·Die Anleiherenditen haben entsprechend reagiert. Anleger sollten sich darauf einstellen, dass die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen bald wieder 1 % erreichen könnte.
·Der Klimawandel wird immer offensichtlicher: CO2-Reduzierung wird zu einer der wichtigsten Anlagestrategien werden, da Investoren auf die Dringlichkeit der Bekämpfung des Klimawandels reagieren.
Die Erholung setzt sich fort, Sorgen bleiben
Erfreulich ist, dass in den entwickelten Volkswirtschaften die Impfraten in den letzten Monaten stark angestiegen sind. In letzter Zeit spiegeln die Märkte jedoch die Besorgnis über steigende Covid-Fallzahlen wider. Die rasante Verbreitung der Delta-Variante könnte sich auf die Lockerung von Corona-Maßnahmen sowie das Angebot an Waren und Arbeitskräften auswirken und die Gesundheitssysteme erneut unter Druck setzen. Trotz dieser Sorgen scheint der makroökonomische Ausblick mit sich erholenden Aktien- und Kreditmärkten positiv zu bleiben.
Keine Überhitzung
Die Geldpolitik bleibt expansiv und die Märkte preisen bislang nur eine anstehende Zinserhöhung in den USA Anfang 2023 vollständig ein. Darüber hinaus scheinen die Sorgen um die Entwicklung der Inflation nachgelassen zu haben. Die 5-Jahres-Forward-Breakeven-Inflationsrate, die von den Märkten für inflationsgeschützte US-Schatzpapiere (TIPS) abgeleitet wird, ist seit ihrem Höchststand im Mai um 30 Basispunkte gefallen. Der Anleihenmarkt geht also davon aus, dass die US-Wirtschaft nicht überhitzt.
Renditen bleiben niedrig und könnten weiter sinken
Die langfristigen Anleiherenditen werden wahrscheinlich noch einige Zeit niedrig bleiben. Die realen Renditen sind wieder unter -1% gefallen. Da die Inflationserwartungen sinken, sind auch die nominalen Renditen von US-Staatsanleihen im letzten Monat gesunken. Es gibt jedoch technische Faktoren, die sich auf die Preisgestaltung von Anleihen auswirken – nämlich die Tatsache, dass die US-Notenbank mehr Anleihen kauft, als von Finanzministerium auf Nettobasis emittiert werden. Natürlich sorgt die sommerliche Illiquidität für ein wenig Volatilität an den Zinsmärkten, aber der Trend deutet auf niedrigere 10-jährige Renditen hin. Ich würde nicht ausschließen, dass die Renditen von Staatsanleihen in den kommenden Wochen die 1%-Marke weiter testen werden.
Aktien bieten immer noch eine Risikoprämie
Längerfristig niedrige Zinsen, eine anhaltende quantitative Lockerung, möglicherweise weitere fiskalische Anreize in den USA, hohe private Ersparnisse – dies sind die Zutaten für weiterhin positive Renditen an den Aktienmärkten. Wenn man die Bewertungen von Vermögenswerten mit den Fundamentaldaten vergleicht, sind meiner Meinung nach die Kurse von Staatsanleihen aufgrund der mit den Käufen der Zentralbanken verbundenen Verzerrungen am stärksten überbewertet. An zweiter Stelle sind hier Kredite zu nennen, bei denen die Spreads die längerfristigen Risiken wahrscheinlich nicht ausreichend kompensieren, und abschließend Aktien, die einen starken Gewinnzyklus aufzeigen.
Risiken der Pandemie
Zu Beginn des Jahres wurde eine frühe Straffung der Geldpolitik von der Fed oder ein politischer Fehler als größtes Risiko angesehen, aber die Zentralbanken scheinen zuversichtlich, den "vorübergehenden" Anstieg der Inflation in den Griff bekommen zu können. Andere Risiken nehmen jedoch an Bedeutung zu. Die Pandemie ist noch lange nicht unter Kontrolle und die neuen Varianten von COVID-19 werden die existierenden COVID-Impfstoffe auf ihre Wirksamkeit testen. Vor allem die rasche Ausbreitung der Delta-Variante löst in Regierungs- und Gesundheitskreisen Besorgnisse aus. In Großbritannien wird das Test- und Rückverfolgungssystem durch die Delta-Variante überlastet, mit massiven Auswirkungen auf Unternehmen, deren Arbeitskräfte gezwungen sind, in Quarantäne zu gehen. Das anhaltende Pandemierisiko wird wahrscheinlich eine wiederkehrende Quelle für "Risk-Off"-Ereignisse an den Finanzmärkten sein, bis mehr und mehr Länder eine Herdenimmunität erreicht haben und das Risiko weiterer Mutationen reduziert wird.
Der Klimawandel schreitet voran
Im Juli verzeichnete die Welt Rekordtemperaturen in Nordamerika und katastrophale Überschwemmungen in Europa und China. Es verdichtet sich der Eindruck, dass selbstgefällige Regierungen die Dringlichkeit der Reduzierung von CO2-Emissionen noch nicht vollends erkannt haben. Der Fokus der Regierungen auf die Begrenzung der Vorlaufkosten der Energiewende birgt das Risiko, dass später weitaus höhere Kosten in Bezug auf die Wirtschaft, der sozialen Systeme und der Umwelt anfallen werden. Es ist leicht zu erkennen, wie sich klimatische Ereignisse auf die wirtschaftliche Aktivität und – potenziell – auf das Vertrauen der Investoren in die Zukunft auswirken. Die Politik muss das Wachstum der erneuerbaren Energien beschleunigen und mehr Geld für die Erleichterung des Umstiegs auf elektrisch betriebene Verkehrsmittel ausgeben. Außerdem muss sie mehr Mittel für die Forschung und Entwicklung von grünen Technologien bereitstellen und Steueranreize für Projekte zum Kohlenstoffausgleich schaffen. Bildung muss ebenso eine Rolle spielen, da die CO2-Reduktionsziele nicht erreicht werden können, wenn die Öffentlichkeit nicht ausreichend informiert ist. Innerhalb der Finanzindustrie werden Strategien zur CO2-Reduzierung immer wichtiger, um die Energiewende zu fördern.
Langfristige Trends
Der langfristige Anlageausblick muss die Auswirkungen der Pandemie und die Dringlichkeit der Klimakrise berücksichtigen. Darüber hinaus sollte auch beachtet werden, dass sich im Zuge der Pandemie auch die Arbeitsorganisation verändert hat, zum Beispiel durch das Home-Office. Da wird man so leicht nicht wieder einen Deckel darauf machen können. Das Beharren einiger Finanzinstitute auf Vollzeitbeschäftigung im Büro wird sich kaum als Norm in der Privatwirtschaft etablieren. Diese Entwicklung wird langfristige Auswirkungen auf die Stadtplanung und die Infrastrukturausgaben, auf die Nachfrage nach intelligenten Wohnungen und auf die Ausgaben vieler Haushalte haben. Auf finanzieller Seite wird die Blockchain-Technologie wahrscheinlich zu Veränderungen bei den Betriebsmodellen von Banken, bei Zahlungssystemen und möglicherweise sogar bei Finanzinstrumenten wie Aktien und Investmentfonds führen. Die Dezentralisierung aller Arten von Aktivitäten hat enorme organisatorische Auswirkungen.
Anpassungsbedarf
Die Wachstumschancen liegen bei Unternehmen, die disruptiv sind, neue Technologien nutzen und Flexibilität beim Management ihres Humankapitals zeigen. Die meisten Unternehmen werden sich umstellen müssen, um nachhaltiger zu werden und Investoren können dabei wichtige Hilfe leisten. Leider fokussieren sich zu viele Politiker weiterhin auf Wahlzyklen und ideologische Projekte, die Eitelkeiten bedienen. Die EU hat mit ihren übergreifenden Plänen für Netto-Null und grünen Infrastrukturplänen zumindest die Initiative ergriffen. Im Gegensatz dazu birgt das Zweiparteiensystem in den USA und das, was zunehmend nach Inkompetenz in Großbritannien aussieht, die Gefahr, dass die dortige Politik nicht in der Lage ist, die Anforderungen einer schnellen Anpassung an eine nachhaltigere Zukunft zu erfüllen.