstumstrend. Der Start in dieses Jahr war äußerst volatil und es gibt eine Vielzahl von Gründen, anzunehmen, dass es so weitergeht. Die unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Vorstellungen, die im laufenden Präsidentschaftswahlkampf zur Debatte stehen, sind nur einer von ihnen. Aber die Erfahrung zeigt, dass Anleger, die diese volatilen Perioden überstehen, gewöhnlich auf lange Sicht davon profitieren.