Nach fünf Quartalen mit negativem Gewinnwachstum sind europäische Aktien wieder in den positiven Bereich zurückgekehrt. Und die Daten deuten darauf hin, dass die Märkte europäische Aktien optimistisch einschätzen. Das absolute Gewinnwachstum hinkt der Wall Street jedoch noch deutlich hinterher. Zwei Faktoren könnten die 10-fache Kurs-Gewinn-Bewertungslücke zwischen den Indizes MSCI US und MSCI EU erklären.
Erstens drücken strukturelle Faktoren - relativ niedrige Produktivität, regionale Zersplitterung und Umsetzungsprobleme bei Projekten der Europäischen Union (EU) wie der Bankenunion - weiterhin auf die potenzielle Wachstumsrate in Europa. Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass die USA langfristig fast doppelt so schnell wachsen werden wie Europa.
Zweitens bestehen sektorale Unterschiede. Betrachtet man die historische Zusammensetzung der wichtigsten Indizes, scheint Europa in Branchen wie der Informationstechnologie hinterherzuhinken. Vor etwa 20 Jahren machte der Sektor 16 Prozent der Marktkapitalisierung des S&P 500 und 4 Prozent des Stoxx 600 aus. Bis Ende 2023 war der Anteil in den USA auf 29 Prozent gestiegen, in Europa aber nur auf 7 Prozent. Seit 2004 haben die Bereiche Industrie und Gesundheit jedoch an Bedeutung gewonnen.
Geht man davon aus, dass die auf künstlicher Intelligenz basierende Technologie in den kommenden Jahren dominieren wird, könnte die spezifische industrielle Zusammensetzung Europas ein Schlüsselfaktor sowohl für die langfristige makroökonomische Entwicklung als auch für die erwartete Leistung sein. Das ist ein entscheidender Punkt, der im jüngsten Bericht des ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi über die Wettbewerbsfähigkeit der EU hervorgehoben wurde.
Wachstum des Gewinns je Aktie: USA ggü. EU
Von Alessandro Tentori, CIO Europe AXA Investment Managers