- Der EZB-Rat hat den Status quo bei den Leitzinsen beibehalten.
- Die Tonalität der gestrigen Erklärung und der Rede ist inhaltlich etwas zurückhaltender, gleichzeitig aber sehr unverbindlich, was die zukünftige Ausrichtung betrifft.
- Frau Lagarde erklärte, die September-Entscheidung sei „völlig offen“.
- Wir gehen weiterhin davon aus, dass die EZB im September eine weitere Zinssenkung vornehmen wird.
Wie allgemein erwartet, hat der EZB-Rat den Status quo bei den Leitzinsen beibehalten. Was die Kommunikation betrifft, so hatten wir die EZB im vergangenen Juni in einer überraschend defensiven Haltung zurückgelassen. Die Tonalität der gestrigen Erklärung und der Rede ist inhaltlich etwas zurückhaltender, gleichzeitig aber sehr unverbindlich, was die zukünftige Ausrichtung betrifft.
Die EZB scheint hin- und hergerissen. Einerseits möchte sie den Signalen aus Umfragen vertrauen, die auf ein sich entwickelndes Disinflationsszenario hindeuten. Andererseits werden diese Signale durch harte Daten noch nicht bestätigt: "Der inländische Preisdruck ist nach wie vor hoch, die Inflation bei Dienstleistungen ist erhöht, und die Gesamtinflation dürfte noch bis weit ins nächste Jahr über dem Zielwert liegen."
Die Daten vom Juni zeigen einige Verbesserungen, wobei „die meisten Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation entweder stabil waren oder leicht zurückgingen“, während mittelfristige Indikatoren für die Löhne (der Haupttreiber der Dienstleistungsinflation) eine gewisse Zuversicht zu geben scheinen: Lagarde erwähnte die Ergebnisse der telefonischen Unternehmensbefragungen (SAFE) für 2025 und 2026 oder die Indeed-Lohnindikatoren. Christine Lagarde hob in Bezug auf die drei Faktoren Löhne, Produktivität und Gewinne einige vorläufige Verbesserungen hervor. So habe sich die Produktivitätsentwicklung abgeschwächt, während die Stückgewinne im ersten Quartal negativ ausgefallen seien. Wir sind der Meinung, dass in diesem Jahr nur bei den Löhnen substanzielle Fortschritte in die richtige Richtung zu verzeichnen sein werden. Bei der Produktivität und den Margen sind wir unsicherer, doch die Lohnentwicklung ist in diesem Kontext der wichtigste Faktor.
Nicht zuletzt räumte Lagarde ein, dass das im Juni für das zweite Quartal erwartete BIP-Wachstum von +0,4 Prozent nicht erreicht werden würde, da man nun von einem niedrigeren Wert als im ersten Quartal (+0,3 Prozent) ausgeht. Sie betonte auch, dass die Risiken für die Realwirtschaft negativ seien.
Sitzung im September
Dennoch betonte Christine Lagarde, dass sich die EZB auf keinen Kurs festgelegt habe und bezeichnete den Ausgang der September-Sitzung als „völlig offen“. Wir hatten gehofft, dass ihre relativ positive Einschätzung der makroökonomischen Entwicklungen die Tür für eine weitere Zinssenkung im September weiter öffnen würde, als sie es im Juni getan hat. Doch davon war keine Rede. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die EZB im September die Zinsen erneut senken wird. Angesichts von Lagardes zurückhaltender Kommunikation in dieser Woche könnte die Entscheidung jedoch weniger eindeutig ausfallen als zunächst angenommen.
In unserem Basisszenario könnten die Beweise für eine Abschwächung der Dienstleistungsinflation im Laufe des Sommers unzureichend bleiben (und bis August noch bei etwa vier Prozent liegen). Für die EZB könnte dies jedoch genügen, da sie für das dritte Quartal eine Kerninflation von 2,7 Prozent prognostiziert – das gleiche Niveau wie im zweiten Quartal. Das Vertrauen der EZB könnte weiter steigen, wenn der saisonbereinigte Wert, wie bereits im Juni, auf eine Abschwächung auf Jahresbasis über drei Monate hindeutet. Bei der Vergütung pro Arbeitnehmer erwartet die EZB eine Stabilisierung bei etwa 5,1 Prozent nach zuvor fünf Prozent. Dies senkt die Wahrscheinlichkeit negativer Überraschungen. Ein solcher Wert könnte daher ausreichen, da die EZB verschiedenen zukunftsgerichteten Indikatoren (siehe oben) zu vertrauen scheint. Die Diskussionen im EZB-Rat dürften dennoch "lebhaft" werden.
Bezüglich der Fiskalpolitik ist außerdem bemerkenswert, dass Lagarde in der offiziellen Erklärung explizit darauf hingewiesen hat, dass "die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und die Erklärung der Eurogruppe zum fiskalpolitischen Kurs des Euro-Währungsgebiets im Jahr 2025 zu stärken". Obwohl Frankreich nicht explizit genannt wurde und die Botschaft möglicherweise an alle Länder mit einem übermäßigen Defizit gerichtet war, fiel Lagardes Beharrlichkeit in dieser Angelegenheit auf, da sie den Punkt während der Fragerunde nochmals betonte.
Von Hugo Le Damany, Economist und François Cabau, Senior Eurozone Economist bei AXA Investment Managers