Weltweit werden schon bald die Zinsen gesenkt, und eine Rezession bleibt aus – darüber ist man sich einig. Wenig ist passiert, was größere Portfolioumschichtungen rechtfertigen könnte. High-Yield-Anleihen haben bewiesen, dass ihnen volatile Aktienmärkte nicht unbedingt schaden müssen. Staatsanleihen sind aber bisweilen teurer geworden. Die Zweitquartalsergebnisse der US-Unternehmen waren ordentlich, was Aktieninvestoren noch zuversichtlicher macht. Die Weltwirtschaftslage hilft Anlegern weiterhin, und 60:40 lohnt sich.
Auszeit: Während meines Urlaubs in Cornwall bin ich jeden Tag durchschnittlich 5.000 Schritte mehr gelaufen und gejoggt als vor dem Sommer und habe auf diesen vier Extra-Kilometern meist 400 zusätzliche Kalorien verbraucht. Das bekannt gute Essen in Cornwall habe ich ausgiebig genossen – und das Wetter war immerhin so gut, dass ich mich ein paarmal ins Meer getraut habe. Ich hatte aber auch Zeit zum Nachdenken. Trotz der Volatilität Anfang August sind die Zehnjahresrenditen der Kernländer jetzt um 15 bis 25 Basispunkte niedriger als bei meiner Abreise aus London, und der MSCI World Index ist um 2,6 Prozent gestiegen. Aus meinen Gesprächen mit Anlegern und anderen Marktteilnehmern habe ich mitgenommen, dass die kurzen und heftigen Kursschwankungen zu Monatsbeginn die Erwartungen bis zum Jahresende nicht nachhaltig beeinflussen. Die Fed wird die Zinsen bald senken, die Schwäche des US-Arbeitsmarktes hält sich bislang in Grenzen, eine Rezession ist noch immer unwahrscheinlich, und die Umsätze von NVIDIA steigen weiter, weil massiv in Künstliche Intelligenz (KI) investiert wird.
Zinsrückgang: Nicht ganz einig sind sich die Beobachter darüber, ob die Märkte die Leitzinsen richtig einschätzen. Für die USA wird ein Rückgang auf etwa 3 Prozent bis Ende 2025 erwartet, für den Euroraum rechnet man mit 2,25 Prozent und für Großbritannien mit 3,5 Prozent. Anders sehen das vor allem die Beobachter, die Weltwirtschaftswachstum und Inflation für derart starke Senkungen noch immer für zu hoch halten. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Zinsen genau entwickeln. Die Fed dürfte die Straffung der Jahre 2022 bis 2024 aber etwa zur Hälfte zurücknehmen und würde sich dann ähnlich wie in früheren Straffungszyklen verhalten.
Laufzeitenallokation statt Durationssteuerung: Die Diskussionen werden weitergehen. Unklar ist sicher, was die amerikanische Fiskalpolitik nach den Wahlen im November für die Zinsen bedeutet. Für Anleiheninvestoren ist entscheidend, dass sich die Zinsstrukturkurve wohl normalisiert. Die Kurzfristzinsen dürften ähnlich stark fallen wie der Leitzins, die Langfristrenditen weniger. In den meisten Ländern sind die Zehnjahresrenditen im 3. Quartal bislang ordentlich zurückgegangen. Mittelfristig dürften sie die Untergrenze für den fairen Wert bald erreichen. Ohne negative Schocks sehe ich kaum Potenzial für einen weiteren starken Rückgang. Mit amerikanischen Sieben- bis Zehnjahresanleihen hat man in den letzten zwölf Monaten 5,4 Prozent verdient – bei durchschnittlich nur 3,4 Prozent jährlichem Gesamtertrag p.a. seit 1985.
Wie hoch? Ich rechne damit, dass sich die mittel- bis langfristigen Renditen der Kernländer in einer ähnlichen Spanne wie in den frühen 2000ern bewegen werden. Bis zu ihrem Einbruch in der internationalen Finanzkrise 2009 lagen die Zehnjahresrenditen hier zwischen 4,0 Prozent und 5,5 Prozent. In den USA betrug die Kerninflation im Schnitt etwa 2,0 Prozent, in Großbritannien und dem damals noch recht neuen Euroraum war sie etwas niedriger. Wenn die Inflation in nächster Zeit etwas über dem Notenbankziel von 2 Prozent liegt, sind Anleihenrenditen von vier Prozent bis fünf Prozent durchaus plausibel. Unterstellt man dann noch einen Investmentgrade-Spread von 100 bis 150 Basispunkten, kann man mit hochwertigen Anleihen in den nächsten Jahren durchaus 6 Prozent und mehr erzielen. Nach dem desaströsen Quantitative Easing haben Anleiheninvestoren das auch verdient! Von 1996 bis 2006 lagen die Renditen des ICE Global Corporate Bond Index bei 4,5 Prozent p.a., in den zehn Jahren danach bei 3,67 Prozent und seit 2016 nur noch bei 2,6 Prozent jährlich. Wer einen großen Teil seines Portfolios in Anleihen investieren soll, muss schon mit mehr rechnen können als in den letzten zehn Jahren.
Fiskalpolitik im Blick: Die Fiskalpolitik dürfte in den nächsten Jahren spannender werden. In Großbritannien hat die neue Labour-Regierung bereits Sparmaßnahmen signalisiert, weil sie die Neuverschuldung senken möchte. Die Steuern werden erhöht, und wahrscheinlich wird die Progression verschärft, etwa bei der Erbschafts- und Kapitalertragsteuer. Die langfristigen Wachstumsaussichten dürften mehr als bisher von der Fiskalpolitik abhängen, die durchaus Lenkungswirkung haben kann. Das richtige Gleichgewicht zwischen solider Haushaltspolitik, Wachstumsförderung, Verbesserung der staatlichen Dienstleistungen und einer nachhaltigeren Energiepolitik ist nicht leicht zu finden. In den USA war hierzu vor den Wahlen wenig Konkretes zu hören. Konsens ist, dass beide Präsidentschaftskandidaten zu einer eher expansiven Fiskalpolitik neigen, den nötigen Spielraum vorausgesetzt. Das dürfte dann auch ein wichtiges Thema für künftige Gespräche mit Kunden werden. Noch sind die realen Risikoprämien von Anleihen aber nicht wesentlich gestiegen. Eine Finanzierungskrise mag kommen oder nicht – aber Anleihenbären begründen damit ihre Short-Positionen bei Zehnjahresrenditen von knapp 4 Prozent.
High Yield fast ganz vorn: Bis zum Jahresende bleibt High Yield eine interessante Assetklasse, vor allem in den USA. Zurzeit bietet der Index 7,25 Prozent Rendite und damit 317 Basispunkte mehr als Staatsanleihen. Seit Jahresbeginn hat man mit High Yield 6,25 Prozent verdient, etwa so viel wie im langfristigen Durchschnitt. Es dürfte noch etwas mehr werden, da es kaum ernsthafte Refinanzierungsprobleme gibt. Die Zinsdifferenz zwischen CCC-Anleihen und BB-Anleihen ist noch immer bemerkenswert stabil. Bei einer systematischen Verschlechterung der Kreditbedingungen sollte sie sich eigentlich ausweiten. Wenn die Fed die Zinsen senkt und die Zinsstrukturkurve steiler wird, dürften die High-Yield-Kurse noch etwas steigen, sodass weiterhin mit ordentlichen Erträgen zu rechnen ist. Das größte Risiko bleibt eine anhaltende Aktienmarktkorrektur, stärker als Anfang August, da Aktien und High-Yield-Anleihen miteinander korreliert sind.
Ferien, Urlaub, Sommerpause – vorbei: Die Ferien sind zu Ende, aber ich behalte die Immobilienpreise in Cornwall weiter genau im Auge. Die bevorstehenden US-Wahlen machen die letzten Monate des Jahres spannend, und die Notenbanken haben viele Gelegenheiten, die Zinsen zu senken oder es zu lassen. Bis jetzt sprechen die Konjunkturdaten gegen eine baldige Rezession, sodass geduldige Investoren wohl weiter mit ordentlichen Erträgen rechnen können. Einstweilen wird man weiter auf den amerikanischen Arbeitsmarkt und mögliche deflationäre Wirkungen des andauernden Abschwungs in China achten. Die Stahlpreise könnten dafür ein wichtiger Indikator sein. Der Steel Price Index Composite von Bloomberg ist dieses Jahr schon um 17,6 Prozent gefallen. Es gibt Berichte, nach denen China den Weltmarkt mit Stahl überschwemmen könnte, wenn die Nachfrage im eigenen Land schwach bleibt. Bei einem deutlichen Inflationsrückgang würde man mit lang laufenden Anleihen weiterhin überdurchschnittlich verdienen.
Calypso: Es wird auch wieder Fußball gespielt. In den letzten Jahren habe ich mir mit viel zu optimistischen Prognosen für Manchester United oft die Finger verbrannt. Ich schätze aber die Veränderungen in der Mannschaft und die neuen Spieler. Am Sonntag, kurz nach Redaktionsschluss, wird im Old Trafford das wichtige Heimspiel gegen Liverpool angepfiffen. Die Saison ist noch jung, aber ich finde, dass United unbedingt gewinnen muss – und sei es nur, um meine viel zu optimistischen Erwartungen wieder einmal zu erfüllen.1
1 Anmerkung der Redaktion: Manchester United hat das Spiel gegen Liverpool mit 0:3 verloren.
Von Chris Iggo, CIO Core Investments, AXA Investment Managers