- Gute Nachrichten zur US-Inflation – und mehr Anzeichen für eine schwächere Realwirtschaft
- Eine Zinssenkung der Fed in diesem Jahr wird wieder wahrscheinlicher. Wir analysieren mögliche Konflikte zwischen der nächsten US-Regierung und der Notenbank. Die Unabhängigkeit der Fed ist weniger gut gesichert als die der EZB.
Im April ist die amerikanische Kerninflation (im Vorjahresvergleich) wieder gefallen. Geholfen hat der geringere Anstieg der Mieten, aber selbst wenn man sie und die tückischen KfZ-Versicherungsprämien herausrechnet, haben die Preise weniger stark zugelegt als in den Monaten zuvor. In der zweiten Hälfte 2023 ist die Teuerung hingegen fast immer gestiegen. Dennoch ist Vorsicht geboten, denn ein schwächerer Monat ist noch keine Trendwende. Groß ist die Versuchung, sie jetzt auszurufen, zumal auch die realwirtschaftlichen Daten zuletzt nachgaben. Die schwachen Einzelhandelsumsätze der letzten Woche und das nachlassende Verbrauchervertrauen sprechen für weniger ausgabenfreudige Verbraucher.
Eigentlich müssten die einzelnen Assetklassen jetzt unterschiedlich reagieren. Risikolose Titel sollten zulegen, weil eine Zinssenkung der Fed wahrscheinlicher wird; Aktien und Unternehmensanleihen sollten wegen der schwächeren Konjunkturdaten nachgeben. Aber davon waren wir letzte Woche weit entfernt. Am Markt scheint man weiterhin mit einem Goldilocks-Szenario zu rechnen, in dem eine lockerere Geldpolitik und insgesamt lockerere Finanzbedingungen die Realwirtschaft so sehr stärken, dass sich die Verschlechterung von Unternehmensgewinnen und Kreditqualität in Grenzen hält. Hilfreich ist sicher auch, dass den USA keine straffere Fiskalpolitik droht.
Allerdings können wir einen Konflikt zwischen Notenbank und Regierung nicht ausschließen: Die Fed will die Geldpolitik nur behutsam lockern, aber die Regierung könnte sich nächstes Jahr zu einer noch expansiveren Fiskalpolitik entschließen – vor allem, wenn Donald Trump wieder Präsident wird. Das ist alles andere als eine akademische Frage. In seiner ersten Amtszeit hat Trump Notenbankchef Powell offen kritisiert, zumindest bis zur Pandemie. Letzte Woche schrieb ein früherer Chef der New Yorker Fed in einem Namensartikel, dass die Regierung Druck auf die Notenbank ausüben könne. Die gesetzlichen Regelungen zur Fed sind sicherlich nicht leicht zu ändern, aber ihr institutioneller Status ist unklar – und ihre Unabhängigkeit ist längst nicht so gut gesichert wie die der EZB.
Von Gilles Moëc, AXA Group Chief Economist and Head of AXA IM Core Investments Research