Spiel mit dem Feuer: Messung der Emissionen der internationalen Öl- und Gasfelder

AXA Investment Managers | 28.01.2022 13:30 Uhr
© Photo by Marcin Jozwiak on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

von Olivier Eugène, AXA IM Head of Climate

Rohöl und Erdgas haben 57% am weltweiten Primärenergieverbrauch und 40% bis 45% Anteil an den Treibhausgasemissionen.[1] Der größte Teil dieser Emissionen (in der Regel 75% bis 85%) stammt aus der Verbrennung, entsteht also beispielsweise dann, wenn ein Motor mit Diesel betrieben oder aus Erdgas Strom erzeugt wird. In dieser Phase spielt die eigentliche Quelle der Ressource keine Rolle mehr – verbrannt werden sie alle. Interessant für Investoren, die ihr Portfolio dekarbonisieren wollen, ist die Förderung. Hier gibt es in puncto Nachhaltigkeit erhebliche Unterschiede.

In unserer Serie ‚Spiel mit dem Feuer: Messung der Emissionen der internationalen Öl- und Gasfelder‘ werfen wir einen Blick auf einen zentralen Aspekt des Klimaengagements von Investoren: die Treibhausgasintensität und Prozesse bei Öl- und Gasproduzenten im Zusammenhang mit dem Ablassen und Abfackeln von Gasen. Denn: Investoren sollten Unternehmen mit besonders geringer Treibhausgasintensität anderen vorziehen.

Im ersten Teil der Serie werfen wir einen Blick auf die Rohölstudie der Internationale Energieagentur (IEA), im zweiten Teil befassen wir uns mit der Studie für Erdgas und geografischen Eigenheiten und länderspezifischen Unterschieden. Im dritten Teil wollen wir zeigen, was Investoren hier klar beachten müssen.

Ziel der Energiewende ist, die Verbrennung stetig und erheblich zu reduzieren – durch die Entwicklung alternativer Lösungen und Technologien, die es den Ländern ermöglichen, ihre Netto-Nullemissionsziele zu erreichen. Bis wir fossile Brennstoffe aus unserer Wirtschaft entfernt haben, wird noch einige Zeit ins Land gehen, und in einigen Bereichen werden sie wohl weiter genutzt werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir die prozessbedingten, länderspezifischen und technologischen Faktoren im Zusammenhang mit der Förderung von Öl und Gas verstehen, also die Phasen vor dem Verbrauch.

Schwergewichte: Ölfelder

2018 erschien im Magazin Science eine wichtige Studie zu Ölfeldern und Emissionen. Betrachtet wurden 8.966 Förderstätten, auf die mehr als 98% des im Jahr 2015 produzierten Öls entfielen. Ziel der Studie war, die CO2-Intensität dieser Ölfelder systematisch zu messen – von der Quelle bis zur Raffinierung. Die folgende Abbildung zeigt das Ergebnis:

Struktur der weltweiten CO2-Intensität

Quelle: Global carbon intensity of crude oil production“, Mohammad S. Masnadi et al., Science 2018

Nach der Studie hat ein Barrel Öl im Durchschnitt eine CO2-Intensität von 10,3 Gramm Kohlenstoffäquivalenten je Megajoule (gCO2e/MJ). Von den Gesamtemissionen entfallen 65% auf CO2 und 34% auf Methan. 23% der Emissionen entstehen allein durch das Flaring, also durch Abfackeln von Begleitgasen bei der Ölproduktion. Die vermutlich interessanteste Erkenntnis der Studie waren die enormen Datenunterschiede. Bei den umweltschädlichsten 5% der Ölfelder entstehen mehr als doppelt so viele Treibhausgase wie im Durchschnitt, während die „umweltfreundlichsten“ weniger als die Hälfte des Durchschnitts emittieren. 

Bei den Förderstätten mit den höchsten Emissionen fallen vor allem zwei Eigenschaften auf:

  • Naturbedingt: Schweröle haben eine hohe Dichte, und sie sind zähflüssig.[1] Um ge- und befördert werden zu können, müssen sie stark erwärmt werden – häufig mit Dampf. Die hohe Menge dafür benötigter Energie erklärt die hohe Treibhausgasintensität. Gute Beispiele hierfür sind kanadische Teersande sowie Rohöl aus Venezuela oder Kalifornien.
  • Von Menschen verursacht: Auf den meisten Ölfeldern wird auch Erdgas gefördert (das Gas-Öl-Verhältnis, kurz GOR, ist das Standardmaß für das Verhältnis). Wenn mit diesem Gas nicht sorgsam umgegangen wird, wird es am Ende verbrannt, also abgefackelt (Flaring) oder direkt in die Atmosphäre abgelassen (Venting). Dadurch steigt die Treibhausgasintensität, weil aus verbranntem Gas CO2 wird und die Methanmoleküle (aus denen Erdgas hauptsächlich besteht) über einen Zeitraum von 100 Jahren 28- bis 36-mal klimaschädlicher sind als CO2.[2]

Zur Veranschaulichung: Im obersten Intensitätsquartil sind 51% der Felder solche, auf denen viel Erdgas verbrannt wird; 18% sind Schwerölfelder. In den anderen drei Quartilen sind dies insgesamt 4% und 9%.

Interessanterweise ist die Quelle abgesehen von diesen beiden Faktoren nicht entscheidend. Ob ein Ölfeld nun an Land oder unter Wasser liegt, ob Fracking stattfindet oder nicht, ob es in der Arktis liegt oder am Äquator hat fast keinen Einfluss auf die Treibhausgasintensität. 

Kann man der Studie vertrauen?

In ihrem World Energy Outlook 2018 veröffentlichte die Internationale Energieagentur (IEA) eine eigene detaillierte Analyse der Treibhausgasemissionen von Rohöl. Sie ist etwas anders gelagert als die Studie aus Science, weil sie mit einem anderen Maß arbeitet: Kilo CO2 je Barrel Öläquivalente (kgCO2e/boe). Außerdem erfasst sie noch mehr Emissionen, die vor dem Verbrauch entstehen (beim Transport und der Raffinierung von Rohöl und Öl). Es wurde zwar nicht zwischen den einzelnen Rohölquellen unterschieden, aber auch hier wurden Venting und Flaring als wesentliche Faktoren identifiziert.

Die Agentur kam zu dem Schluss, dass bei der Produktion eines Barrels Öl und dessen Transport zum Kunden durchschnittlich 93,6 kgCO2e/boe entstehen. Und auch nach dieser Analyse sind die Unterschiede erheblich: Beim schlechtesten Dezil waren die Emissionen mehr als viermal so hoch wie beim besten.

Hinzu kamen weitere interessante Erkenntnisse:

  • Die Förderung selbst verursacht „nur“ 15% der Emissionen, die vor dem Verbrauch entstehen.
  • Methanemissionen (durch Flaring oder Venting) haben 40% Anteil an der durchschnittlichen Intensität und sind maßgeblich für die Treibhausgasemissionen.
  • Die Treibhausgasemissionen der Raffinierung sind extrem unterschiedlich. Die umweltschädlichsten Raffinerien emittieren fünfmal mehr Treibhausgase als die „umweltfreundlichsten“. Der Grund für diese Unterschiede ist der technische Prozess: Einfache Raffinerien, die Leichtöl verarbeiten, brauchen vergleichsweise wenig Energie, während komplexe Fabriken Schweröl verarbeiten, wozu mehrere energieintensive Schritte nötig sind. Schweröl verursacht also nicht nur bei der Förderung, sondern auch bei der Verarbeitung mehr Emissionen. 

Indirekte Emissionsintensität der Ölproduktion weltweit (2017)

Quelle: IEA, World Energy Outlook 2018Mboe/d: Millionen Barrel Öläquivalente am Tag

Die IEA kam zum gleichen Schluss wie die Autoren der in Science veröffentlichten StudieSchwerölfelder und Felder, auf denen ein nachlässiger Umgang mit Begleitgasen herrscht, haben eine hohe Emissionsintensität. Zudem sind auch sie der Ansicht, dass andere Faktoren wenig Einfluss auf die Treibhausgasmengen haben.

Eines soll aber noch erwähnt sein: Methanlecks und sogenannte flüchtige Emissionen sind nur schwer zu erfassen.[1] Tatsächlich entweicht sehr wahrscheinlich mehr Methan, als in vielen Studien berichtet wird, sodass die Treibhausgasemissionen vermutlich höher sind.

Ebenfalls nicht vergessen sollte man, dass die Treibhausgasintensität von Ölfeldern steigt, je länger sie genutzt werden. Je mehr Öl gefördert wird, desto geringer wird der Druck im Reservoir. Man erhält also entweder mit dem gleichen Energieeinsatz weniger Öl oder muss mehr Energie einsetzen, um die Fördermenge stabil zu halten.

Aus Sicht der Ölproduzenten lassen sich aus den Studien hauptsächlich zwei Schlüsse ziehen:

  • Bei Teersanden hat man die Wahl zwischen Investieren oder nicht Investieren. Einige Unternehmen haben die Ölgewinnung aus Teersanden wegen der hohen Treibhausgasintensität (und der wirtschaftlichen Unsicherheiten) eingestellt. Allerdings werden die Ressourcen eher verkauft als stillgelegt. Die Branche besteht jetzt nur noch aus wenigen kanadischen Unternehmen. Investoren wie AXA IM, deren Richtlinien Teersande ausschließen, dürfen nicht in sie investieren.
  • Unternehmen, deren Ölfelder einen hohen GOR aufweisen und die ernsthaft ihre Emissionen verringern wollen, müssen die notwendige Infrastruktur entwickeln, um die entstehenden Begleitgase aufzufangen, statt sie abzufackeln oder einfach abzulassen.

Lesen Sie mehr zur ‚Methan-Mathematik der Erdgasfelder‘ im nächsten Teil unserer Serie ‚Spiel mit dem Feuer: Messung der Emissionen der internationalen Öl- und Gasfelder‘.


[1] BP Statistical Review of World Energy 2021.
[2] In dieser Studie wurde Schweröl als Öl mit einer API-Dichte unter 20° definiert. Dieses Maß des American Petroleum Institute vergleicht Öl mit Wasser. Öl mit über 35° API gilt in der Regel als Leichtöl. Schwerstöl hat üblicherweise unter 15° API. Quelle: McKinsey Energy Insights.
[3] Climate Change 2014, Synthesis Report, IPCC, Seite 87.
[4] A climate change conundrum: Is there a sweet spot for natural gas in the energy transition?

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