Der so schlüssige und scheinbar unproblematische Inflation Reduction Act (IRA) in den USA scheint das genaue Gegenteil der komplexen europäischen Netto-Null-Strategie mit ihren hohen CO2-Steuern zu sein. Auch das erklärt, warum man einen immer größeren Vorsprung der US-Wirtschaft rechnet. Sicherlich sollte der europäische Ansatz in Teilen überdacht werden, und die investitionsfördernden Effekte des Inflation Reduction Act sind bereits erkennbar. Dennoch befürchten wir weiterhin, dass die amerikanische Strategie – nur Zuckerbrot, keine Peitsche – am Ende weniger zur Dekarbonisierung beiträgt und eher kontraproduktiv ist, zumal sie das Konzept der fiskalischen Nachhaltigkeit doch sehr stark dehnt. Die europäische Strategie könnte hingegen dafür kritisiert werden, dass sie das Wachstum weniger fördert. Wir möchten aber auf eine aktuelle quantitative Analyse des französischen Conseil d’analyse économique (CAE) hinweisen. Sie zeigt, dass unter den richtigen fiskalischen Rahmenbedingungen selbst eine hohe und allgemeine CO2-Steuer der Beschäftigung nur wenig schadet.
Kommen wir zu tagesaktuelleren Themen: Die Kursgewinne am amerikanischen Anleihenmarkt sind natürlich eine gute Nachricht. Vor allem ein Laufzeitsegment scheint besonders attraktiv: Die Langfristrenditen liegen zwar wieder deutlich unter ihren Höchstständen, sind aber real noch immer hoch genug, um der Fed bei der Straffung der Finanzbedingungen zu helfen. Zugleich sind die Inflationserwartungen jetzt niedrig genug, um die Notenbank davon zu überzeugen, dass die Zinserhöhungen reichen. Insgesamt waren die Inflationszahlen für Oktober ermutigend, doch gibt es noch immer irritierende Details. Der Anstieg der Arbeitslosengeldanträge bestätigt aber, was schon der letzte Arbeitsmarkbericht zeigte: In den USA dürften die inländischen Inflationstreiber nachlassen.
In Frankreich stieg die Arbeitslosenquote im 3. Quartal 2023 um 0,2 Prozentpunkte und damit so stark, wie aufgrund der vor Corona üblichen Korrelation von Wachstum und Beschäftigung zu erwarten war. Aus Konjunktursicht mag das nicht überraschen. Umfragen lassen aber vermuten, dass die Verbraucher noch nicht auf den schwächeren Arbeitsmarkt reagiert haben. Wenn es so weit ist, könnte das Vorsichtssparen zunehmen.
Von Gilles Moëc, AXA Group Chief Economist and Head of AXA IM Core Investments Research