- Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im zweiten Quartal um 0,9 Prozent bei einer saisonbereinigten Jahresrate (Seasonally Adjusted Annual Rate, SAAR) und lag damit unter unserer Prognose von + 1 Prozent und dem Konsens von +0,5 Prozent.
- Zwei schrumpfende Quartale bedeuten in den meisten Volkswirtschaften eine technische Rezession, in den USA jedoch nach Einschätzung des National Bureau of Economic Research (NBER) eine Rezession.
- Erneut wurde ein starker Rückgang der Lagerbestände für den Rückgang des BIP verantwortlich gemacht, obwohl auch die Investitionsausgaben durch die Wohnungsbauinvestitionen nach unten gezogen wurden.
- Die heutigen Ergebnisse senken unsere BIP-Prognose von 1,9 Prozent für das Gesamtjahr automatisch auf 1,5 Prozent, obwohl weitere Einzelheiten über die Zusammensetzung des BIP-Wachstums im zweiten Quartal erforderlich sind, um die Prognose zu präzisieren.
- Wir halten an unserer Prognose fest, dass die Federal Reserve (Fed) den Leitzins nur um weitere 75 Basispunkte (BP) (50 BP im September und 25 BP im Oktober) auf einen Höchststand von 3,25 Prozent anheben wird.
Die US-Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal überraschend um 0,9 Prozent (SAAR). Dies war deutlich schwächer als unser prognostizierter Anstieg von ein Prozent und spiegelt die Auswirkungen einer weiteren starken Verlangsamung des Lagerwachstums wider. In Anbetracht der Entwicklung der Wachstumsschätzungen im Laufe des ersten Quartals halten wir uns zurück, der aktuellen Aufschlüsselung zu viel Gewicht beizumessen. Dennoch dürften die Wachstumsaussichten nun niedriger sein als die 1,9 Prozent, die wir für das Jahr 2022 insgesamt prognostiziert hatten. Obwohl zwei Quartale mit negativem Wachstum in den meisten Volkswirtschaften eine technische Rezession darstellen, gibt es in den USA laut einer tieferen Analyse des NBER keine Rezessionen. Da sowohl das Wachstum der Inlandsnachfrage als auch das der Endnachfrage in diesem Quartal zurückging, sind die USA näher an einer Rezession als wir angenommen hatten.
Das US-BIP ist im zweiten Quartal erneut geschrumpft, und zwar um 0,9 Prozent auf Jahresbasis, verglichen mit den Konsensprognosen von +0,5 Prozent und unserer eigenen Prognose von leicht steigenden ein Prozent. Diesmal lag das Prognosemodell ‚Atlanta GDPNow Tracker‘ näher, das einen Rückgang von 1,2 Prozent anzeigte. Dieser Rückgang ist der zweite Quartalsrückgang in Folge und würde in anderen Teilen der Welt eine technische Rezession bedeuten. In den USA bestimmt das NBER die Datierung von Rezessionen anhand einer Bewertung der Rückgänge in einer breiten Palette von Sektoren. Angesichts des Rückgangs der Inlandsnachfrage und der inländischen Endverkäufe spricht mehr dafür, dass die Schwäche im zweiten Quartal begonnen hat, aber die allgemeine Stärke des Arbeitsmarktes stellt eine echte Rezession nach wie vor in Frage. Trotz der Anzeichen für eine weitere Abschwächung in den heutigen Erstanträgen auf Arbeitslosenunterstützung und dem Beschäftigungsindex für die privaten Haushalte vom Juni muss dies weiter beobachtet werden.
Der überraschende Rückgang heute spiegelte ein schwächeres Ergebnis bei den Investitionsausgaben und bei der sehr volatilen Vorratskomponente wider. Die Gesamtinvestitionsausgaben verzeichneten einen Rückgang von vier Prozent (SAAR) und sind damit zweimal niedriger als von uns erwartet. Die Unternehmensinvestitionen verzeichneten einen Rückgang von 0,1 Prozent im Quartal und blieben damit im Wesentlichen unverändert, nachdem sie im Vorquartal um zehn Prozent kräftig gestiegen waren. Die Wohnungsbauinvestitionen fielen jedoch um 14 Prozent und holten damit den jüngsten starken Rückgang der Verkäufe ein. Zusammengenommen schmälerten die Investitionen die BIP-Prognose um etwa 0,5 Prozent (SAAR). Für die größte Überraschung sorgten einmal mehr die Lagerbestände, die weitaus stärker zurückgegangen sein dürften, als die zugrunde liegenden Branchenprognosen vermuten ließen und die allein für einen Rückgang des BIP um zwei Prozentpunkte im Vergleich zu unserer Prognose verantwortlich waren. Wir sind vorsichtig, wenn es darum geht, in diesem Stadium zu viel hineinzuinterpretieren. Dies war auch die anfängliche Erklärung für den Rückgang des BIP im ersten Quartal, aber spätere Revisionen führten dazu, dass die Konsumausgaben niedriger und die Lagerbestände höher ausfielen. Die Verbraucherausgaben stiegen im Quartal um ein Prozent und entsprachen damit genau unserer Prognose. Der Außenhandel machte die Differenz wett und trug fast ein Prozent mehr als von uns prognostiziert bei. Wobei die Exporte im Quartal um 17 Prozent stiegen, während die Importe um drei Prozent zurückhaltender ausfielen, was zum größten Anstieg des Außenhandels seit dem zweiten Quartal 2009 führte.
Da das BIP im zweiten Quartal hinter unseren Erwartungen zurückblieb, haben sich die Wachstumsaussichten für 2022 weiter verschlechtert. Würde man den heutigen Rückgang durch unsere Prognose ersetzen, würde unsere BIP-Prognose für das Gesamtjahr auf 1,5 Prozent (von 1,9 Prozent) sinken. Der Konsens liegt vorerst bei zwei Prozent. Wir werden jedoch eine weitere Entwicklung der Daten abwarten, bevor wir unsere Prognose revidieren. Wenn die Lagerbestände weiterhin als Hauptursache für die Schrumpfung in Q2 angesehen werden, könnte Q3 fester ausfallen als bisher angenommen. Sollte sich jedoch das Muster des ersten Quartals wiederholen und ein anfänglicher Rückgang der Lagerbestände später zu einer weiteren Verlangsamung der Investitionsausgaben der privaten Haushalte oder Unternehmen führen, könnte dies auf eine schwächere Dynamik hindeuten, die unsere Prognose senken könnte. Da die USA in den meisten Ländern die Definition einer technischen Rezession erfüllt haben, ist die Wahrscheinlichkeit einer ausgewachsenen Rezession in den USA offensichtlich viel näher gerückt.
Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell erklärte gestern Abend, er habe die heutigen BIP-Daten nicht gesehen, warnte aber, dass erste Schätzungen irreführend sein könnten und häufig revidiert würden. Zu den Aussichten auf eine Rezession wollte er sich nicht äußern. Die zugrundeliegende Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit ist in den USA seit einigen Monaten offensichtlich und hat die Märkte in letzter Zeit dazu veranlasst, über die Reaktion der Federal Reserve auf eine schwächelnde Wirtschaft nachzudenken. Dies hängt zum Teil von der Entwicklung der Inflation ab. Powell erklärte, dass eine Verlangsamung der Wirtschaft auf ein Niveau unterhalb des Potenzials notwendig sei, um die Preisstabilität wiederherzustellen. Dies ist nun eindeutig der Fall, aber es bleibt abzuwarten, wie schnell dies auf den Arbeitsmarkt und die Preise durchschlägt. Vorerst gehen wir weiterhin davon aus, dass die Fed die Zinsen im September um 50 BP und im Oktober nochmals um 0,25 Prozent anheben wird, im Dezember jedoch bei 3,25 Prozent verharren wird.
Die Märkte reagierten auf die enttäuschenden BIP-Zahlen mit einer Senkung der Zinserwartungen. Die Aussichten für die Fed Funds Rate zum Jahresende fielen zum ersten Mal seit der Zinswende der Fed Mitte Juni unter 3,25 Prozent. Auch die Zinssätze fielen: Die Renditen zweijähriger und zehnjähriger Staatsanleihen sanken um jeweils zwölf BP auf 2,84 Prozent bzw. 2,66 Prozent. Der US-Dollar gab ebenfalls um 0,4 Prozent gegenüber einem breiten Währungskorb nach.
David Page, Head of Macro Research bei AXA Investment Managers