Die internationale Energieagentur (IEA) zeigt in ihrem vor kurzem veröffentlichen Bericht (Net Zero by 2050) auf, wie eine kohlenstofffreie Wirtschaft und eine damit einhergehende Einhaltung der Ziele des Pariser Abkommens erreicht werden können. Hervorzuheben sind hierbei zwei bedeutende Punkte. Zum einen weist die IEA darauf hin, dass die bisher gemachten Verpflichtungen zur globalen Emissionsreduktion weiterhin deutlich hinter den Anforderungen zurückbleiben. Zum anderen befinden sich fast die Hälfte der erforderlichen Technologien für die Reduktion der Emissionen bis 2050 noch in der Entwicklungs- beziehungsweise Prototypphase. Sowohl existierende als auch zukünftige Technologien werden also noch umfassende Investitionen benötigen, um die ausgegebenen Ziele zu erreichen
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Des Weiteren benötigt die Verwirklichung der neuen „Null-Ambitionen“ tiefgreifende Maßnahmen, die sich von reiner Technologieentwicklung bis hin zu grundlegenden Verhaltensänderungen und einem politischen Wandel erstrecken. Insbesondere die Dringlichkeit, diese Maßnahmen zu beschleunigen werden in dem Bericht gezielt betont, und der Veröffentlichungstermin kurz vor der UN-Klimakonferenz ist sicherlich auch kein Zufall. Die IEA betont in der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger Maßnahmen, die Ausgaben in der Forschung und Entwicklung für nachhaltige Energiequellen aufstocken sollen, um die bereits bestehenden Aktivitäten des privaten Sektors zu unterstützen.
ESG in der Praxis
Ein Teil der angesprochenen Maßnahmen stellt auch die Abkehr von der Nutzung fossiler Brennstoffe dar. Gerade in dieser Woche gab es zwei interessante Entwicklungen, die zeigten, welche Bedeutung „ESG“-Investitionen mittlerweile zukommen können. So wurde zum einen ein europäisches Ölunternehmen per Gerichtsurteil in den Niederlanden zu einer Beschleunigung der Emissionsreduzierung beordert. Zum anderen ist hier ein Fall aus den USA zu nennen, bei dem ein großer Ölkonzern Gegenstand von Investoren-Aktivismus wurde, und die Geschäftsführung zur Diversifizierung gezwungen wurde. Auch durch solche Entwicklungen lässt sich die Abkehr von fossilen Brennstoffen beschleunigen, und wir erwarten, auch in Zukunft solche Fälle vermehrt anzutreffen.
Neue Brennstoffe
Sofern die IEA Prognose ein realistischer Fahrplan ist wird deutlich, dass Ölfirmen ihre Abkehr von fossilen Brennstoffen beschleunigen müssen, um die freigewordenen Kapazitäten auf erneuerbare Energien zu fokussieren. Unter anderem bieten alternative Kraftstoffe, wie das Sustainable Aviation Fuel (SAF), große Potenziale. Bei der Entwicklung nachhaltiger Flugkraftstoffe wird versucht, Öl durch andere "Einsatzstoffe" zu ersetzen, und treibhausrelevante Emissionen zu verringern. Ebenso scheint die Nutzung von Wasserstoff zur Herstellung von Kraftstoffen weitreichende Möglichkeiten zu bieten, erste Projekte in Chile könnten hierbei weitere Erkenntnisse zur Herstellung kohlenstoffneutraler Treibstoffe liefern. Steigender Druck durch Aktionäre, Gläubiger oder Regulierungsbehörden auf der einen und der Reiz, sich durch die Entwicklung bahnbrechender Technologien hervorzutun auf der anderen Seite, ebnen den Weg zu einem langfristigen profitablen Wachstum für führende Technologieunternehmen.
Übergangsfinanzierungen
Doch selbst erfolgreiche Technologien weisen Schwierigkeiten in der Skalierung auf, auch bereits bewährte Techniken werden in keinem ausreichenden Umfang eingesetzt, um die „Net Zero“-Anforderungen zu erfüllen. Doch hieraus bietet sich für Investoren eine Chance, mit speziellen Aktienstrategien von den Unternehmen zu profitieren, die den Übergang aktiv mitgestalten. Insbesondere die Vorreiter dieses Übergangs sollten hierbei im Fokus stehen.
Vorteile
Die Energiewende könnte zudem bedeutende strukturelle Veränderungen in der Wirtschaftsgeografie anstoßen, da fossile Brennstoffe nur auf bestimmte Orte der Welt verteilt sind, und ihr weltweiter Transport immense Treibhausgasemissionen verursacht. Eine Durchbrechung der traditionellen Energiewertschöpfungskette könnte somit schon dazu beitragen, die Gesamtemissionen zu verringern. Erneuerbare Energien sind schließlich dezentral verfügbar, was sich positiv auf den Transportbedarf, Störanfälligkeit und Preisvolatilität auswirken dürfte. Die Energieversorgung kann somit potenziell demokratischer, breiter verteilt und preisstabiler sein. Die digitale Technologie, die solche "intelligente Netze" steuern wird, ist eine weitere fruchtbare Quelle für Investitionsmöglichkeiten.
Mehr Geld, mehr Jobs
Doch der nötige massive Umschwung wird auch in Zukunft große Anforderungen an Fachkräfte stellen. Hierbei müssen zwingend öffentliche Gelder ausgegeben werden, um Arbeitsplätze in der Übergangswirtschaft attraktiv zu machen. Große Projekte werden insbesondere in der Infrastruktur anstehen, bei denen gut etablierte Bau- und Ingenieurbüros an vorderster Front stehen werden. Der Bedarf an diesen spezialisierten Arbeitskräften in der Wissenschaft und Entwicklung für die Erreichung der „Net-Zero“-Ziele wird auch in Zukunft zunehmen, und politische Entscheider müssen mit gezielten Anreizen ihren Beitrag auf dem Arbeitsmarkt leisten.
Langfristige Sichtweise behalten
Die globalen Temperaturen steigen, und auch wenn wir uns auf ein Ziel in dreißig Jahren in der Zukunft konzentrieren, ist es klar, dass wir die Reduzierung der Emissionen bereits heute beschleunigen müssen. Doch verschiedene Stimmen stellen unterschiedliche Anforderungen an die Politik und Finanzindustrie. Während zum einen ausschließlich die Inflationskontrolle als Kompetenz der Zentralbanken gefordert wird kann auch argumentiert werden, dass Finanz- und Währungsbehörden Rahmenbedingungen für akzeptable Renditen bei langfristigen Transformationsprojekten schaffen sollten. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Energiewende wachstumsfördernd ist und, wenn wir klug sind, auch andere Themen wie Gleichberechtigung mitgestalten kann. Aber das Hauptziel muss sein zu verhindern, dass wir den Planeten ersticken, denn schlussendlich ist das die größte wirtschaftliche Externalität von allen.
Chris Iggo, CIO AXA Investment Managers Core Investments