AXA IM CIO Chris Iggo: Besser Technologie als Öl

AXA Investment Managers | 23.05.2023 10:00 Uhr
Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers / © e-fundresearch.com / AXA Investment Managers
Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers / © e-fundresearch.com / AXA Investment Managers

Aktien haben ordentlich zugelegt. Man fragt sich, warum US-Titel trotz Rezessionserwartungen so stark sind – und sorgt sich, weil wir die Gewinne vor allem einer Handvoll Technologiewerten zu verdanken haben. Aber Technologie ist doch nichts Schlechtes! Sie sichert das Wachstum von morgen – und nicht etwa die Firmen aus dem Öl- und Gassektor. Auch in anderen Ländern hat man mit Aktien viel verdient, obwohl der Technologieanteil hier sehr viel kleiner ist. Natürlich müssen wir die Konjunktur im Blick behalten, in den USA wie anderswo, und darauf achten, was sie mit den Unternehmensgewinnen macht. Die Stabilität wichtiger Volkswirtschaften spricht aber dafür, dass die Gewinnerwartungen dieses Jahr schlimmstenfalls unverändert bleiben und sich 2024 wieder erholen. Und auch Pessimisten können sich freuen: Weil die Volatilität auf den niedrigsten Stand seit Jahresbeginn gefallen ist, sind die Absicherungskosten so niedrig wie seit Ewigkeiten nicht mehr.

Welcher Sturm? Gestern bekam ich eine Brokeranalyse mit dem Titel Die Ruhe vor dem Sturm. Manchmal scheint es, als würden Teile der Investmentwelt, die von höheren Handelsvolumina, weiten Geld-Brief-Spannen und Volatilität profitieren, absichtlich schlechte Stimmung verbreiten. Ich halte es da eher mit Corporal Jones: „Keine Panik, Captain Mainwaring!“ (Vielleicht erinnert sich noch jemand an Dad’s Army, eine britische Sitcom aus den 1970ern über die Heimatschutztruppe im Zweiten Weltkrieg.) Volatilität gehört einfach dazu. Meist steigt sie, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert oder ein Negativszenario tatsächlich eintritt. Letzte Woche schrieb ich über das Risiko eines Zahlungsausfalls der USA, der Panik auslösen könnte. Viel wahrscheinlicher dürfte aber eine weiche Landung der US-Wirtschaft mit einem weiteren Inflationsrückgang sein – und einem Ende der Zinserhöhungen in vielen Ländern nahe dem derzeitigen Niveau. Also Schluss mit der Panikmache. Wen es interessiert: Die implizite Volatilität von Aktien und Anleihen liegt nur knapp über dem diesjährigen Tief. Wer einen Börsenkrach fürchtet, kann sich jetzt günstig absichern.

Klare Marktführer: Tatsächlich sind die Erträge des S&P 500 dieses Jahr vor allem einigen wenigen Technologieaktien zu verdanken. IT-Werte machen 26,7% des Index aus. Ihr Gesamtertrag seit Jahresbeginn beträgt 28%, sodass sie 7,5 Prozentpunkte zu den 10% Plus des S&P 500 beigetragen haben. Hardware-, Halbleiter- und Softwaretitel standen an der Spitze. Der erfolgreichste Sektor des letzten Jahres – Energie – hat hingegen 8,5% verloren, und Bankwerte sogar über 10%. Warum sollte es falsch sein, wenn dynamische Technologiewerte mit Wachstumspotenzial den Markt anführen? Mich stimmt das optimistisch. Für den Langfristausblick ist es zweifellos besser, wenn Unternehmen vorn liegen, die etwa durch Künstliche Intelligenz (KI) für Produktivitätsgewinne und eine bessere Medizin sorgen können, als wenn man durch die Förderung und den Vertrieb fossiler Brennstoffe überdurchschnittlich verdient.

Öl und Banken im Minus: Die übrigen US-Aktien – Finanz- und Energiewerte machen etwa 18% der Marktkapitalisierung aus – mögen zwar Probleme haben, doch ist ihre Performance nicht so schlecht wie allgemein erwartet. Mit einer Indexanlage in den USA wären internationale Aktieninvestoren seit Jahresbeginn gut gefahren, und mit einer Übergewichtung von Technologietiteln noch besser. Industriewerte haben etwas zugelegt, und mit Kommunikationsdienstleistungstiteln hat man sogar 30% verdient. Wegen des stabilen Arbeitsmarktes und der guten Haushaltsfinanzen haben auch Konsumgebrauchsgüterwerte fast 20% hinzugewonnen.

Europa liefert: Kürzlich schrieb ich darüber, dass Large Caps zuletzt vorn lagen, weil sie stärker vom Nominalwachstum profitieren und trotz steigender Kosten hohe Margen erzielen. Das gilt nicht nur für die USA. Auch europäische Aktien stiegen kräftig. Mit dem EuroStoxx hat man seit Jahresbeginn 14,5% verdient (Stand 18. Mai). In Europa ist der Markt breiter. Hier zählten auch Sektoren wie Reisen und Freizeit, Bau, Einzelhandel sowie Industriegüter und ‑dienstleistungen zu den zehn stärksten. Die Übergewichtung von Aktien hat sich dieses Jahr gelohnt, und auch Titel aus Japan und anderen asiatischen Ländern haben zugelegt.

Unternehmensgewinne: Kann es so weitergehen? Abgesehen von den großen amerikanischen Technologietiteln sind die Bewertungen nicht extrem – und schon gar nicht in Europa. Die Unternehmensgewinne waren überraschend gut; in Europa sind sie weiter gestiegen, während die Gewinne des S&P 500 schon vor einem Jahr ihr Maximum erreicht hatten. Laut Konsensprognose werden die Gewinne amerikanischer Large Caps 2023 etwas niedriger sein als letztes Jahr, während man für Europa einen leichten Anstieg erwartet. Für 2024 wird dann auf beiden Seiten des Atlantiks wieder mit Zuwächsen gerechnet, mit 11% in den USA und 8% bei europäischen Large Caps. Auffällig ist, dass die 12-Monats-Gewinnerwartungen in Europa in den letzten drei Monaten häufiger angehoben als gesenkt wurden. Zuletzt waren aber auch die Gewinnrevisionen in den USA erstmals seit Mai 2022 wieder positiv.

Die Konjunktur könnte aber weiter belasten: Vielleicht ist all der Optimismus aber gar nicht angebracht, denn Volkswirte rechnen mit einer Rezession in den USA. Bei einer schwächeren Nachfrage lässt die Preismacht der Unternehmen nach, sodass die Margen unter Druck geraten und die Analysten ihre Gewinnerwartungen wieder senken könnten. Small und Mid Caps liegen schon jetzt hinter dem Markt; offensichtlich machen steigende Kosten und Löhne, höhere Zinsen und straffere Kreditbedingungen Probleme. Sie könnten weiter zunehmen. Doch vielleicht werden Technologiewerte weniger konjunktursensitiv, weil sie von der Energiewende, der Repatriierung der Produktion und den höheren Ausgaben für KI (Hardware, Softwareentwicklung und Anwendungen) strukturell profitieren. Ich lese gerade ein Buch über Künstliche Intelligenz (Human Compatible von Stuart Russell). Er analysiert die Langfristperspektiven von KI und ethische Aspekte bei der Entwicklung von Maschinen, die irgendwann den Menschen Entscheidungen abnehmen könnten. Russell schreibt aber auch, dass sogar selbstfahrende Autos bislang alles andere als perfekt sind. Bis zum produktiven und flächendeckenden Einsatz lernender Maschinen und KI in der Wirtschaft ist es noch ein weiter Weg. KI kann aber die Produktivität steigern und wird sicher für Wachstum und Investitionen sorgen. Es fällt daher schwer, für Technologiewerte langfristig nicht optimistisch zu sein. Ich glaube, dass KI zusammen mit der Energiewende und den großen Fortschritten der Biotechnologie Wachstumsaktien-Investoren noch viel Freude machen wird.

Großbritannien ist anders – und das ist nicht gut: Eine der schwächeren Volkswirtschaften ist Großbritannien. Britische Aktien liegen hinter internationalen Titeln zurück, und mit britischen Staatsanleihen hat man weniger verdient als mit amerikanischen oder kontinentaleuropäischen Papieren. Für Investmentgrade-Unternehmensanleihen gilt das Gleiche, obwohl britische Unternehmensanleihen in allen Laufzeiten höhere Spreads bieten. Einige Brexit-Befürworter unter den Journalisten äußerten sich – meist in sozialen Netzwerken – erfreut darüber, dass Sterling nicht zu einem Wackelkandidaten geworden ist. Hurra! Handelsgewichtet ist das Pfund aber immer noch 10% schwächer als beim Brexit-Referendum. Als Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss im September versuchte, die Gesetze der Ökonomie außer Kraft zu setzen, war das Pfund fast auf die Parität zum US-Dollar gefallen. Seitdem hat es sich zwar auf 1,24 erholt, doch notierte es im Juni 2016 noch bei 1,45. Anlagen in Großbritannien waren dieses Jahr weniger ergiebig als Anlagen in anderen Industrieländern. Erträge hat man allenfalls damit erzielt, dass sich die Währung, die nach der Beinahe-Katastrophe im Herbst überverkauft war, wieder etwas erholt hat.

Von außen betrachtet ist Großbritannien nicht attraktiv: Nach der Bloomberg-Konsensprognose wird das britische BIP dieses Jahr um 0,2% schrumpfen, während die Wirtschaft im Euroraum um 0,6% und in den USA um 1,1% zulegen soll. Seit Anfang 2020 ist die britische Wirtschaft nicht mehr gewachsen (was allerdings auch für einige andere europäische Länder gilt), während die US-Wirtschaft seitdem real um 5% zugelegt hat. Man sollte auch nicht übersehen, dass britische Aktien 2022 zu den stärksten zählten, vor allem wegen des hohen Anteils an Öltiteln und anderen Rohstoffwerten. Dennoch frage ich mich, ob Investoren für Großbritannien nicht strukturell pessimistisch geworden sind. Die Politik scheint chaotisch, wegen der massiven Straffung der britischen Geldpolitik droht eine Rezession, und immer mehr Unternehmen scheinen sich über Bürokratie zu beschweren, vor allem Exporteure. Natürlich gibt es in Großbritannien auch erfolgreiche Firmen mit ordentlichen Erträgen. Alles in allem ist es aber schwer vorstellbar, dass internationale Investoren britische Aktien oder Anleihen übergewichten.

Von Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers

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