Die viel diskutierte weiche Landung wird immer wahrscheinlicher – und die Märkte lieben es! Die Fed war mutig und hat die Zinsen gleich um 50 Basispunkte gesenkt. Aktien legten kräftig zu, manchmal auf neue Rekordhochs. Am Anleihenmarkt rechnet man nach wie vor mit weiteren Zinssenkungen im nächsten Jahr. Vielleicht verdient man mit Anleihen im 4. Quartal nicht ganz so viel wie im 3., aber bei Aktien sind wir für den Rest des Jahres sehr zuversichtlich. Ohnehin verdient man mit Aktien im letzten Quartal eines Jahres meist ordentlich, wobei die Vergangenheitsperformance natürlich keine Garantie für die Zukunft ist und die US-Wahlen dieses Jahr für zusätzliche Unsicherheit sorgen. Wie auch immer: Niedrigere Zinsen, Sieg über die Inflation, Wachstum … was kann da schiefgehen?
Gute Arbeit
Die Fed macht einen hervorragenden Job. Die kräftige Zinssenkung am 18. September war in jeder Hinsicht gerechtfertigt. Außerdem tat die amerikanische Notenbank alles, damit Zweifel an Leitzinssenkungen auf ein neutrales Niveau im neuen Jahr gar nicht erst aufkommen. Die Renditen fielen daher in allen Laufzeitsegmenten, sind aber noch immer deutlich höher als vor 2022. Für Anleiheninvestoren ist das perfekt. Im Sommer haben sie extrem viel verdient. Die Renditen sind noch immer sehr attraktiv und dürften gegenüber dem Geldmarkt in den nächsten Monaten noch attraktiver werden. Weniger Inflation und langsam fallende Kreditkosten helfen auch Verbrauchern und Unternehmen. Bravo!
Effiziente Märkte
Die Kurse sollten eigentlich die gewichteten Wahrscheinlichkeiten aller denkbaren Entwicklungen abbilden. Meinungsunterschiede und überraschende Konjunkturdaten gibt es immer. Die Märkte geben Anlegern viele Möglichkeiten, unterschiedliche Inflations-, Wachstums- und damit auch Zinserwartungen in ihren Portfolios abzubilden. Wer den Inflationsoptimismus der Fed für übertrieben hält und deshalb geringere Zinssenkungen erwartet als der Markt, rechnet damit, dass sich die Märkte dieser Sicht irgendwann anschließen und die Zinsen steigen. Noch wissen wir nicht, wie wahrscheinlich plötzliche Änderungen der Marktstimmung oder unberechenbare Konjunkturdaten sind und was die US-Wahlen am Ende bewirken. An einem effizienten Markt entsprechen die Kurse den nach heutigem Wissen besten Prognosen. Sie können ja dagegen wetten – aber auf eigene Gefahr!
Gut für Anleihen
Die Märkte mögen die starke Zinssenkung. Die Renditen reagierten zwar zunächst nur wenig, waren aber schon vorher stark gefallen. In allen Laufzeitsegmenten sind die US-Staatsanleihenrenditen heute niedriger als Anfang September. Außerdem wird für das Jahresende jetzt eine um 20 Basispunkte niedrigere Federal Funds Rate erwartet als zuvor. Auch in anderen Ländern sind die Renditen gefallen, und am Aktienmarkt schätzte man die Zinsentscheidung sowieso. Alles andere wäre auch seltsam. Eine lockerere Geldpolitik heißt, dass man sich weniger Inflationssorgen macht, und niedrigere Zinsen machen einen Abschwung unwahrscheinlicher. Die amerikanischen Hypothekenzinsen sinken. Laut Bankrate.com ist der durchschnittliche 30-jährige Hypothekenzins von seinem Höchststand von 8% im Oktober auf etwa 6,5% gefallen. Geht er weiter zurück, werden mehr Hypotheken umgeschuldet und mehr Häuser gekauft. Das wäre gut für den Konsum. Und, wie ich letzte Woche schon schrieb, gehen auch die Finanzierungskosten der Unternehmen zurück.
Gut für Aktien
Mit Wachstumsaktien fährt man meist besser, wenn die Zinsen auf 3% fallen, als wenn sie auf 6% steigen – vor allem, wenn sich die Inflation wieder ihrem Zielwert nähert, statt sich auf einem höheren Niveau zu etablieren. Aktien machen mehr Spaß, wenn Analysten aus voller Überzeugung ihre Gewinnerwartungen anheben – statt sie wie 2022 zu senken, weil man aufgrund von Zinserhöhungen eine Rezession erwartet. Alle sind optimistisch, und die Märkte steigen auf neue Allzeithochs. Die KI-Euphorie mag nachgelassen haben, aber die KI-Revolution ist noch nicht vorbei. Im 3. Quartal und bis Anfang 2025 könnten die Gewinne von Technologieunternehmen durchaus positiv überraschen.
Stabiles Umfeld
Don’t fight the Fed! Ich halte die amerikanische Notenbank für extrem einflussreich und glaube, dass sie die richtigen Entscheidungen trifft. Heute lenkt sie die Märkte aus gutem Grund zu einem anderen Gleichgewichtszins als in den Jahren nach der internationalen Finanzkrise. Wer darauf gesetzt hat, dass die Fed den Kampf gegen die Inflation verliert, lag falsch – und wer glaubt, dass sie einen Wachstumseinbruch nicht verhindern kann, wird wohl auch nicht recht bekommen. Gerade in volatilen Zeiten darf man den Einfluss der Fed nicht unterschätzen. Und mehr Volatilität wird kommen – vermutlich wegen der US-Präsidentschaftswahlen und ihrer Folgen, aber auch wegen der noch immer unsicheren Weltlage. Vor allem langfristige Investoren profitieren von der stabilen Geldpolitik. Die Langfristziele der Fed ändern sich kaum: Niedrige Inflation und niedrige Arbeitslosigkeit sind morgen so wichtig wie heute. Das wird die Zinsentwicklung weltweit bestimmen.
Wichtige Zukunftstrends
Man sollte auch nicht gegen den technischen Fortschritt wetten. In den letzten 50 Jahren hat sich die Welt grundlegend verändert, und die Digitalisierung spielte dabei eine wesentliche Rolle. Das wird so weitergehen, denn die wachsende Rechenleistung der Computer und KI sorgen für noch mehr Produktivitätsgewinne. Ich würde auch nicht gegen die Energiewende wetten. Egal wie man über den Klimawandel denkt (und die meisten Laien verstehen von der Materie ohnehin so wenig, dass man sie nicht ernst nehmen muss) – die Elektrifizierung großer Teile der Wirtschaft ist zweifellos gut, zumal die finanziellen, ökologischen und sozialen Kosten der neuen Energieträger deutlich niedriger sind als die der alten fossilen Brennstoffe. Niedrigere Kosten, mehr Dezentralisierung und eine größere Unabhängigkeit von der politisierten Energiebranche ermöglichen mehr Investitionen und neue Handelsbeziehungen, mit weniger Konflikten und neuen Chancen für Länder und Regionen mit wenigen Energierohstoffen.
Begründeter Optimismus?
Vielleicht beginnt jetzt ein goldenes Zeitalter mit einer stabileren Konjunktur, sauberer, kostengünstiger Energie im Überfluss und Technologien, die den Lebensstandard von Milliarden von Menschen verbessern können. Vieles ist möglich, denn für alles das gibt es plausible ökonomische Gründe – und deshalb sehen wir auch langfristige Anlagechancen. Natürlich kann es auch anders kommen. Viele Kassandras warnen vor einem Dritten Weltkrieg, einer Umweltkatastrophe, einer demografischen Zeitbombe und politischem Streit, der in vielen Ländern den sozialen Zusammenhalt schwächt. Solche Befürchtungen können die Märkte durchaus einmal aus dem Tritt bringen. Die Wahrscheinlichkeit solcher Negativszenarien ist aber nicht leicht einzuschätzen. Einige könnten nach den US-Wahlen am 5. November Realität werden, aber noch kennen wir ihr Ergebnis nicht. Am besten befasst man sich damit, wenn es so weit ist. Oder, wie ich gerne sage: „Machen Sie sich keine Sorgen über etwas, das Sie ohnehin nicht ändern können.“
Sichern Sie sich doch ab
Es muss schon viel passieren, damit sich die Zinserwartungen grundlegend ändern. Am ehesten wäre es wohl der Fall, wenn die Inflation schnell auf die (bisher) moderaten Zinssenkungen reagiert. Damit rechnen aber weder die Märkte noch die meisten Marktbeobachter. Man kann sich deshalb mit fünfjährigen amerikanischen Inflationsswaps recht günstig absichern – zu 2,3%. Man sollte sie im Auge behalten. Wenn eine inflationstreibende Politik nach den US-Wahlen wahrscheinlicher wird, wird die Breakeven-Inflation ebenso steigen wie die Zinserwartungen. Wenn nicht, könnte die Hausse noch bis weit ins nächste Jahr anhalten.
Schützenfest
Zehn Tore in den letzten zwei Spielen sind immer ein Grund zum Feiern. Dass Manchester United sie gegen den Aufsteiger Southampton und den Drittligaclub Barnsley erzielte, mindert die Leistung meiner Ansicht nach in keiner Weise. Wer gewinnt, wird selbstbewusster. United kann Selbstbewusstsein gut gebrauchen, steht doch eine Neuauflage des Spiels gegen Crystal Palace am Ort der peinlichen 4:0-Niederlage am Saisonende an. Allmählich geht man die Schwächen der Mannschaft aber an. Der Uruguayer Manuel Ugarte könnte das Mittelfeld erheblich stärken. Am Wochenende hoffe ich auf gute Nachrichten aus Londons Süden.
Von Chris Iggo, CIO Core Investments, AXA Investment Managers