Die langfristigen Zinsen für Anleihen setzen sich aus zwei Komponenten zusammen: den erwarteten kurzfristigen Zinsen, die sich aus der Erwartungshaltung in Bezug auf die Geldpolitik für den jeweils betrachteten Zeitraum ergeben, sowie einer Laufzeitprämie, die Investoren für das eingegangene Laufzeitrisiko entschädigen – etwa das Risiko steigender Zinsen während des Anlagezeitraums oder die Opportunitätskosten aus Anlagealternativen. „Momentan sind sowohl die erwarteten kurzfristigen Zinsen als auch die Laufzeitprämien sehr niedrig. Dennoch könnten zumindest die Laufzeitprämien 2017 wieder steigen“, so Maxime Alimi, Ökonom im Team für Research und Investmentstrategie bei AXA Investment Managers (AXA IM).
Von risikofreiem Zins zu zinslosem Risiko
Die geringen Erwartungen mit Blick auf eine Normalisierung des Leitzinses der US-Notenbank Fed seien insbesondere aus Sorgen vor einer säkularen Stagnation entstanden, auch wenn sich diese Einschätzung seit den Wahlen in den USA leicht verändert habe. „Für Europa und Japan liegen die Aussichten auf eine Zinswende in weiterer Ferne“, lautet Alimis Prognose. Doch verwunderlicher als die erwarteten kurzfristigen Zinsen sei die Entwicklung der Laufzeitprämien: US-Treasury Bonds sowie japanische, deutsche und britische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren weisen einen Negativ-Wert auf. „Es ist ein Kuriosum, dass Investoren für das eingegangene Zinsrisiko sogar bezahlen müssen“, sagt der Ökonom.
Globale Märkte stark verflochten
Insbesondere seit 2010 beeinflussten niedrige Lauzeitprämien den Rückgang der Langfristzinsen stärker als die erwarteten kurzfristigen Zinsen. Gleichzeitig sei eine Angleichung der Zins-sätze verschiedener Märkte zu beobachten. Traditionelle Erklärungsansätze hierfür seien zum Beispiel die internationale Kapitalmobilität, zunehmende globale Einflussfaktoren auf die Inflation und ein weiter verbreitetes, direktes Inflationsziel. Doch auch die Rolle der Notenbanken dürfte nicht außer Acht gelassen werden: „Wir sind davon überzeugt, dass die unkonventionelle Geldpolitik seit 2010 immens dazu beigetragen hat, die Laufzeitprämien in den entwickelten Märkten niedrig zu halten“, sagt Alimi.
Nachfrage nach Anleihen steigt
Generell sei die Attraktivität von Anleihen für Investoren seit den späten Neunzigerjahren gestiegen, weil diese Assetklasse eine zunehmende negative Korrelation mit Aktien aufweise. Außerdem herrsche seit geraumer Zeit ein Mangel an sicheren Anlagemöglichkeiten vor. „Obwohl viele Staaten nach wie vor in großem Umfang Schuldtitel emittieren, haben die Herabstufungen der Länderratings auf breiter Front die Anzahl von Papieren mit sehr guten Bewertungen weltweit enorm reduziert“, erklärt Alimi. Entsprechend sei das Volumen von Staatsanleihen der entwickelten Volkswirtschaften, die ein Rating von AAA oder AA aufweisen, von rund 40 Billionen US-Dollar im Jahr 2011 auf knapp über 30 Billionen US-Dollar im Jahr 2015 gesunken. Gleichzeitig sei die Nachfrage nach sicheren Anlagen stark gestiegen, zunächst in den Schwellenländern, dann aus Gründen der Regulierung auch in den entwickelten Märkten.
US-Markt gibt Richtung für globale Laufzeitprämien vor
Nach Ansicht des Experten könnte die lockere Geldpolitik in Europa und Japan auf kurze Sicht zwar ein wichtiger Treiber für die Zinsentwicklung bei Staatsanleihen sein. Allerdings sollte der US-Markt den entscheidenden Ausschlag dafür geben, wohin sich die globalen Lauzeitprämien bewegen. „Bei zehnjährigen US-Staatsanleihen hat sich die Laufzeitprämie wieder den Fundamentaldaten genähert. Wir erwarten, dass sie auf kurze Sicht weiter steigt“, lautet Alimis Prognose. Über einen Zeitraum von fünf Jahren sollten die Laufzeitprämien wieder 40 Basispunkte erreichen und lägen damit deutlich über dem aktuellen Niveau, wenn auch immer noch unter dem historischen Durchschnitt von 90 Basispunkten seit 2008 beziehungsweise 135 Basispunkten seit 1991.